Die schönsten Dinge des Lebens
Vielleicht glauben Sie, daß ein Artikel über Sadismus mit einer Erklärung zu beginnen habe, das Wort Sadismus leite sich direkt von dem berühmten französisschen Schandbuben Marquis de Sade her und Sadismus sei eine zutiefst menschliche Eigenschaft, die in jedem von uns stecke, selbst in einem zarten unschuldigen Knäblein, das auf einer blumigen Frühlingswiese auf einer von seiner Mami fürsorglich ausgebreiteten Seidendecke hockt, niedlich vor sich hin gluckst und mit offenen Augen die Sonne und den marineblauen Himmel anlacht...und einem buntglänzenden Schmetterling die Flügel ausrupft...
Doch all das ist schon längst zum Allgemeingut geworden. Der Sadismus hat seinen Schrecken verloren, die Vorstellung des abgründigen, des perversen Lasters, die alleine das Wort Sadismus noch vor 100 Jahren auslöste und den biederen Spießer rot anlaufen lieá - sei es aus Scham, sei es aus Schuldbewußtsein - ist schon längst Thema in jedem Kindergarten. So wie 'Leberwurstbrot' und 'Giftgasangriff', wie 'Bodenturnen' und 'Panzerschlacht' ist auch Sadismus zu einem Wort des ganz normalen Sprachgebrauchs geworden. Der aufgeklärte Fernsehbildungsbürger weiß genau, wie es um seine persönlichen Abgründe bestellt ist und die Romane des alten, verstaubten Marquis de Sade werden genau wie alle anderen Klassiker im Buchgeschäft per Visa-Card erworben und aus Prestigegründen ins Buchregal gestellt um dort vor sich hin zu schimmeln. Gelesen werden sie jedenfalls nicht und dieses Schicksal haben sie durchaus verdient. In 'Die 120 Tage von Sodom' vergeht sich irgendein alter Sack an irgendeinem unschuldigen Mädchen und das, wie der Titel sagt, 120 Tage lang und zwar (mindestens) morgens, mittags und abends. Na und? In den Talkshows, die nachmittags zwischen 'Ninjia Turtles' und ' Bravo-TV' laufen, treten Typen auf, deren Abgründe im Vergleich zu denen des alten lüsternen Sacks in den '>120 Tagen...' wie der Atlantik zu einem Swimmingpool stehen.
Aber nun gut...die Welt ist schlecht anstatt gut und die Menschen lieben es, einander zu quälen. Wer dies abstreitet und behauptet, es geben solche und solche, hat jedoch auch nicht ganz Unrecht - imerhin hat jede Medaille zwei Seiten und für jeden, der die Peitsche schwingt, muß es einen geben, der seinen entblößten Rücken oder gar Hintern darbietet. Und daher sieht man mindestens in jeder zweiten Fernsehtalkshow irgendwelche Gestalten, die mit Ledermaske vermummt, von ihrem schweren Schicksal als Sadist oder Masochist erzählen, während ein dümmlich-flapsiger Moderator oder eine naiv-plappermäulige Moderatorin wahrscheinlich ausschließlich daran denken, diesen Schwachsinn möglichst ohne allzugroße Peinlichkeiten zu beenden.
Jedoch gibt es auch subtilere Formen des Sadismus, die beispielsweise häufig gegen Kinder angewendet werden; eine Mutter, die folgende Sätze in ihrem pädagogischen Repertoir hat, ist an Sadismus jedem mittelalterlichen Folterknecht zumindest ebenbürtig:
"...iß endlich deinen Teller leer, woanders verhungern die Kinder und die wären froh, wenn sie eineso liebe Mutti hätten, die immer kocht, obwohl du schon so dick bist, daß die anderen Kinder hinter dem Rücken ber dich lachen!"oder: "ohne dich könnte ich ja so tolle Sachen machen, aber egal, jetzt bist du nun mal da, mein kleiner Schatz."
Oder wie wäre es mit dem Büroangestellten, der nach 30 Jahren in ein und derselben Firma in Pension geschickt wird und der als Abschiedsgeschenk eine Uhr bekommt, auf deren Rückseite sein Name eingraviert ist, nur leider falsch geschrieben...? Auch scheinbare Gedankenlosigkeit ist nämlich oft nichts anderes als unbewußter und unterdrückter Sadismus! Um aber auf sämtliche möglichen Formen und Arten des Sadismus einzugehen fehlt mir hier die Zeit...schauen Sie sich doch einfach im Kino einen X-beliebigen Film mit Robin Williams an, dann wissen Sie wirklich nicht nur alles über Sadismus, sondern werden obendrein auch noch zum Fachmann für angewandten Masochismus, denn nirgends leidet man mehr!
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