Nachruf von Rooster (einer der 113)
Liebe Trauergemeinde,
der Anlaß ist bekannt. Hummel2805 kam am Dienstag, den 16. Juni 2009, um 16.40 Uhr durch einen Moderator unversehens und plötzlich ums virtuelle Leben. Auf Tag und Stunde genau im sagenhaften Forenalter Alter von 242 Ariva-Tagen und ein paar Stunden. Er war mit dem Fahrrad gerade auf dem Weg zum Bahnhof. Er wollte sich eine Fahrkarte besorgen für eine Heimfahrt nach Hummelistan. Der Bahnhof war schon in Sicht, als die Sperre sein virtuelles Ariva-Leben von einem Augenblick auf den anderen auslöschte. Ein Stadtbus der Marke JP hatte ihn mit dem Hinterrad überrollt. Hummel2805 war auf der Stelle tot. Gelitten hat er wohl nicht. Es war ja kaum Zeit, das eigene Ende zu registrieren. Das sind in Kürze die nüchternen Fakten, um deretwillen wir heute hier sind. Wir trauern um Hummel2805´s Tod. Aber wie ist das eigentlich mit dem Tod (wenn vorab ein paar Gedanken dazu erlaubt sind)? Wie ist es mit dem Tod, wenn man einmal von Spekulationen über ein Leben nach Ariva redlicherweise absieht ? Denn der Tod selbst ist ja nirgendwo anzutreffen. Schon der indische Guru Malakmutu Banghani hat es vor mehr als zweitausend Jahren geäußert, und Jack Beff hat es in unseren Tagen wiederholt: ,,Je tiefer, desto Plumps und je grüner, desto Frosch“. Das klingt nun so, als wenn es den virtuellen Tod eigentlich gar nicht gibt. Und so ist es auch durchaus gemeint. Und es ist so, wie es gesagt ist, wohl auch unbestreitbar richtig. Und dennoch gibt es den virtuellen Tod, freilich in einem anderen Sinne. Es gibt ihn als Grenze des virtuellen Ariva-Daseins mit der alten ID, als zeitliche Grenze bis ein neuer Nickname gefunden ist. Diese Perspektive macht sich empfindlich bemerkbar, wenn uns selbst oder einem der Ausgesperrten das virtuelle Lebensende oder eine vorübergehende, zeitlich befristete Sperre naherückt - bedrohlich und, bisweilen, auch erlösend. Da ragt dann der virtuelle Tod in das reale Leben hinein. Was soll man nun mit der zur Verfügung stehenden Zeit anfangen, das ist doch die alles entscheidende Frage. Wie kann man denn jetzt Lemminge jagen, wo man doch kaum in der Lage ist, sich im realen Leben zurecht zu finden, da das soziale Umfeld vernachlässigt wurde. Und der virtuelle Tod, die lebenslange ID-Sperre ragt auch hinein, wenn das Ariva-Lebensende sich ereignet hat: nämlich für die Übriggebliebenen, die Jungs vom Kutter, die dabei waren oder die Nachricht vom Lebensende des geschätzten, geliebten Bootsführers erhalten, die dann das eigene Leben zutiefst betrifft, und das Weiterleben prägt und wohl auch in die Perspektive des eigenen Lebens zum virtuellen Tode rückt. So ragt also der Ariva-Tod - auch wenn es ihn nicht als solchen, sondern nur als Lebensgrenze im Wörlt Weit Wähb gibt - dennoch in das Leben hinein: bedrohlich zumeist und bisweilen, wie gesagt, auch von Anderen ersehnt. II Aber kehren wir zu Hummel2805 zurück - zu dem Trauerfall, der uns hier und heute versammelt. Da stellt sich die Frage: Wo ist hier eigentlich der Trauerfall? Und nach den bisherigen Gedanken darf man wohl sagen, und ganz zu recht sagen: Hummel2805 ist kein Trauerfall. Oder anders: Es wurde auch langsam Zeit. Sein virtuelles Leben war nicht bereits grundlegend erschüttert durch den Tod eines geliebten anderen Users. Und er hat erst recht nicht, und zwar bis zuletzt nicht, gelebt in der Perspektive des eigenen drohenden virtuellen Todes. Er wollte, wie gesagt, eine Börsen-Fahrkarte für das eigene Portemonaise besorgen; und was er vor sich sah, war zum Beispiel die Fahrt nach Hause im eigenen Luxuswagen, finanziert durch die Gutgläubigkeit der nicht aussterbenden rasse der Lemminge und Doppel-ID´s. Und dann natürlich, weiterblickend, seine Lebenspläne und vielleicht auch das Bild