H&R WASAG: Ölpreisgewinner oder Wachstumsstory? Der relativ deutliche Rückgang im Kurs von 50 Euro auf ca. 40 Euro ist hinter den Kulissen ein ganz deutlicher Meinungskampf in der Investment Community, welchen Charakter H&R Wasag heute hat. Ein Wachstumspapier – oder ein Gewinner von Ölpreisbewegungen. Zu dieser Diskussion hat wallstreet online den Vorstandsvorsitzenden, Dr. Horst-Rüdiger Hollstein, befragt. Wenn man die Antworten addiert, dann zeigt sich eindeutig, dass der Ergebniszuwachs in 05 /06 eindeutig besser ist, als die Belastung durch den Ölpreis.
Herr Dr. Hollstein, im Jahr 2004 haben Sie noch ein EPS von 34 Cent ausgewiesen, und der Umsatz lag bei knapp 500 Mio. Euro. Dieses Jahr werden Sie voraussichtlich einen Umsatz von über 800 Mio. Euro und ein EPS von deutlich über 2 Euro erzielen. Nächstes Jahr steigen die Schätzungen einiger Analysen für das EPS sogar bis fast 3 Euro. Liegt dies nur an der fallenden Ölpreisentwicklung?
Dr. Hollstein: Es gibt mehrere Faktoren, die unsere Geschäftsentwicklung aktuell positiv beeinflussen. Vergleicht man die Ergebnisentwicklung mit den Vorjahren, so spielt hier vor allem die Ölpreisentwicklung eine Rolle. In 2004 und 2005 haben die starken Erhöhungen der Ölpreise unsere Margen negativ beeinflusst. Da wir unsere Verkaufspreise nur mit einem Zeitverzug an die gestiegenen Rohstoffkosten anpassen können, führen schnelle Ölpreisanstiege zu Ergebnisbelastungen. Vergleichbare Belastungen blieben in diesem Jahr bisher aus. Zwar hat sich der Ölpreis auf im ersten Halbjahr 2006 verteuert, der Anstieg erreichte aber bei weitem nicht das Niveau des Vorjahres. Zudem haben wir unsere Produktionsmengen weiter erhöht und arbeiten in unseren beiden Raffinerien in Salzbergen und Hamburg nunmehr an der Kapazitätsgrenze. Der dritte Faktor, der die Ergebnisentwicklung positiv beeinflusst, ist die konsequente Umsetzung unseres Synergieprogramms „Projekt 18“, das wir mit der Integration der ehemaligen BP-Raffinerie in Hamburg ins Leben gerufen haben und dessen Früchte wir heute ernten.
Können Sie unseren Lesern mitteilen, in welchen Anteilen der Gewinnsprung des laufenden Jahres auf den fallenden Ölpreis und auf die Kostenoptimierung/Kapazitätserweiterungseffekte zurückzuführen ist?
Dr. Hollstein: Der wesentliche Einflussfaktor ist auf jeden Fall das Ausbleiben von starken Belastungen aus der Rohölpreisentwicklung. Im letzten Jahr wurde das Ergebnis dadurch alleine um über 10 Mio. Euro gedrückt. Somit hätten wir ohne die für uns schwierige Entwicklung auf dem Rohölmarkt das Ergebnis 2005 noch stärker steigern können.
Bis wann werden Sie das „Projekt 18“ fertig umgesetzt haben, und erfüllt es auch Ihre Erwartungen?
