In Chinas Metropolen herrscht dicke Luft. Nicht nur wegen des allgegenwärtigen Smogs, der aus Kohlekraftwerken, Industrieschloten und Auspufftöpfen quillt. Auch das zweite wichtige menschliche "Lebensmittel" Wasser ist gefährdet. Eine Studie für die Umweltorganisation The Nature Conservancy zeigte unlängst: Drei Viertel der Ressourcen in den Wassereinzugsgebieten von 30 Metropolen, darunter Peking, Shanghai und Ghangzhou, sind massiv verunreinigt.Insgesamt gilt rund ein Drittel des Wassers in den Seen und Flüssen im bevölkerungsreichsten Land der Erde als nicht mehr für die menschliche Nutzung geeignet. Zudem sinken die Grundwasserspiegel im Umland der Großstädte rapide, da zu viel für Landwirtschaft und Industrie abgepumpt wird.
Der chinesische Staat versagt bei der Aufgabe, die wichtigste natürliche Ressource nachhaltig zu nutzen. Das Wasser, das in Chinas Städten aus dem Hahn kommt, hat laut Experten miserable Qualität. Das ruft Privatunternehmen auf den Plan, die daraus Profit schlagen wollen. So will der Pekinger Hightech-Konzern Le Eco künftig Wasser aus dem 1.600 Kilometer entfernten Baikalsee in Russland abfüllen, um es in China zu verkaufen. Umgerechnet rund 14 Millionen Euro soll die Anlage kosten, die er dafür am Ufer des ältesten und tiefsten Sees der Welt in Sibirien bauen will.
Es ist ein bekanntes Muster: Wenn das Leitungswasser aufgrund von staatlichem Missmanagement nichts taugt, ist der Boden für lukrative Geschäftsideen von Flaschenwasserproduzenten bereitet.
"Autokraten haben kein Interesse an Investitionen"
Rund 780 Millionen Menschen auf der Erde geht es in Bezug auf die Wasserversorgung freilich noch schlechter als den Bürgern von Peking oder Shanghai. So viele – über ein Zehntel der Weltbevölkerung – haben keinen Zugang zu einem verlässlichen, leitungsgebundenen Trinkwasser-System. Am stärksten betroffen sind Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika. Dabei wächst die Nachfrage deutlich. Bis 2050 könnte der Wasserbedarf nach Prognosen der Naturschutzstiftung WWF um 50 Prozent steigen. Neben dem Wachstum der Weltbevölkerung verschärft der Klimawandel das Problem.
Einen "globalen Marshallplan gegen Wasserknappheit und Dürre" fordert bereits der Geschäftsführer der International Water Association (IWA), Ger Bergkamp. Von entscheidender Bedeutung ist dabei nach Einschätzung der nichtstaatlichen Expertenorganisation die Anpassung an den Klimawandel.
Doch von der Wasserkrise sind nicht nur Staaten betroffen, in denen aus klimatischen Gründen Wassermangel herrscht, wie etwa in Zentralafrika und im Nahen Osten. Probleme mit der Versorgung gibt es praktisch in allen Entwicklungs- und Schwellenländern mit schlechter Regierungsführung, dort, wo Korruption und Vetternwirtschaft herrschen. So leiden die Bürger von vielen südamerikanischen Staaten wie Peru oder Bolivien unter Wassermangel, obwohl das Süßwasservorkommen auf dem Kontinent pro Quadratkilometer im Schnitt mehr als doppelt so groß ist wie in Europa – pro Quadratkilometer sind es jährlich rund 670.000 statt 277.000 Kubikmeter.
"Wo die Regierung nicht ordentlich funktioniert, funktioniert auch der Wassersektor nicht richtig", sagt der Freiburger Experte Nik Geiler, der im Umweltverband BBU den Arbeitskreis Wasser leitet. Das Staatsversagen sei eine der Hauptursachen dafür, dass so viele Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser sind. "Regierende Autokraten, die ihr Geld in der Schweiz anlegen, haben kein Interesse daran, dass Mittel in diesen Sektor fließen", sagt Geiler.
