Fonds mischen die deutschen Wohnungsunternehmen aufDie Aufkäufer der internationalen Branche der Private-Equity-FondsSebastian Müller Im Sommer 2005 gingen 138.000 Wohnungen der Viterra AG en bloc und für den außerordentlichen Betrag von sieben Milliarden Euro an einen britischen Investmentfonds. In Deutschland firmiert er unter Deutsche Annington. Der Besitzerwechsel bei diesem wohnungswirtschaftlichen Riesen aus dem Ruhrgebiet war unbestreitbar ein Höhepunkt der Aufkäufe der internationalen Private-Equity-Fonds am deutschen Wohnungsmarkt. Er bedeutete aber keineswegs das Ende dieser Privatisierungsform sozialen Wohnungsbestands. Verkauft sind mittlerweile auch die Landesentwicklungsgesellschaft Niedersachsen (NILEG) mit ca. 30.000 Wohnungen für 1,5 Milliarden Euro an Fortress, die GHG der Berliner Verkehrsbetriebe mit 5100 Wohnungen für 350 Millionen Euro an den deutschen Fonds Corpus Immobilien-Gruppe und die ca. 1400 Wohnungen der TUI-Tochter Preussag Immobilien im Ruhrgebiet an den britischen Investor Grainger Trust für 70 Millionen Euro. (Eine Übersicht finden Sie hier, die Red.)* Für den deutschen Wohnungsmarkt ungewöhnlich haben sich seit fünf Jahren Wellen von Verkäufen ehemaliger Werkswohnungsunternehmen sowie ehemals gemeinnütziger oder kommunaler Wohnungsunternehmen an internationale Private-Equity-Fonds aufgeschaukelt und die traditionelle Anbieterstruktur aufgemischt. Mehr als eine halbe Million Wohnungen gingen seit Anfang 2000 auf internationale Finanzanleger über, davon 300.000 im bisherigen Spitzenjahr 2004. "Allein im Jahr 2004 haben ausländische Fonds deutsche Wohnimmobilien im Gesamtwert von mehr als 13,5 Milliarden Euro erworben". Und "bis zum Jahr 2010 ist mit weiteren Portfoliotransaktionen" - so der beschönigende Ausdruck - "im Gesamtvolumen von rund einer Million Wohneinheiten zu rechnen", schreibt Peter Horn auf den Immobilienseiten der Süddeutschen Zeitung vom 22.07.2005. Er zitierte eine Untersuchung der Deutschen Bank Research vom 03.05.2005. Im Bestand von öffentlichen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften bleibt dann noch einiges - vier Millionen Wohneinheiten, meint die Deutsche Bank - , aber immerhin sind dann ein bis zwei Millionen Wohnungen aus irgendwie noch sozial oder politisch beeinflussbaren Beständen verschwunden. Private-Equity-Fonds als TrendsetterDie Fondsankäufe der deutschen Wohnungswirtschaft verfestigen sich zum unumkehrbaren Trend. Allein der US-Fonds Fortress will schon bald weitere 10 Milliarden Euro auf dem deutschen Wohnungsmarkt unterbringen. Volkswagen und Allianz mit zusammen 40.000 Wohnungen werden aktuell als Verkäufer genannt. Nach dem Verkauf der NILEG steht auch der Verkauf der 100.000 Wohnungen der LEG Nordrhein-Westfalen auf dem Programm. Auch kommunale Wohnungsbauträger bieten sich den Fonds derzeit an. Bremen bietet die Gewoba mit 43.000 Wohnungen, in der jeder siebte Bremer wohnt. Dresden will seine Woba mit rund 48.000 Wohnungen verkaufen - damit würde jede fünfte Dresdner Wohnung veräußert, hat die Leipziger Volkszeitung berechnet. Für diese großen Paketverkäufe werden natürlich nur internationale Finanzinvestoren genug aufwenden können. Gegen die beiden letztgenannten Verkäufe gibt es allerdings massive Widerstände und Bürgerbegehren sind angelaufen (www.woba-erhalten.de). Mieter/innen und Bürger/innen haben dort offensichtlich aufgehört, sich vom angeblichen