Dr. Hollstein: Als wir in 2004 die BP-Aktivitäten in den H&R WASAG-Konzern integriert haben, wurde schnell deutlich, dass wir durch die Zusammenarbeit der neuen Raffinerie in Hamburg mit der bereits 1994 erworbenen Spezialraffinerie in Salzbergen umfassende Synergien heben konnten. Dabei ging es in erster Linie nicht um Kostensenkungen, sondern vor allem um die strategische Ausrichtung der Produktion und des Produktprogramms auf wachstumsstarke Nischenmärkte. Ursprünglich wollten wir die Ertragskraft der Raffinerien in den Jahren 2005-2007 in jedem Jahr um 6 Mio. Euro erhöhen, also bis Ende 2007 das Ergebnispotenzial der Anlagen um 18 Mio. Euro erhöhen. Tatsächlich haben wir in 2005 knapp 7 Mio. Euro erreicht und werden im laufenden Jahr bereits einen Ergebnisbeitrag von über 20 Mio. Euro erzielen. Damit liegen die Ergebnisse deutlich über unseren Erwartungen. Wichtig für uns ist insbesondere, dass wir die Produktionskapazitäten in Hamburg durch die umgesetzten Maßnahmen bereits in diesem Jahr voll ausgelastet haben. Wenn das Projekt im kommenden Jahr ausläuft, hoffen wir sogar auf eine nachhaltige Ertragsstärkung, die bei über 20 Mio. Euro liegt.
Sie haben bereits ein weiteres Gewinnoptimierungsprogramm „Projekt 40“ aufgelegt. Wann werden sich daraus die ersten Resultate zeigen?
Dr. Hollstein: Mit der Vollauslastung der Raffinerien konnten wir im zurückliegenden Sommer den Start des Nachfolgeprojekts, das so genannte „Projekt 40“, verkünden. Die in diesem Programm gebündelten Maßnahmen zielen auf die Erweiterung der bestehenden Produktionskapazitäten an den Standorten Salzbergen und Hamburg. Wir sprechen hierbei von einem „De-Bottlenecking“, da wir mit unseren Maßnahmen vor allem an denjenigen Anlagen ansetzen, die durch ihre Kapazität den Ausstoß der gesamten Raffinerien begrenzen. Da hier meist nur einzelne Anlagenteile erneuert werden müssen, liegen die notwendigen Investitionen auf einem relativ niedrigen Niveau. Insgesamt wollen wir den Ausstoß bis 2009 um bis zu 200.000 t erhöhen, das entspricht einem Plus von bis zu 30%. Die damit einhergehenden Ergebnisverbesserungen schätzen wir auf 40 Mio. Euro. Im laufenden Jahr startet das Projekt und in 2007 wollen wir bereits ein Ertragspotenzial von 14 Mio. Euro realisieren. Die Investitionen für die Umsetzung aller Maßnahmen werden bei knapp über 50 Mio. Euro liegen.
Wie groß schätzen Sie das Potenzial der kennzeichnungsfreien Weichmacher für die Reifenindustrie im Jahr 2008 für Ihr Unternehmen ein, und können Sie dies auch erfüllen?
Dr. Hollstein: Unsere Technologieführerschaft in der Produktion dieser neuen Generation an Einsatzstoffen für die Gummi- und Reifenindustrie ist unbestritten. Wir haben von der BP ein Patent für dieses Produkt erworben und haben unmittelbar in die Ausweitung der Produktionskapazitäten investiert. Bereits heute verfügen wir über genügend Kapazität, um knapp die Hälfte des europäischen Bedarfs der Reifenindustrie abzudecken. Wir denken, dass die Nachfrage von den Reifenproduzenten aufgrund der angekündigten Gesetzesänderung bis 2009 stetig steigen wird und wir die Anlage dann mit 120.000 t voll ausgelastet haben werden. Parallel umfasst das „Projekt 40“ auch die Ausweitung der Produktionskapazitäten für dieses Produkt um weitere 50.000 t. Darüber hinaus stehen wir in Gesprächen mit potenziellen Partner, um auch in den Überseeregionen Zugriff auf weitere Mengen zu erhalten.
Es gibt in der Welt noch viele weiße Flecken, wo H&R Wasag noch nicht tätig ist. Wollen Sie expandieren und wie wollen Sie eine mögliche Expansion finanzieren?