Auch Bürgerkriege, der Extremfall von Staatsversagen, führen oft zur Wasserkrise. Beispiele sind die Konflikte in Ostafrika die zum Niedergang der Wasserversorgung an den dortigen großen Seen – etwa in Ruanda und Burundi – führten, ebenso wie der Bürgerkrieg in Syrien, der eine Ursache im Versagen des Assad-Regimes bei der Bewältigung der jahrelangen Dürre in dem Land hatte.
Gescheiterte Privatisierung als Chance
In den 1990er Jahren versuchten europäische Wasser- und Energiemultis wie Veolia, Suez, RWE und Eon, in Entwicklungsländern groß ins Wassergeschäft einzusteigen – zum Beispiel in südamerikanischen Ländern, in denen die Versorgung privatisiert worden war. Inzwischen haben sie sich weitgehend wieder daraus zurückgezogen, das Modell erwies sich wegen der geringen Zahlungsbereitschaft der potenziellen Kunden für Wasser aus der Leitung nicht als lukrativ genug. Theoretisch wäre das die Chance, besser funktionierende öffentliche Wassersysteme aufzubauen – wofür es durchaus Beispiele gibt.
Etwa in Kenia, wo 2014 mit Unterstützung der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Programm zur Reform des Wassersektors aufgelegt wurde. In dem ostafrikanischen Land haben dadurch bereits 1,4 Millionen Bewohner von Armutsvierteln erstmals Zugang zu sauberem Trinkwasser bekommen. Dort wurden zum Beispiel auch "Wasser-Aktionsgruppen" gebildet, die von den Wasserversorgern konsultiert werden müssen.
IWA-Chef Bergkamp macht unterdessen Vorschläge, wie das Problem strategisch anzupacken sei. Nötig seien nicht nur neue Infrastrukturen und Technologien – wie Brunnen, Leitungen, Aufbereitungsanlagen –, sondern zunehmend auch ein Wassernachfrage-Management, eine effektive Wasserverteilung und Anreize, sagte Bergkamp der Fachzeitschrift Euwid Wasser und Abwasser. Es gehe hauptsächlich darum, Versorgungssysteme aufzubauen, die weitgehend widerstandsfähig gegen Trockenheit und Knappheit sind, und um die Steuerung der Nachfrage.
Die Regierungen haben Bergkamp zufolge zunehmend die Aufgabe, entsprechende Strategien und Aktionspläne auf nationaler Ebene und in Zusammenarbeit mit anderen Ländern zu koordinieren. Es gelte zu überprüfen, ob die bestehende öffentliche Wasserpolitik, Gesetzgebung und die Investitionsstrategien den Zielen der nachhaltigen Entwicklung entsprechen. Ein erster Schritt sei es dabei, eine weltweite Koalition zu schaffen, um Wasserknappheit und Dürre zu bekämpfen – den globalen Wasser-Marshallplan.
BildDass, zum Zwecke, Wasser fließe, ist in vielen Weltgegenden nicht selbstverständlich. Peruanerinnen in den Anden versuchen ein Bäumchen zu bewässern. (Foto: Nick Reimer)
Das Potenzial, den Wassersektor mit solchen Modellen zu verbessern, ist groß. Ausgemacht ist es allerdings nicht, dass sie sich durchsetzen. Die Hersteller von Wasser in Flaschen sind freilich heute schon die Gewinner der in vielen Ländern maroden Versorgungssysteme. Die expandierende Mittelschicht in Entwicklungs- und Schwellenländern ist längst umgestiegen, sagt der Freiburger Experte Geiler. "Die, die es sich leisten können, trinken ohnehin kein Leitungswasser mehr, sondern kaufen sich das prestigeträchtigere Flaschenwasser von Nestlé und Co." https://www.klimaretter.info/umwelt/hintergrund/21817-wasser-marsch
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