Börsenzeitung Ausgabe 226 vom 22.11.2003
Interview mit dem WCM-Vorstandsvorsitzenden Roland Flach
" Wir bezahlen unsere Rechnungen"
2003 wieder Gewinn erwartet - Sirius-Einigung scheitert an Vorstellungen der Rebon - Von Commerzbank-Kapitalerhöhung überrascht
Börsen-Zeitung, 22.11.2003 - Herr Flach, die Sirius ist insolvent, das IVG-Paket wird wohl versteigert, der WCM-Kurs bricht zusammen, ist das das Ende des Konzerns?
Nein, natürlich nicht. Nachdem die Banken vor drei Wochen die gut 600 Mill. Euro Kredite der Sirius fällig gestellt hatten, musste der Insolvenzantrag nun zwangsläufig erfolgen.
- Und was war der Auslöser?
Letztlich haben wir uns mit den anderen Anteilseignern der Sirius nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können.
- Also mit Klaus-Peter Schneidewind und Clemens Vedder?
Nein, präzise mit der Rebon und fünf weiteren Gesellschaftern. Deren Vorstellungen über die Ablösungen ihrer Anteile hätten wir gegenüber unseren Aktionären nicht rechtfertigen können. Jetzt sind immerhin die nicht zuletzt von Bankenseite gewünschten klaren Verhältnisse eingetreten.
- Das heißt?
Die handelnden Parteien beschränken sich auf den Insolvenzverwalter und die Banken.
- Es sei denn, Vedder und Schneidewind kommen ihrer Ankündigung nach und übernehmen das IVG-Paket doch noch.
Immerhin sollen sie den Banken in einem Brief mitgeteilt haben, sie würden in jedem Fall mehr bieten als andere.
Daran glaube ich nicht, aber das ist natürlich möglich.
- Was bedeutet denn die Sirius-Insolvenz nun für die WCM?
Wenn jetzt die Anteile von den Banken verwertet werden, dann ist zwar unser IVG-Paket weg, aber auch die entsprechenden Verbindlichkeiten. Folge: Unsere Schulden würden um etwa 600 Mill. Euro sinken.
- Mit dem IVG-Abgang fallen nun aber auch Gewinnbeiträge weg.
Leider nein. Die Dividende hatte natürlich nicht gereicht, um die Zinsen zu zahlen.
- Aber Phantasie und stille Reserven fehlen?
Das ist in der Tat richtig.
- Wie hoch ist denn der innere Wert der WCM-Aktien noch nach einer Trennung von IVG?
Ich denke, er liegt noch immer zwischen 3 und 5 Euro.
- Es gibt Spekulationen, die Banken hätten sich unteeinander geeinigt, und die HSH Nordbank werde das IVG-Paket übernehmen.
Dazu kann ich konkret nichts sagen. Nach meiner Kenntnis gibt es aber in der Tat eine Gruppe von Banken, die das Paket übernehmen könnte.
- Es soll ja auch Überlegungen von Bankenseite geben, die IVG etwa mit der Agiv, TAG und anderen zusammenzulegen, um gar einen Dax-fähigen Immobilienkonzern zu formen.
Diese Vorstellung erscheint mir doch sehr fern.
- Wann wird denn der IVG-Anteil nun versteigert?
Auch das Ob ist noch nicht klar, das müssen die Juristen noch klären. Es könnte aber durchaus eine direkte Verwertung in Betracht kommen.
- Welches Risiko verbleibt noch bei der WCM?
Den Banken liegen Sicherheiten vor, die über die reinen IVG-Aktien hinausgehen. Allgemein wird mit einem Risiko von maximal 10 % der Summe gerechnet, und selbst das wäre mit unseren Sicherheiten abgedeckt. Nach dem, was ich über mögliches Interesse an dem IVG-Paket gehört habe, halte ich aber auch das für zu hoch.
- Wie ist denn die aktuelle Liquiditätslage der WCM?
Wir erfüllen unsere Verpflichtungen. Außerdem erwarten wir in diesem Jahr aus dem rein operativen Geschäft, also ohne mögliche Sondereinflüsse, wieder einen deutlichen Gewinn.
- Also keine Liquiditätsnot?
Man kann immer mehr Geld gebrauchen. Aber noch einmal: Wir bezahlen unsere Rechnungen.