Dr. Hollstein: Natürlich sehen wir noch umfassendes Wachstumspotenzial. Während wir in Europa mit unseren beiden Raffinerien bereits hervorragend aufgestellt sind, wenden wir uns jetzt verstärkt der internationalen Expansion zu. Bisher verfügen wir in den Überseeregionen Südafrika, Südostasien sowie Australien nur über kleinere Konversionsanlagen. Vor allem in Südostasien wollen wir unsere Basis daher noch weiter ausbauen. Wir werden in den kommenden Monaten mögliche Schritte identifizieren und analysieren. Dabei geht es nicht nur um eventuelle Akquisitionen, sondern parallel auch um den Aufbau enger Partnerschaften mit Spezialraffinerien. Generell rechnen wir uns gute Chancen aus, global weiter zulegen zu können. Hintergrund für unseren Optimismus ist, dass der Trend bei den großen Mineralölgesellschaften mit der Konzentration auf das großvolumige Kerngeschäft weiter anhält und sich diese Konzerne vermehrt von Randaktivitäten trennen.
Ist davon auszugehen, dass Sie in den kommenden Monaten einen nennenswerten Kapitalrückfluss aus dem Verkauf der Sprengstoff-Sparte erwarten können oder werden Sie sich „nur“ neu im europäischen Markt aufstellen?
Dr. Hollstein: Mit den Aussichten auf die enormen Wachstumspotenziale im chemisch-pharmazeutischen Geschäftsbereich müssen wir uns natürlich fragen, wie wir unsere Management- und Finanzressourcen zukünftig einsetzen. Sicher ist, dass wir trotz der Fokussierung auf die Möglichkeiten im Raffineriegeschäft auch unsere beiden anderen Geschäftsbereiche Kunststoffe und Explosivstoffe weiter entwickeln werden. In beiden Bereichen sind wir sehr gut positioniert und sehen auch hier Potenzial für ein Umsatz- und Ergebniswachstum, wenn auch nicht in dem Maße wie im Geschäftsbereich Chemisch-pharmazeutische Rohstoffe. Allerdings findet im europäischen Sprengstoffmarkt aktuell eine Konsolidierung statt, vor der wir nicht die Augen verschließen dürfen. Hier müssen wir überlegen, welcher Weg unseren Explosivstoffaktivitäten die besten Aussichten für die zukünftige Entwicklung verspricht. Dabei kommen verschiedene Modelle für die Fortführung oder eine mögliche Trennung in Betracht. Inwieweit wir dabei einen signifikanten Kapitalzufluss generieren, können wir heute noch nicht vorhersagen.
Wo wird H&R Wasag nach Ihrer Meinung in drei Jahren umsatz- und ertragsmäßig stehen, in etwa gleich bleibende Rohstoffpreise vorausgesetzt?
Dr. Hollstein: Beim Blick in die Zukunft können wir immer nur die Faktoren einbeziehen, die wir wirklich beeinflussen können. Die Entwicklung des Rohölpreises z.B. ist für uns nicht zu beeinflussen. Auf Basis der bereits eingeleiteten Projekte gehen wir von einem weiteren Anstieg des Ertragspotenzials aus. Haupttreiber sind dabei das „Projekt 40“ sowie das im kommenden Jahr auslaufende „Projekt 18“. Parallel bauen wir das bestehende Überseegeschäft kontinuierlich aus und wollen die Ergebnisbeiträge aus diesen Regionen bis 2009 verdoppeln. Auf mittelfristige Sicht können wir die Umsatzmarke von 1 Mrd. Euro erreichen.
Welche Vision haben Sie für das Unternehmen langfristig?
Dr. Hollstein: Der Weg ist bereits vorgezeichnet. Wir wollen uns zum weltgrößten Anbieter chemisch-pharmazeutischer Spezialprodukte entwickeln. Basierend auf unserem umfassenden Know-how und der bereits heute vorhandenen internationalen Präsenz sind wir sehr optimistisch, dieses in nicht zu ferner Zukunft zu erreichen.
Quelle: Newsflash
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