Wahlthemen: Mindestlohn, Abtreibung und mehr
Der Machtwechsel in Washington dürfte die Wall Street nicht nachhaltig belasten – einige Branchen aber schon. Zum Beispiel den Einzelhandel, die Fastfood-Ketten oder andere Dienstleister, denn die müssen wohl bald den Mindestlohn für ihre Mitarbeiter anheben.
Den Mindestlohn anzuheben, der seit 1997 unangetastet bei 5,15 Dollar pro Stunde liegt, ist wohl das eiligste Projekt für die Demokraten, die nach den Kongresswahlen die Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben und möglicherweise auch den Senat kontrollieren werden. Während sich viele Politiker Ziele für die ersten hundert Tage setzen, will die neue Sprecherin des Abgeordnetenhauses, die Kalifornierin Nancy Pelosi, den Mindestlohn schon „in den ersten hundert Stunden“ durchboxen.
Auf allzu harten Widerstand wird sie dabei nicht stoßen, nicht einmal von Seiten der Republikaner. Die haben den Mindestlohn zwar bewusst niedrig gehalten und hätten eine Anhebung – nicht einmal um die Inflation auszugleichen – nie und nimmer auf der Agenda gehabt. Doch hat der Wähler seine Meinung in diesem Bereich deutlich gemacht. Nicht nur mit einer generellen Absage an die Republikaner, die wohl mehr mit der Krise im Irak zusammenhängt als mit konjunkturellen Hintergründen, sondern auch mit Abstimmungen in sechs Staaten, in denen das Thema Mindestlohn mit auf dem Wahlzettel stand.
In allen sechs Staaten, in Ohio, Missouri, Montana, Nevada, Arizona und Colorado sprach sich die klare Mehrheit der Wähler für einen höheren Mindestlohn aus. In Ohio votierten 56 Prozent für eine Anhebung um 33 Prozent auf 6,85 Dollar, in den übrigen Staaten geht es zunächst um Anhebungen auf 6,15 Dollar bis 6,50 Dollar – oder auf das nationale Niveau, sollte das noch höher sein. Es wird: Bekanntes Ziel der Demokraten im Kongress ist eine Anhebung um ganze 40 Prozent auf 7,25 Dollar.
Die Mindestlohn-Debatte war im Rahmen des allgemeinen Wahlkampfes sehr heftig geführt worden. Zahlreiche Branchenverbände wie der Verband der unabhängigen Klein-Unternehmenr, die National Federation of Independent Business, oder die National Restaurant Association drohten mit katastrophalen Folgen für den Arbeitsmarkt. Höhere Löhne führten direkt zu weniger Arbeitsplätzen, hieß es – offensichtlich ohne Wirkung bei einer Mehrheit der Wähler, denen mehr an höheren Löhnen im Sinne sozialer Gerechtigkeit lag.
So spielten in die Entscheidung mancher Wähler neben den rein wirtschaftlichen und konjunkturellen Überlegungen aus moralische Gedanken ein. Die Frage um den Mindestlohn war auch nicht die einzige, die per Referendum direkt vom Bürger zu beantworten war:
In South Dakota stimmten die Bürger gegen ein totales Verbot von Abtreibungen, das die schärfste Gesetzgebung in diesem Zusammenhang im ganzen Land gewesen wäre. In Kalifornien und Oregon fand sich nicht einmal eine Mehrheit für ein Verbot von Abtreibungen bei Minderjährigen ohne Kenntnis der Eltern.
Die Konservativen setzten sich hingegen in einer anderen Moral-Frage durch, die Amerika seit Jahren beschäftigt: Die Homo-Ehe wurde per Referendum in Colorado, Idaho, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Virginia und Wisconsin verboten. In drei Staaten, Colorado, South Dakota und Nevada, ist auch künftig der Besitz von Marihuana nicht erlaubt, in Missouri hingegen die Stammzellen-Forschung, was unter anderem mit dem Engagement von Parkinson-Patient Michael J. Fox zusammenhängt.
Über eine interessante Idee, künftig mehr Amerikaner an die Wahlurne zu locken, stimmten die Wähler in Arizona ab: Die Verlosung von 1 Million Dollar unter allen Wählern wird es aber laut Mehrheits-Votum nicht geben – die Demokratie zur Lotterie verkommen zu lassen, ging den Bürgern im Grand-Canyon-State dann doch zu weit.
Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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