von Christian Scheid / Börse Online
Dass die Telekom ihre Internettochter wieder komplett unter ihre Fittiche nehmen würde, war erwartet worden. Überraschend ist jedoch der frühe Zeitpunkt der Transaktion. Analysten hatten den Fusionsbeschluss übereinstimmend erst für das kommende Jahr prognostiziert.
Im Zuge der Wiedereingliederung soll T-Online mit dem Mutterkonzern verschmolzen werden. Erreicht die Telekom im Zuge ihres Barabfindungsangebots einen Anteil an T-Online von 90 Prozent oder mehr, entfällt die Zustimmungspflicht der Telekom-Hauptversammlung.
In jedem Fall muss der Zusammenschluss aber durch das T-Online-Aktionärstreffen genehmigt werden. Erforderlich dafür ist eine Dreiviertelmehrheit. Das sollte keine Hürde darstellen, denn die Telekom besitzt rund 74 Prozent an der Tochter. Die fehlenden Stücke dürfte sich das DAX-Schwergewicht an der Börse besorgen oder schon besorgt haben.
Aus Sicht von Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke wurde der Schritt nötig, da "der Breitbandmarkt in den vergangenen Jahren einen massiven Boom erfahren" hat. In diesem veränderten Marktumfeld wäre eine "nicht integrierte T-Online auf Basis ihres aktuellen Geschäftsmodells gegenüber integriert auftretenden Wettbewerbern in ihren Geschäftschancen erheblich eingeschränkt."
Durch die Verschmelzung und das damit einhergehende neue Geschäftsfeld Breitband/Festnetz glaubt die Deutsche Telekom, ihr Ziel von zehn Millionen Breitbandkunden im Jahr 2007 leichter erreichen zu können. Künftig will sich der Konzern noch stärker auf die Kundenbedürfnisse ausrichten und Dienste wie Fernsehen, Internetanschluss und Telefonie bündeln. "Dabei arbeiten wir auch mit Dritten zusammen", betont Ricke.
Zusätzlich zur Möglichkeit, T-Online-Aktien in Anteile des Mutterkonzerns zu tauschen, hat die Telekom ein freiwilliges Übernahmeangebot von 8,99 Euro je T-Online-Aktie abgegeben. Der Preis entspricht exakt dem Xetra-Schlusskurs vom Freitag und liegt zwei Cent über dem Durchschnittskurs der vergangenen sechs Monate. Bitter ist der angebotene Preis für die Aktionäre der ersten Stunde. Sie zahlten im März 2000 das Dreifache, nämlich 27 Euro je Aktie. "Die Zeiten haben sich geändert", fällt Ricke dazu ein. Auf die Frage, warum es keine Prämie auf den aktuellen Kurs gebe, entgegnet Finanzchef Eick kurz und knapp: "Die Frage nach einer Prämie stellt sich nicht."
Ricke ergänzt: "Der Preis, der heute gezahlt wird, und der Preis der damals gezahlt wurde sind jeweils Marktpreise gewesen. Diese sind für die Telekom nicht beeinflussbar."
Als die schlechtere Variante könnte sich es jedoch erweisen, auf das Tauschangebot zu warten. Dieses wird anhand von Wertgutachten auf Basis der Ertragswertmethode ermittelt und frühestens im Januar 2005 veröffentlicht. Erste Untersuchungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG haben ergeben, so Telekom-Finanzchef Eick, dass das endgültige Tauschverhältnis schlechter ausfallen werde als das auf Basis der Schlusskurse vom Freitag (0,59 Telekom-Aktien für ein T-Online-Papier).
Gleichwohl stellt der Finanzchef fest, dass auch T-Online auf Basis der Ertragswertmethode unterbewertet sei ein Punkt, der Aktionärsschützer zu besonders wütenden Protesten verleitet: "Die Offerte ist absolut inakzeptabel", so Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
"Die Verschmelzung ist der einzige Weg, an 100 Prozent der Aktien zu gelangen", sagt Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick. Nach erfolgreicher Transaktion, voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2005, wird T-Online vom Kurszettel verschwinden.
Anleger, die bis dahin noch Aktien des Internetserviceproviders haben, bekommen Anteile des Mutterkonzerns auf Basis des ermittelten Umtauschverhältnisses eingebucht.
Folglich besteht kaum Hoffnung, dass die Telekom ihr freiwilliges Umtauschangebot erhöhen wird. Denn sie erreicht ihr Ziel, 100 Prozent der Aktien zu erhalten, auch ohne eine solche Maßnahme.
Auch die Spekulation auf ein höheres Abfindungsangebot hält sich in Grenzen, wie die erste Kursreaktion zeigt. 15 Minuten nach Handelseröffnung liegt die T-Online-Aktie nur etwas mehr als ein Prozent im Plus bei 9,10 Euro und somit nur wenig über dem Übernahmeangebot von 8,99 Euro je Titel.
Die Chancen, bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mehr herauszuholen, erachten wir als gering. Gar als utopisch sehen wir die Forderungen einiger Aktionärsschützer nach einem Übernahmepreis von 27 Euro - dem 2000er-Emissionspreis - je Anteil.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Telekom dem großen öffentlichen Druck nachgibt und freiwillig noch eine Schippe drauflegt. Deshalb raten wir T-Online-Aktionären vorerst, in dem Papier investiert bleiben. Sollten sich neue Entwicklungen ergeben, werden wir Sie rechtzeitig darüber informieren.
Empfehlung: HALTEN Kurs am 11. Oktober: 9,10 Euro Stoppkurs: 8,50 Euro
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