Geldsegen für die Staats- oder Stadtkassen blenden zu lassen. Zwar sind die aufkaufenden Fonds noch in der Schmusephase, werben um Vertrauen bei Politik und Mieter/innen, laden zu Buffets und offenen Gesprächen und sagen weitreichenden Mieterschutz zu. Dabei wird es nicht lange bleiben. Sie werden nicht die Schönheitsreparaturen der Mieter/innen und Vergleichbares übernehmen und dabei die Mieten niedrig halten, wie das die GSW zum Teil gemacht hat. Sie sammeln weltweit Kapital von finanzstarken privaten und institutionellen Anlegern, z. B. den Aldi-Brüdern, Pensionsfonds oder Versicherungen, und stecken es dann u. a. in lokale Immobilienmärkte. Sie werden aus den Wohnungen ein Geschäft mit international üblichen Renditen machen müssen. Sie haben ihre Anleger im Nacken. Internationale Private-Equity-Fonds machen ihr Geschäft meist in drei Sparten gleichzeitig, erstens durch Kauf, Umfinanzierung und Eintreiben von Krediten, zweitens durch Kreditierung, Kauf, Sanierung und kurzfristigen Verkauf von nicht börsennotierten Unternehmen und drittens durch Kauf, Verwalten und erneuten Verkauf von Immobilien und Immobilienunternehmen. Es wird kolportiert - übrigens ebenfalls in der Untersuchung der Deutschen Bank Research - , dass die Käufe bis zu 90% aus Fremdkapital finanziert werden. Zins und Tilgung in Millionenhöhe müssen erwirtschaftet werden. Außerdem müssen Private-Equity-Fonds ihre Anleger nicht erst zum Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern sofort bedienen und die derzeit eher spärlichen Erträge aus dem Wertpapier- und Anleihe-Investment aufbessern. Die Fonds brauchen also schon kurzfristig sehr schwarze Zahlen und Ausschüttungen. Kapitalrenditen von mehr als 15% im Immobiliengeschäft sind im Gespräch. Solche Renditen lassen sich jedoch in der BRD durch Wohnungsvermietung keinesfalls erwirtschaften, schon gar nicht mit den Miethäusern in Berlin, Kiel oder dem Ruhrgebiet, die den größten Batzen des Erworbenen ausmachen. Das geht nur, wenn Wohnungen massenhaft und mit Gewinn weiterverkauft werden. Am besten an die derzeitigen Mieter/innen selbst. NRW und Berlin - zentrale Experimentierfelder der FondsDie bisherigen Aufkäufe haben zwei eindeutige Zentren: Berlin und Nordrhein-Westfalen (NRW). In NRW gibt es außerdem eine starke Konzentration von deutschen Konzernzentralen der neuen Besitzer: Die Fortress Deutschland konzentrierte sich am Sitz der alten Gagfah in Essen, die Corpus hat ihre Zentrale in Köln und die Deutsche Annington wird - so hört man - ihren Sitz nicht am alten Hauptsitz der Viterra in Essen, aber im nahegelegenen Bochum nehmen. Sie bleibt in NRW. Deswegen kann vermutet werden, dass dort auch ausprobiert wird, was man den Beschäftigten der alten Wohnungsunternehmen, dem deutschen Wohnungsmarkt und den Mieter/innen in den Wohnungsbeständen zumuten kann. Neutraler gesagt: Wie man mit ihnen arbeiten kann. Viel wird sich daran entscheiden, wie der neue Marktführer, die Deutsche Annington, sich verhalten wird oder zu welchem Verhalten die Mieterbewegung und ihre Bündnispartner die Deutsche Annington veranlassen können. Aber nicht nur die Bedingungen, die in NRW gesetzt werden, werden prägend sein. Erstmals müssen die deutschen Mieter/innen sich mit Partnern auseinandersetzen, die ihre Geschäftsideen im internationalen Raum bilden oder abholen werden, vorzugsweise in den Finanzzentralen wie New York oder