einer eigenen Herde treudoofer Gefolgs-Schäfchen, die er unlängst bei einer virtuellen Demonstration bei Ariva kennengelernt und noch in den letzten Tagen wiederholt kontaktiert hatte. Noch die letzte Email ging an seine Herde, wie das Tagebuch ausweist. Vor dem allerletzten dann nach Hause, wo (wie uns berichtet wurde) seine Stimme noch immer nachklingt, lebendig, fordernd, rechthaberisch und despotisch: ,,Hallo! Hier spricht der Admiral." Er hat den Tanz um die Goldene Kursrakete mitgetanzt. Um die Goldene Kursrakete der ,,Super-Gelegenheiten", der ,,Mega-Deals", der ,,ultimativen Dividenden" (und das alles und mehr möglichst als ,,letzter Wahn", möglichst ,,irre", möglichst ,,tierisch"). Er hat in den Chor der leeren Superlative eingestimmt und zum obszönen Profit seines eigenen professionellen Betreibens aktiv beigetragen. Die grelle und laute Welt, die zugleich eine militärische Welt für ihn war, ist in der unerbittlichen Konkurrenz der Egoismen - das war Hummel2805´s Welt. Und durchaus in diesem Geiste stand Hummel2805 in seinem Aufbruch in ein neues, herbeigesehntes Leben, mit listigen Augen und engagierter Kursziel-Posaunerei. Das Meer erobern und die Lemminge vor bösen Bangstern und Kritikern schützen, daß waren seine obersten Ziele. Der Schutz aller primitiven Börslinge - bis hin zu den Singvögeln: das war wohl ganz nach Hummel2805´s Herzen. Nach seinem virtuellen Herzen, das nun so plötzlich aufgehört hat zu schlagen, weil er sich selbst am Ende hat nicht mehr zurückhalten konnte, in seiner Wut auf die ausgesperrten Kritiker. Aber solange es schlug, schlug es ungebrochen und frei, stolz und unbeschädigt, egomanisch und diktatorisch. III Wo also ist dann, das war die Frage, der Trauerfall, wenn Hummel2805 selbst es nicht sein kann, wenn sein virtuelles Leben doch offenbar bis zuletzt das Gegenteil davon, das Gegenteil eines Trauerfalls, war? Die Antwort liegt auf der Hand: Der Trauerfall - das sind die Zurückgebliebenen, seine Anhänger und die Gruppe der Einhundertdreizehn. Allein ihr, die ihr um ihn trauert. Je nach Nähe zu ihm in wachsender Betroffenheit. Und nicht nur das. Unsere Betroffenheit durch diesen virtuellen Tod, der nun seit Tagen so hart in euer Leben hineinragt, ist nur geringen Ausmaßes. Es war ein selbstprovozierter Unfall. Und wenn er tödlich ist, ist der Unfall die dramatischste Form der Ariva-Quittung. Mag es im übrigen mit der lebenslangen Sperre sein, wie es will. Es kommt der Tag, an dem er wieder auferstehen wird und sich euch per Boardmail zu erkennen gibt. Halten durch, liebe Hummel-Anhänger, der Tag der Auferstehung wird schon bald sein. Ein seiner Mannschaft verpflichteter Kapitän hält selbst aus dem Ariva-Nirwana per Doppel-ID den Kontakt zu euch aufrecht.Das virtuelle Leben hat jedenfalls weiterhin für euch Sinn, den Sinn, den ihr ihm gebt. Und diesen Sinn, den ihr dem Leben, solange es währt, selbst gegeben hat, kann ihm nichts und niemand nehmen - auch nicht der virtuelle Tod. Das ist wohl das entscheidende, das wesentliche Wissen, das euch, trotz allem, bleibt. Und es kann für die Richtigkeit dieses Wissens im Blickfeld eurer gegenwärtigen Betroffenheit kaum ein überzeugenderes Beispiel geben als das Leben der ID Großadmiral, auch wenn es ein kurzes, sehr kurzes Ariva-Leben war Dieser Versuch kann Trost sein, auch wenn er zugleich den schmerzlichen Verlust akzentuiert, zumal im Nachsinnen darüber, was aus dem so begonnenen Leben noch hätte werden können. Im übrigen sollte es ohnehin nicht darum gehen, Trauer durch Trost zu verdrängen, sondern vielmehr der Trauer auch im Trost nicht zu erliegen und die Auferstehung eures Heiligen freudig zu erwarten.
Kopf hoch, liebe Freibeuter!
Eure Gruppe der Einhundertdreizehn
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