Lufthansa verbreitet neue Zuversicht – doch die Investoren bleiben skeptisch Mehr Nachfrage und gute Chancen, die Staatshilfe ablösen zu können: Laut Konzernchef Spohr hat die Airline „das Schlimmste überstanden“. Anleger sehen das anders.
Das Eigenkapital der Airline schrumpfte im ersten Quartal um über 70 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro. Lufthansa-Flugzeug in Frankfurt Das Eigenkapital der Airline schrumpfte im ersten Quartal um über 70 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro.
Frankfurt Seit mehr als einem Jahr leidet die Lufthansa mittlerweile unter der Pandemie. Doch Vorstandschef Carsten Spohr schaut lieber nach vorne. „Wir sind zuversichtlich, das Schlimmste überstanden zu haben“, sagte er am Donnerstag bei der Vorstellung der Zahlen des ersten Quartals.
An der Börse fruchtete dieser Optimismus aber nicht so recht. Um über vier Prozent gaben Lufthansa-Aktien bis zum frühen Donnerstagnachmittag nach. Daran dürfte nicht zuletzt die Aussicht schuld sein, dass der Konzern vielleicht schon in diesem oder dem kommenden Jahr eine größere Kapitalerhöhung durchziehen wird. Das belastet die Kurse, verwässert den bestehenden Aktienbesitz und ist bei den Anteilseignern daher unbeliebt.
Doch Kapitalmaßnahmen sind ein wichtiger Bestandteil des Plans von Spohr, Europas größte Airline-Gruppe wieder zur alten Stärke zurückzuführen und die Staatshilfe, so schnell es geht, abzulösen. In der kommenden Woche sollen die Aktionäre auf der Hauptversammlung über neues Eigenkapital in Höhe von 5,5 Milliarden Euro abstimmen.
Aktuell sei keine Kapitalerhöhung geplant, versicherte Finanzchef Remco Steenbergen. Auch gehe man davon aus, dass man nicht die vollen 5,5 Milliarden ausschöpfen werde: „Wir werden uns genau anschauen, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist.“
Lufthansa Fluggesellschaften Carsten Spohr British Airways Nach wie vor ist das geringe Eigenkapital ein Problem der Lufthansa. Es schrumpfte im ersten Quartal um über 70 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote lag mit 5,3 Prozent zwar wieder etwas höher als im vergangenen Geschäftsjahr. Dennoch ist sie für eine kapitalintensive Airline viel zu niedrig.
Der Lufthansa-Chef ist zuversichtlich, dass das Geschäft im Sommer wieder anzieht. Quelle: dpa Carsten Spohr Der Lufthansa-Chef ist zuversichtlich, dass das Geschäft im Sommer wieder anzieht.
Das Management kann bei Bedarf auf eine stille Einlage des Bundes aus dem Rettungspaket zugreifen, die noch nicht genutzt wurde. Doch das soll nur in der größten Not geschehen.
Lufthansa hat Verkauf von Konzernteilen noch nicht offiziell gestartet Zu Spohrs Sanierungskurs sollen auch Verkäufe von Geschäftsbereichen beitragen. Doch die brauchen Zeit. Im Schaufenster stehen das nicht-europäische Geschäft der Cateringtochter LSG Skychefs sowie der Geschäftsreise-Dienstleister Airplus. „Wir haben noch keinen offiziellen Verkaufsprozess gestartet“, sagte Steenbergen. Das werde geschehen, sobald das Marktumfeld vernünftige Preise ermögliche.
Der geplante Teilverkauf der Wartungstochter Lufthansa Technik wird sogar noch länger dauern. Hier spricht das Management lediglich von eine Evaluierung der Möglichkeiten.
Die Lufthansa wurde im vergangenen Jahr mit Staatshilfen von bis zu neun Milliarden Euro gerettet. Von den Hilfen aus Belgien, der Schweiz und Österreich in Höhe von 2,3 Milliarden Euro haben die Tochtergesellschaften Brussels, Swiss und Austrian bisher 1,2 Milliarden Euro in Anspruch genommen.