London. Lehrbuchmäßig gelten Finanzinvestoren wie Private-Equity-Fonds als so genannte Zwischenerwerber. Sie sind am langfristigen Halten und Pflegen von Wohnungen nicht interessiert, sondern an der baldigen Wiederveräußerung. Die Untersuchung der Deutschen Bank schreibt ziemlich offen über die möglichen "Geschäftsmodelle" oder "Exit-Strategien" (mehr über Exit-Strategien auf S. 8, die Red.), mit denen die Fonds an Refinanzierung und Profit aus den Wohnungsbeständen kommen können. Und blickt man auf die schon bei der Viterra entwickelte Geschäftspraxis, kann man sagen, dass in NRW seit 1990 ziemlich viel Erfahrung über die Wege zur Profitmaximierung durch Wohnungsbestände gesammelt wurde, welche auch für Berliner Mieter/innen nützlich sein könnte. Mieterprivatisierung und Verkauf an KapitalanlegerViterra startete schon, als sie noch Veba Wohnen hieß, in die Vermarktung ihres Bestands mit der so genannten Nachverdichtung und Umwandlung und setzte auch die Einzelprivatisierung von tausenden von Wohnungen durch. Aus dem Gewinn kaufte sie kleinere privatisierte Wohnungsunternehmen u.a. an wohnungswirtschaftlich aufregenderen Orten wie Frankfurt/Main oder München und auch im Ausland. Fortgesetzte Mieterprivatisierung ist die Schlüssel-Exit-Strategie aller Fonds. Sie wird auch gelegentlich angekündigt, per Presseerklärung, wie etwa von Colonia Real Estate AG im Juni 2005: "Die schrittweise Privatisierung von einzelnen Wohneinheiten an vier Standorten ist ab Januar 2006 geplant und soll in erster Linie sozialverträglich an die Mieter erfolgen. Weitere Standorte sollen im Weg kleinerer Blockverkäufe an private und institutionelle Investoren veräußert werden." Ob das am rentierlichsten durch schlichte Umwandlung in Eigentumswohnungen geht oder erst nach optischer Aufbesserung oder ob mit Modernisierung, ob mit Drückerkolonnen oder mit Kreditangeboten und Finanzierungsplänen gearbeitet wird, das dürfte von den regionalen Wohnungsmärkten abhängen. Es kann auf die niedrige Eigentumsquote in der BRD von etwa 43% spekuliert werden. Die Fonds werden jedoch mit der Unlust zahlreicher Mieter/innen konfrontiert sein, die sich wegen der schlechten wirtschaftlichen Aussichten keinesfalls in das Abenteuer stürzen werden, ihre alte Bude zu erwerben. Die durch das soziale Mietrecht geschützten Mieter/innen werden mit "Kaufangeboten" aller Arten umzugehen haben. Sie zu beraten, zu unterstützen und gegen Zumutungen abzusichern ist nicht nur eine Aufgabe von Mieterorganisationen, sondern vor allem auch der örtlichen Politik. Aktives ManagementAktives Management heißt u.a. dass Spielräume für Mietsteigerungen genutzt werden. Diese Strategie ist auch für Zwischeninvestoren ein notwendiger Schritt für den Weiterverkauf. Er zeigt ja an, was aus den Mieter/-innen rauszuholen ist, geht man schärfer ran als die Altgesellschaften. Auch die Verringerung des Management- und Betreuungspersonals in den Gesellschaften um 10 bis 20% und andere Kosteneinsparungen gehören zum aktiven Management. Da Bestandserhaltung und Mieterbetreuung im Prinzip unbedeutsamere Geschäftsfelder sind als die Aufteilung und der Verkauf von Wohnungen, kann hier entlassen werden. Die Deutsche Annington spricht derzeit von 450 Entlassungen bei Viterra und 130 Auflösungsverträge sollen geschlossen sein. Gleichzeitig wird wahrscheinlich die Bestandspflege wie Anstrich, Grünpflege, Hausmeisterdienste