EU-Gipfel einigt sich auf konkrete Klimaschutzziele 09.03.2007 17:31:00
BRÜSSEL (Dow Jones)--Trotz erheblicher Differenzen im Vorfeld haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf eine Reihe verbindlicher Ziele zum Klimaschutz geeinigt. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach den Gesprächen am Freitag mitteilte, soll der Ausstoß an Kohlendioxidemissionen bis 2020 um mindestens 20% gegenüber dem Niveau von 1990 verringert werden. Auch das umstrittenste Ziel, bis 2020 ein Fünftel des gesamten Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken, legten die Gipfelteilnehmer schließlich als verbindlich fest. Bisher haben erneuerbare Energien EU-weit einen Anteil von rund 6%. Durch das neue bindende Ziel sei ein "wirklicher Technologieschub" zu erwarten, sagte Merkel, die für die Vereinbarung bei einigen Mitgliedstaaten viel Überzeugungsarbeit leisten musste. Die EU-Kommission soll nun Vorschläge dafür machen, welchen Anteil jedes Land zur Erreichung des EU-Ziels leisten muss. Merkel und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonten, dass die nationalen Ziele nur mit Zustimmung des jeweiligen Mitgliedstaates vorgegeben würden. Merkel erwartet wie Barroso schwierige Gespräche, sieht die Lastenverteilung aber als "lösbare Aufgabe". Als weiteres verbindliches Ziel beschloss der Gipfel, dass Benzin und Diesel bis 2020 mindestens 10% Biokraftstoffe enthalten sollen. Die Vorgabe steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass Biokraftstoffe der "zweiten Generation", die zum Beispiel aus landwirtschaftlichen Abfallprodukten gewonnen werden und als umweltfreundlicher gelten als die bisherigen Kraftstoffe, bis 2020 wirtschaftlich sind. Weiterhin forderte der Gipfel die Kommission auf, bis spätestens 2009 zu untersuchen, wie sich Energie bei der Straßen- und Bürobeleuchtung sowie durch effizientere Lampen in den Haushalten einsparen lasse. Sie sei sehr zufrieden mit dem Ergebnis des Gipfels, sagte die Bundeskanzlerin. "Wie haben die Tür aufgestoßen zu einer vollständig neuen Dimension des Klimaschutzes. Viele Mitgliedstaaten haben Barrieren übersprungen". Europa könne nun glaubwürdig seine angestrebte Vorreiterrolle erfüllen, sagte die Ratspräsidentin. Auch Barroso zeigte sich zufrieden. Die Staats- und Regierungschefs hätten in den bis 2009 gültigen Energie-Aktionsplan alle 17 Vorschläge der Kommission aufgenommen. Dazu gehören unter anderem die Ziele, bis 2020 ein Fünftel Energie weniger zu verbrauchen und die anderen Industriestaaten der Welt zu überzeugen, 30% weniger Kohlendioxid auszustoßen. Was der Ausbau der erneuerbaren Energien kosten wird, konnte Merkel nicht genau angeben. Bisher gebe es noch keine Erfahrung damit, wie rentabel zum Beispiel die Nutzung von Biomasse in großem Stil sein könne. "Es gibt immer wieder technische Revolutionen", sagte sie. Nach Berechnungen der Kommission wird der geplante Ausbau auf 20% zusätzliche jährliche Kosten von rund 18 Mrd EUR verursachen. Das entspreche ungefähr einer Erhöhung der zu erwartenden Gesamtenergieimportrechnung der EU im Jahr 2020 um 6%, wobei ein Ölpreis von 48 USD pro Barrel angenommen wird. Bei stärker steigenden Öl- und Gaspreisen und einem steigenden Preis für Kohlendioxid-Emissionen könne der Ausbau der erneuerbaren Energien sogar die günstigere Variante sein, hat die Kommission berechnet. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wies nach dem Gipfel darauf hin, dass 2009 die Revision der mittelfristigen EU-Finanzplanung anstehe. Dann werde auch über die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien diskutiert werden müssen. Eine Reihe von Ländern - darunter Frankreich, Tschechien und die Slowakei - hatte sich lange gegen verbindliche Ziele für Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse gewehrt mit dem Argument, sie trügen mit einem hohen Anteil an Atomenergie viel zum Klimaschutz bei. Merkel wehrte sich aber erfolgreich dagegen, die Kernkraft bei der Erreichung des Erneuerbaren-Ziels anzurechnen. "Atomkraft ist keine erneuerbare Energie", sagte die Bundeskanzlerin. Im Gegenzug wurde eine Passage in die Gipfelschlussfolgerungen aufgenommen, die den Beitrag der Atomenergie zur Verminderung der Kohlendioxid-Emissionen und zur Versorgungssicherheit würdigt. Die Entscheidung über Kernkraft sei Sache jedes Mitgliedstaates, wird dort bekräftigt. Die Sicherheit von Atomkraftwerken und die Entsorgung von Atommüll solle auch mit Hilfe von EU-Forschungsmitteln weiter verbessert werden. Die Gipfelteilnehmer empfehlen eine "breite Diskussion" über die Chancen und Risiken der Kernenergie. Im Europäischen Parlament werteten Abgeordnete der großen Fraktionen den EU-Gipfel als guten Schritt zu mehr Klimaschutz. Es müssten jetzt aber auch konkrete Taten folgen, forderten Parlamentarier von CDU, SPD und Grünen. DJG/frh/apo (END) Dow Jones Newswires
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