Warum sich niemand selbstaendig macht
von Dr. Bernd Niquet
Alle beklagen in unserem Land die geringe Quote an Selbst- staendigen. Betrachten wir daher jemanden, der mit dem Gedan- ken spielt, sich selbstaendig zu machen. Wer kein voelliger Habenichts ist, also bereits eine eigene Altersversorgung angespart hat, sollte dazu die Form der Kapitalgesellschaft waehlen. Er sollte also eine GmbH gruenden, gleichsam auf Vorrat. GmbH-Gruendungen sind entgegen anders lautenden Be- richten in Deutschland ziemlich unproblematisch, auf die eng- lische Rechtsform der "Limited" muss daher nicht zurueck- gegriffen werden. Fuer die Notarkosten der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages und die Eintragung im Handelsregister ist man mit etwa 500 EUR dabei. Eine einmalige Zahlung ist das, weitere Entgelte sind nicht erforderlich.
Doch ehe der potentielle Gruender sich versieht, hat er eine Beitragsrechnung der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Haus, deren Zweck es ist, die Wirtschaft ihrer Mitglieder zu foerdern. Und da der Gruender als GmbH automatisch Zwangsmit- glied der IHK wird, muss er sich ab sofort auch von dieser in seiner Wirtschaft foerdern lassen und dafuer jaehrlich 250 EUR ueberweisen. Der erste Geschaeftsvorfall ist also, der IHK 250 EUR zu ueberwiesen. Waehrend der Gruender also noch an der Seitenlinie verbleibt, stuerzt sich die IHK bereits in das Geschaeft, kraeftig die Wirtschaft ihrer Mitglieder zu foerdern und dafuer mindestens pro Jahr 250 EUR zu verlangen. Die Gewinn- und Verlustrechnung der neu gegruendeten GmbH sieht daher im ersten Jahr folgendermassen aus (und wird dies auch in den Folgejahren tun, solange der Geschaeftsbetrieb noch nicht aufgenommen wird): Umsatzerloese = 0, Kosten = 250 EUR, Jahresgewinn = minus 250 EUR. Es kostet halt seinen Preis, in Deutschland Unternehmer zu sein. Selbst wenn man gar nicht als Unternehmer taetig ist.
Zum Jahresende geht es dann an das Anfertigen der diversen Steuererklaerungen, und Mitte des zweiten GmbH-Jahres ist ploetzlich Festtag. Im Briefkasten findet der angehende Gruender naemlich – nein, nicht die Rechnung der IHK, denn die ist bereits im Januar gekommen, schliesslich muss die IHK das ganze Jahr ueber die Wirtschaft ihrer Mitglieder foerdern – sechs Briefe des Finanzamtes fuer Koerperschaften. Der Gruender traut seinen Augen kaum, doch es sind tatsaechlich sechs (!) Briefe des Finanzamtes.
Der erste Brief enthaelt den Bescheid ueber die Koerper- schaftssteuer, festgesetzt werden 0,00 EUR, der zweite Brief enthaelt den Bescheid ueber die Umsatzsteuer, festgesetzt werden 0,00 EUR, der dritte Brief enthaelt den Bescheid ueber den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer, festge- setzt werden 0,00 EUR, der vierte Brief enthaelt den Bescheid ueber die gesonderte Feststellung des vortragsfaehigen Gewer- beverlustes in Hoehe von 250 EUR, der fuenfte Brief enthaelt den Bescheid ueber die gesonderte Feststellung des verblei- benden Verlustvortrags zur Koerperschaftsteuer in Hoehe von 250 EUR, und der sechste Brief enthaelt den Bescheid ueber die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27, Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG, das ein steuerliches Einlagenkonto nach § 27 Abs. 2 S. 1 KStG von 0 EUR ausweist.
Der angehende Gruender legt alle Bescheide in dem grossen und noch leeren Ordner ab. Er ist ueberwaeltigt davon, welche Aufmerksamkeit ihm als Unternehmer in Deutschland entgegen gebracht wird. Er hat doch noch nicht einmal Briefmarken ge- kauft fuer die neue Gesellschaft, geschweige denn ein richti- ges Geschaeft getaetigt. Und dennoch ist er bereits vollkom- men eingebunden. Wie wird das nur sein, wenn die GmbH erst richtig taetig sein wuerde? fragt er sich daraufhin bange. Am naechsten Tag geht er zum Amtsgericht und beantragt die Loe- schung seiner GmbH.
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