usw. zurückgefahren, unterlassen oder an externe Dienstleistungsunternehmen vergeben. Viterra hat auch dies schon vor Jahren praktiziert. Weiterverkäufe von TeilportfoliosDiese Verkäufe oder Übertragungen können an kleinere Zwischeninvestoren oder an Endinvestoren getätigt werden. Das kann, wie die Deutsche Bank Research schreibt, "für Zwischeninvestoren mit sehr kurzem Investitionshorizont interessant" sein. "Ihnen kommt es dann weniger auf die Reserven in den Immobilien an als auf die Rendite." Auch hier ging Viterra bereits voran. Sie begründete eine Tochter namens Mira, der sie angebliche 27.000 "Schrottimmobilien" übertrug, die sie aus der Bilanz haben wollte. Der zynisch als "Schrott" bezeichnete Wohnungsbestand, heruntergekommen durch unterlassene Instandsetzung, galt nicht als modernisierungsfähig. Aber er konnte noch veräußert werden, denn er wurde Mira - vermutlich zu Quadratmeterpreisen weit unter 500 Euro - übertragen. Mira wie Viterra verkauften und verkaufen weiterhin Teilportfolios, Restwohnungen und eben den "Schrott" an kleinere Wohnungsunternehmen oder Weiterverwerter. Namen wie Häusserbau/Bochum, Neuer Grund/Essen, Rölver Grundbesitz/Drensteinfurt oder Burhenne/Bochum, Babagünesch/ Schwelm stehen im Ruhrgebiet für derartige Weiterverwerter. An diesen Verwertungsketten sieht man: Der Umbau der behäbigen ehemaligen Wohnungsverwaltungsgesellschaften in fixe Wohnungshandelsgesellschaften durch die Private-Equity-Fonds ist im vollen Gang. Gang an die BörseAuch für Wohnungsunternehmen ist ein "normaler" Börsengang denkbar. Das Private Equity Haus Fortress hat ihn für die 2004 übernommene Gagfah angekündigt. Dafür müssen schon vorher Kostenstrukturen optimiert und dann alle Effizienz- und Wertsteigerungspotenziale so ausgeschöpft werden, dass der Fonds das Unternehmen ausnehmen und zugleich künftige Aktionäre davon überzeugen kann, dass noch reichlich Wertsteigerungen drin sind. Auf gut Deutsch heißt das wieder Einzelprivatisierung, außerdem Kürzung beim Instandsetzungs- und Verwaltungsaufwand, Rationalisierung und Ausdünnen der Mitarbeiter/innen im Unternehmen, Portfoliobereinigung um den preiswertesten Schlichtwohnungsbestand und die umgehende Erhöhung von Mieten bis an die Mietobergrenzen. Beim derzeitigen Zustand der Börse kann am Ende noch gebetet werden, dass sich Aktien verkaufen lassen, um den ursprünglichen Kaufpreis zu überschreiten. Viterra hatte nach Angaben des Unternehmens auch diese Möglichkeit noch Anfang 2005 als Alternative zum Verkauf im Visier, dann aber offensichtlich verworfen. Denn noch dürften die Fonds-Wohnungen auf der Börse kaum das Bild von Sicherheit und Wertsteigerung der Anlage ausstrahlen. Baldige Einführung von Reits geplantDeswegen drücken die Investoren so sehr auf einen zweiten Pfad an der Börse, die Zulassung von börsennotierten deutschen Real Estate Investment Trusts, kurz Reits. Im Unterschied zu den normalen deutschen Aktiengesellschaften würde eine Reits-Aktiengesellschaft von Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befreit. Nur die Dividenden würden bei den Aktionären als Einkommen versteuert. Damit bekämen die Reits-Aktien ein "spezifisches Risiko-Rendite-Profil", wie die Deutsche Bank Research meint. Mit anderen Worten, klappt es mit den Aktien und den Aktienkursen nicht, sind nur die Aktionäre die Dummen. Die Fonds sind aus dem Schneider.
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