Flassbecks ;Zehn Mythen der Krise – ein Kippbild zur herrschenden LehreHeiner Flassbeck, 1998/1999 Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und seit 2003 Chefvolkswirt der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) liebt die klare Sprache und er ist ein unerbittlicher Kritiker der herrschenden ökonomischen Lehre. Sein wirtschaftstheoretischer Blick auf die Wirklichkeit lässt sich – bildlich gesprochen – am ehesten mit einem Kippbild vergleichen. Das heißt, man muss sich auf einen Wechsel der Wahrnehmung der ökonomischen Zusammenhänge gegenüber der „Mainstream-Ökonomie“ einlassen und erkennt plötzlich ein völlig anderes Bild als dasjenige, das die herrschende Meinung zeichnet. Von Wolfgang Lieb Hier ein bekanntes Beispiel für ein solches Kippbild: Beim achten Mythos setzt sich Flassbeck mit der im kollektiven Gedächtnis der Deutschen tief verankerten Inflationsangst und der derzeit wieder allseits zu hörenden Behauptung auseinander, zu viel Geld von der Notenbank inflationiere die Wirtschaft. Zwar könne eine Inflation immer nur dann entstehen, wenn die Zentralbank bereit sei, sie zu finanzieren. Anders als die „Monetaristen“ meinten, sei Geld zwar eine notwendige, aber keineswegs eine hinreichende Bedingung für eine Inflation. So versuchten in Europa derzeit alle Länder, ihre Wirtschaftsprobleme über Lohnsenkungen zu lösen, aber dann könne die Notenbank noch so viel Geld ins System pumpen, das Ergebnis werde Deflation sein. Im Gegensatz zum Geldmengen-Dogma habe eine Inflation nämlich genau zwei ggf. miteinander zusammenhängende Ursachen: hohe Nachfrage oder stark steigende Kosten. Nur wenn es mit dem Geld der Zentralbank gelänge die Konjunktur zu überhitzen und gleichzeitig stark steigende Nachfrage und stark steigende Löhne zu schaffen, dann könne es eine Inflation geben. (S.40f.) Schließlich geht Flassbeck noch auf die populistisch verbreitete Hauptsorge der Deutschen ein, nämlich dass Deutschland zum Zahlmeister Europas würde. Unter anderem wird gesagt, Deutschland gefährde seine eigene Solidität, weil es „unsolide Staaten“ unterstütze. Die Sachlage sei jedoch eine andere. Griechenland und andere Länder in Schwierigkeiten hätten als Mitglieder der Eurozone einen Anspruch darauf, dass die Europäische Zentralbank als „Kreditgeber der letzten Zuflucht“ (lender oft he last resort) zur Seite springe. Hätte die EZB rechtzeitig interveniert, wäre der Zins niemals so hoch gestiegen. In der Wut der der politischen Rechten über die Griechen und in der beleidigten Attitude der Linken, dass die Banken nicht ungeschoren davon kommen dürften, sei übersehen worden, dass die Gläubiger von Staaten in aller Regel eben nicht die Spekulanten seien. Solide Geldanleger hätten im Gegenteil durch die einsetzende Spekulation Geld verloren, weil der Wert der Anleihen gefallen sei. Dass bei Banken viele Staatsanleihen in den Büchern stünden sage noch nichts darüber, wer bei einem Kreditausfall tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen würde. Der Kreditausfall auch nur eines einzigen verschuldeten Staates berge ein enormes Risiko, der absurderweise wieder die Staaten als Retter der Banken auf den Plan rufen würde. Die Eurozone sei nicht zu retten, wenn Deutschland nicht lerne, dass es für keinen Staat der Welt eine kurzfristige Überbrückungslösung geben könne, wenn nicht die Zentralbank eingreife und weitere Spekulationen stoppe. (S.44) Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/?p=12137
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