Lufthansa selbst hat wiederum von den 6,8 Milliarden Euro aus Deutschland 2,3 Milliarden abgerufen. Eine Milliarde wurde bereits wieder zurückgezahlt. Ende des ersten Quartals hatte die Airline-Gruppe noch liquide Mittel in Höhe von 10,6 Milliarden Euro, die noch nicht genutzten Staatshilfen eingerechnet.
Solange Lufthansa staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, kann Spohr bei seinem Plan, die Lufthansa zur alten Stärke zurückzuführen, nur gebremst vorgehen. Größere Zukäufe etwa sind verboten. Doch der Lufthansa-Chef will wieder wachsen. „Wir werden die Möglichkeiten nutzen, etwa im Privatreisemarkt oder auch in Asien“, so Spohr.
Die Basis dafür ist nicht so schlecht. Europas größte Fluggesellschaft ist zwar mit einem hohen Konzernverlust von gut einer Milliarde Euro ins neue Jahr gestartet. Dieser war im Vorjahresquartal mit 2,1 Milliarden Euro aber noch doppelt so hoch.
Das zeigt, wie sehr der Konzern mittlerweile seine Kosten im Griff hat. Alle Airlines des Konzerns flogen Verluste ein. Dagegen konnte die Frachttochter Lufthansa Cargo ein operatives Rekordergebnis in Höhe von 314 Millionen Euro erzielen. Positiv schloss zudem Lufthansa Technik mit einem Betriebsergebnis von 60 Millionen Euro ab.
Der Konzernumsatz sank um 60 Prozent auf 2,56 Milliarden Euro. Die Zahl der Mitarbeiter schrumpfte binnen Jahresfrist um 19 Prozent auf insgesamt 111.262.
Das Management hatte als Zielmarke bei der Belegschaft eine Marke von rund 100.000 angegeben. Die verbleibenden gut 10.000 Stellen sollen durch ein Freiwilligenprogramm für die Bodenbeschäftigten sowie Teilzeitmodelle abgebaut werden. „Noch ist viel Zeit für Verhandlungen“, sagte Spohr in Richtung Gewerkschaften.
Carsten Spohr macht auch für die Langstrecke Hoffnung Mit ihren Geschäftszahlen übertraf die Lufthansa die Durchschnittsschätzungen der Analysten. Andererseits sorgten die eher zurückhaltenden Aussagen von Spohr zum weiteren Jahresverlauf für Irritationen. So erwartet Lufthansa für das Gesamtjahr, eine Kapazität von etwa 40 Prozent des Vorkrisenniveaus anbieten zu können. Zuvor war von bis zu 50 Prozent die Rede gewesen.
Auch die finanzielle Prognose fällt eher vage aus. Lufthansa gehe im Vergleich zum Vorjahr von einem geringeren bereinigten Betriebsverlust aus, hieß es. Dennoch wurde Spohr nicht müde, die wieder besseren Aussichten zu betonen. Selbst in dem für Lufthansa so wichtigen Langstreckengeschäft hofft er schon bald auf bessere Tage.
Dabei verwies der Konzernchef auf die jüngsten Aussagen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die hatte vor wenigen Tagen erklärt, dass US-Bürger, die mit einem in der EU zugelassenen Impfstoff durchgeimpft seien, bald wieder nach Europa reisen dürften. Spohrs Einschätzung teilen Rivalen wie etwa British Airways. So geht BA-Chef Sean Doyle davon aus, dass es ab Herbst wieder mehr Interkontinentalflüge geben wird.
„Wir können die Kapazität bei entsprechender Nachfrage kurzfristig auf bis zu 70 Prozent des Normalniveaus anheben“, sagte Spohr am Donnerstag. Selbst dauerhaft geparkte Flugzeuge könne man innerhalb weniger Wochen technisch wieder einsatzbereit machen. Ob dazu vielleicht sogar die eigentlich ausgemusterten A380 gehören werden, blieb allerdings offen.
Mehr: Bis zu 50 Prozent weniger: Was die Dax-Konzerne bei Dienstreisen nach der Pandemie planen.
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