- Wel che Pläne verfolgen Sie denn mit Ihrem Commerzbank- Anteil?
Natürlich gibt es Angebote, auch zu deutlich höheren Preisen als der heutige Commerzbank-Kurs. Die Schwierigkeit ist: Wenn ein großes Bankhaus Interesse hat, dann werden die Angebote über Zwischengesellschaften vorgelegt, um die Identität nicht zeigen zu müssen. Und um diese zu prüfen, benötigt man natürlich Zeit.
- Teilen Sie die Ansicht, dass eine Commerzbank-Übernahme schon im Gange ist? Immerhin ist die Kapitalerhöhung doch überraschend schnell und geräuschlos platziert worden?
Ich kann nur sagen, wir haben nichts davon gewusst und deshalb auch nicht mitgezeichnet. Ich erfuhr das morgens um halb sieben und um 11 Uhr war meines Wissens nach die Kapitalerhöhung bereits vierfach überzeichnet.
- Liegen Ihnen derzeit Angebote von den bestehenden Commerzbank-Großaktionären vor?
Mir liegen Angebote von neutraler Seite vor, bei denen ich nicht erkennen kann, wer der Auftraggeber ist. Aber solche Angebote werde ich erst weiterverfolgen, wenn ich weiß, mit wem ich rede. Um es klar zu sagen: Für uns besteht keine Not zu verkaufen, letztlich ist es aber eine Frage des Preises und der Adresse.
- Wenn Sie sagen, es besteht keine Liquiditätsnot, heißt das, Sie brauchen auch keine Kapitalerhöhung mehr?
Sollte die IVG wegfallen, gibt es innerhalb der WCM tatsächlich keine unmittelbare Notwendigkeit mehr. Aber für das Ehlerding-Paket besteht weiterhin die Problematik eines angestrebten Eigentümerwechsels.
- Wie ist denn dort der Stand der Verhandlungen?
Nachdem Goldman Sachs die Kredite der BW-Bank übernommen hatte, ist mancher doch hellhörig geworden.
- Was halten Sie denn von dem Kreditkauf?
Fest steht jedenfalls, wenn die " Distressed-Loan" -Leute einer großen Investmentbank solche Darlehen erwerben, werden sie das kaum machen, um sie dann abzuschreiben.
Nach unseren Informationen bemühen sich derzeit mehrere Parteien, WCM-Kredite zu kaufen.
- Suchen Sie also überhaupt noch einen Investor?
Ja. Wir sprechen weiter.
- Und woran ist es bisher gescheitert?
Wir hatten schon Angebote für bis zu 80 % der Sirius-Kredite, die zudem bereit gewesen wären, die Ehlerding-Anteile zu übernehmen. Das wurde aber von den Banken abgelehnt.
- Wie viele Verpflichtungen könnten denn aus der I.G.-Farben-Insolvenz noch auf Sie zukommen?
Erstens: Die Bürgschaftserklärung ist so schwach, dass sie das Papier nicht wert ist, auf dem sie steht. Zweitens: Wir haben in einem Brief zwar unsere Bereitschaft bekundet, eine Wohnungsgesellschaft zu kaufen; zum Abschluss von Verträgen ist es allerdings bis heute nie gekommen.
- Die I.G. Farben sieht das aber offensichtlich anders.
Wir hätten die Gesellschaft womöglich übernommen, aber nicht zu dem jetzt genannten Preis. Die Wohnungsgesellschaft sollte 38 Mill. Euro kosten, davon sind 28 Mill. Euro fremdfinanziert. In einem aktuellen Wertgutachten jedoch hat sich gezeigt, dass die Werte kaum über diese 28 Mill. Euro hinausgehen. Daraufhin mussten wir Abstand nehmen.
- Also erwarten Sie aus dem I.G.-Farben-Fall keine weiteren Verpflichtungen?
Dafür fehlt unseres Erachtens jede rechtliche Grundlage.
- Wird die WCM nun zur reinen Immobiliengesellschaft?
Das ist eine Möglichkeit. Wir werden wahrscheinlich einige Assets verkaufen. In meinen Augen wird es weiter Klöckner und das Immobiliengeschäft geben. Ob und wann wir uns von dem Commerzbank-Engagement trennen, werden wir zu gegebener Zeit entscheiden.
Das Gespräch führte Bernd Freytag.
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