US-Doppeldefizit und SDRM im Fokus des IWF-Treffens
Frankfurt (vwd) - Die Lage der Weltwirtschaft sowie internationale Krisenprävention und Maßnahmen zur Krisenbewältigung werden im Zentrum der am Wochenende anstehenden Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank stehen. Grund für das verzögerte Wachstum der Weltwirtschaft seien makroökonomische Ungleichgewichte, darunter namentlich die hohen Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite der USA, die inzwischen ein extremes Ausmaß angenommen hätten, hieß es am Dienstag aus IWF-Kreisen. Neu sei nicht das Leistungsbilanzdefizit an sich, sondern dessen Größenordnung sowie die Rückkehr eines Doppeldefizits.
Angesichts des Ausmaßes der Defizite könnten die Märkte zu einer "Neueinschätzung" der Situation gelangen. Es bestehe hier das Problem einer unterschiedlichen Wachstumsdynamik und unterschiedlicher Strukturen. So müsse das Thema nicht nur an die USA addressiert werden, sondern auch an die Regionen, die nur schwach gewachsen sind. Die deutsche Seite sei aber besorgt, dass die Makropolitik der USA eher kurzfristig ausgerichtet sei, während man in Europa zu einer mittelfristigen Orientierung tendiere.
Deutschland will den Kreisen zufolge in Washington auf eine Fortsetzung der multilateralen Zusammenarbeit drängen. Es gehe darum, "Gruppendruck" zu erzeugen und zur Umsetzung von Maßnahmen zu gelangen. Das Interesse der USA an "multilateraler Disziplin" und Zusammenarbeit habe aber im Vergleich zu den Zeiten der Clinton-Administration "deutlich" nachgelassen. Differenzen zwischen den USA und Europa bestünden insbesondere bei der Ausarbeitung eines internationalen Insolvenzrechts. Vor allem die angepeilte Schaffung eines "Sovereign Debt Restructuring Mechanism" (SDRM) werde zu Kontroversen mit den USA führen, hieß es.
Für die USA scheine ein solcher Mechanismus keine politische Priorität zu haben, die US-Seite halte so genannte Collective Action Clauses (CAC) für ausreichend. Dabei sollen Klauseln in die Vertragsbedingungen von Anleihen aufgenommen werden, die Staaten nach ausländischem Recht begeben. Kernpunkt ist die Möglichkeit der Anleiheinhaber, die Zahlungsbedingungen im Insolvenzfall mit einer Mehrheit von maximal 75 Prozent des Ausleihkapitals ändern zu können, was dann auch für eine abweichende Minderheit von Gläubigern bindend wäre.
Die deutsche Position sei hingegen, die Schaffung eines SDRM als "ergänzenden Ansatz" neben den CAC zu begreifen. Während nämlich CAC auf einem vertragsrechtlichen Ansatz basierten, handele es sich beim SDRM um einen Verfahrensmechanismus auf völkerrechtlicher Grundlage. Dieser soll es erleichtern, im Fall einer schweren Finanzkrise eine als nicht tragbar eingeschätzte Verschuldung staatlicher Stellen auf ein tragfähiges Maßzurückzuführen. Eine Verständigung über Umschuldungsmaßnahmen kann dabei auch den Verzicht auf Forderungen bedeuten.
Gläubigern eines Schuldnerstaats soll zugleich ermöglicht werden, mit qualifizierter Mehrheit rechtsverbindliche Beschlüsse zu fassen. In den Kreisen hieß es dazu, die USA schienen sich "aus dieser Diskussion zu verabschieden". Die EU-Staaten verständigten sich allerdings darauf, ungeachtet der ablehnenden Haltung der USA auf eine Weiterverfolgung der Pläne für die Einführung einer internationalen Insolvenzordnung dringen. Bundesbankpräsident Ernst Welteke hatte bei einem Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure am vergangenen Wochenende gesagt, die EU wolle mit dieser Haltung in die Washingtoner Gespräche gehen.
Die deutsche Seite unterstütze zudem den Vorschlag des französischen Notenbankgouverneurs Jean-Claude Trichet, einen Wohlverhaltenskodex (Code of Conduct) für die Umstrukturierung von Staatsschulden einzuführen, war in den IWF-Kreisen weiter zu erfahren. Dieser zielt auf eine informelle und einvernehmliche Umschuldung. Aus deutscher Sicht solle dieser Kodex aber von den Marktteilnehmern selbst ausgehandelt werden, dabei sei nur in Grenzen institutionelle Hilfe angezeigt. Die von Deutschland wegen "konzeptioneller Schwäche" abgelehnte Contingent Credit Line (CCL) werde dagegen im Board des IWF voraussichtlich keine Mehrheit mehr finden und abgeschafft werden. +++ Christian Vits vwd/9.4.2003/cv/hab
09.04.2003, 08:00
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