11:20 Freitag, 05. Dezember 2008
Sehr geehrter Herr Dr. Thoma, sehr geehrter Herr Spoerr,
am 19. November 2008 wurden die Arbeitnehmervertreter der freenet/mobilcom sowie der debitel-Gruppe über die Pläne des Vorstands zur Integration von freenet und debitel unterrichtet. Dabei wurde eine Präsentation vorgestellt, die mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt. Es entsteht der Eindruck, dass die Standortentscheidungen rein kostenbasiert getroffen werden und wichtiges Know-how zu Prozessen, Qualität und Integrationen vernichtet wird, was aus unserer Sicht unabdingbar in einem konsolidierten Markt ist. Vielmehr setzen Sie auf die Ihnen vertrauten „start-up“-Vorgehensweisen, die für einen Wachstumsmarkt vielleicht ausreichend waren, die aber notwendige Struktur und strategisches Vorgehen vermissen lassen. Erfolgreiches und marktadäquates Management haben wir in der Vergangenheit anderes kennengelernt. Weiterhin ist unübersehbar, dass das IT-Vorhaben äußerst riskant ist. Fachleute bezweifeln, dass es gelingen kann, Millionen von Kunden auf die Systeme der mobilcom zu übertragen. Auf den Mitarbeiterversammlungen haben die Vorstände Professionalität und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern und deren bisherigen Leistung vermissen lassen. Berechtigte, sachlich gestellte Mitarbeiterfragen zum Risiko des IT-Vorhabens konnten nicht beantwortet werden, wurden hilflos und hämisch als „Stimmungsmache“ abgewertet. Es wird befürchtet, dass es zu Totalausfällen im Billing-Prozess kommt.
Letzteres wäre fatal, schließlich war es lediglich der debitel-Gruppe zu verdanken, dass freenet/mobilcom im dritten Quartal 2008 eine positive finanzielle Bilanz veröffentlichen konnte. Nun soll der Garant schwarzer Zahlen bis auf wenige Ausnahmen ausgemerzt, das Know-how und die Fähigkeiten abgebaut werden, die den größten Service Provider – nämlich debitel – erfolgreich gemacht haben.
In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob Sie, Herr Spoerr, unter Berücksichtigung Ihrer gesamten Verantwortungen inklusive Verkauf des freenet DSL-Access-Geschäfts ausreichend Zeit für die Leitung der wichtiger Teilprojekte aufbringen können, die Sie in Ihre Verantwortlichkeit gezogen haben. Der Kraftakt wird ungleich größer, da Sie selbst verlautbart haben, dass Ihnen hinsichtlich Integrationen und Migrationen die Erfahrung fehlt. Auch haben Sie eingeräumt, kein Experte im Mobilfunkmarkt zu sein. Zudem erwartet Sie im kommenden Jahr ein Gerichtsverfahren, das Ihre Aufmerksamkeit stark bündeln wird.
Der Aufsichtsratsvorsitzende von freenet räumt dem Vorstand eine Zeitspanne von über 5 Monaten bis Mai 2009 zum Verkauf der DSL-Sparte ein (nachdem das zuerst gesetzte Ziel „Anfang November“ nun verfehlt ist) und stellt in den Raum, dass es durchaus Bieter gäbe. Nachvollziehbare Beweise fehlen jedoch.
Der gleiche Zeitraum wird dem freenet-Vorstand zur Weiterentwicklung des hauchdünnen Konzepts zur Integration zugestanden. Der Markt, die Anteilseigner und auch die Mitarbeiter hätten dies bereits nach den viel zitierten 100 Tagen erwartet.
Dabei übersieht der Aufsichtsratsvorsitzende, dass die Aktionäre der freenet AG nicht mehr bereit sind, sich vertrösten zu lassen. Die Aktie ist in den letzten Monaten überdurchschnittlich stark gefallen, selbst die Mitteilung über den breit gefächerten Mitarbeiterabbau hatte keinen – wie eigentlich zu erwartenden - Aufwind des Aktienkurses zur Folge. Der Markt hat das Vertrauen verloren. Statt Schadensbegrenzung zu üben und umgehend die klar formulierten Interessen der Shareholder zu vertreten, verlautbart der Aufsichtsratsvorsitzende, die eingeforderten Aktionen wären rechtlich nicht vor Mai 2009 möglich. Der Verweis auf die reguläre Hauptversammlung im August 2009 kommt einem Affront gleich. Der Aufsichtsrat verliert so seine Kontrollinstanz und wird verlängerter Arm des freenet-Vorstands.
Sehr geehrter Herr Spoerr, es ist anzunehmen, dass keiner Ihrer Stakeholder Ihnen derzeit das Vertrauen entgegenbringt, das Unternehmen in den nächsten Jahren erfolgreich zu führen. Freenet-Kunden wechseln in großen Mengen, die Shareholder haben Ihnen in der aktuellen Lage erneut das Vertrauen entzogen, die restliche Börse zeigt keine vertrauensbezeugende Kursentwicklung und auf den Mitarbeiterversammlungen hinterließen Sie kein vertrauenerweckendes Bild bei den Mitarbeitern. Der Aufsichtsrat hält weiterhin schützend die Hand über Sie und möchte Ihnen ein weiteres Experimentierjahr einräumen und spricht in der Presse von Einstimmigkeit, die von den einzelnen Mitgliedern nicht bestätigt wird. Bei den Mitgliedern, die ohne Zweifel ungefragt zu Ihnen halten werden, stellt sich zum wiederholten Male die Frage, ob diese nicht gegen den Punkt 5 des deutschen Corporate Governance Kodex verstoßen, der eine Offenlegung von eventuellen Interessenkonflikten der Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung verlangt.
Angesichts der aufgezählten Fakten entziehen die Betriebsratsgremien debitel-Stuttgart und debitel-Ettlingen der Geschäftspolitik des Vorstandsvorsitzenden Eckhard Spoerr wie auch der Vorgehensweise des Vorsitzenden des freenet- und debitel-Aufsichtsrats Dr. Helmut Thoma das Vertrauen.
Quelle: http://forum.boocompany.com/viewtopic.php?p=28595
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