Experte schließt 2300 Punkte für Aktienindex nicht aus. Deutsche Bank rät Kunden zum Anlagenverkauf. Von Steffen Preißler, Beate Kranz und Daniela Stürmlinger Hamburg - Noch Anfang der Woche hatte er gehofft, dass sich der deutsche Aktienmarkt stabilisiert: Dirk Müller, Aktienhändler an der Frankfurter Börse, der wie kein anderer dem deutschen Börsenbarometer DAX ein Gesicht gibt (siehe Foto). In diesen Tagen ist er nur bestürzt. "Da der bisherige Tiefpunkt von 4300 Punkten nicht gehalten hat, geht der Fahrstuhl wieder in den freien Fall über", sagte er. "Dass der DAX erneut auf 2300 Punkte oder noch tiefer fällt als 2003, kann ich mir durchaus vorstellen. Damals ist die Internetblase mit einer begrenzten Zahl von Firmen geplatzt, jetzt droht der Kollaps des gesamten Wirtschafts- und Finanzsystems mit gewaltigen Verwerfungen." Er sieht nur noch eine 30-prozentige Chance, diese Entwicklung abzuwenden. "Rezepte dafür weiß ich allerdings nicht." Am Freitag hatte der DAX in der Spitze bis zu elf Prozent verloren. Innerhalb einer Woche verlor das Börsenbarometer fast 1000 Punkte. Zum Handelsschluss erholte sich das Börsenbarometer etwas und schloss mit 4295,67 Punkten, was einem Minus von 4,96 Prozent entspricht. Mehr zum Artikel Blind für die reale Wirtschaft Neues Börsenbeben: "Größte Finanzkrise der Geschichte" Wie sicher sind die Jobs 2009? Der neuerliche Kurseinbruch wurde durch ein düsteres Konjunkturszenario für die Weltwirtschaft ausgelöst. "Die Unternehmen werden von der Finanzkrise mit voller Wucht erwischt", sagt Bernd Schimmer von der Haspa. Die extremen Gewinnsteigerungen der vergangenen Jahre sind passé. "In den nächsten beiden Jahren wird es kein Gewinnwachstum geben", ergänzt Eberhard Hofmann von der Berenberg Bank. "Folglich gehen die meisten Investoren davon aus, dass man in den nächsten beiden Jahren mit Aktien kein Geld verdienen kann." Die Deutsche Bank erwartet für das kommende Jahr eine ernsthafte Rezession für die Weltwirtschaft. "In den Industrieländern dürfte das Wachstum auf den niedrigsten Stand seit der Weltwirtschaftskrise fallen", heißt es in der jüngsten Konjunkturstudie der Bank. Für Deutschland wird für 2009 ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von 1,5 Prozent erwartet. Das ist deutlich schlechter als die Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute, die vor wenigen Tagen noch ein Plus von 0,2 Prozent erwarteten. Die Berater der Deutschen Bank haben nach Abendblatt-Informationen bereits damit begonnen, Kunden zum Verkauf von Aktien und ähnlichen Geldanlagen zu raten. "Den Rettungsmaßnahmen der Regierungen für den Finanzmarkt fehlt die konjunkturelle Komponente", sagt Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung dem Abendblatt. "Deshalb verwundert mich der Einbruch an den weltweiten Börsen nicht, denn Finanzkrise und Konjunkturabschwung verstärken sich wechselseitig." Er regt an, dass alle europäischen Länder ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Konjunkturmaßnahmen für die kommunale Infrastruktur investieren. "Zusätzlich sollte es Steuersenkungen insbesondere für niedrige Einkommensbezieher und Zinssenkungen geben", forderte Horn.
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