zitat Old_Mensch, Umwelt, Technik | 29.11.2002 | 06:35 Erdölabbau im Meerwasser Wieder ist ein Tanker zerborsten, wieder läuft Öl aus, wieder sind die Regenerationskräfte des Meeres gefragt. Aber was geschieht eigentlich wenn Rohöl, Dieselkraftstoff oder sogar Rückstandsöl – das nach dem Destillieren der Kraftstoffe aus dem Rohöl übrigbleibt – auf Meerwasser treffen?
Dr. Manfred Ehrhardt ist Spezialist für den chemischen Abbau von Ölen im Meer am Kieler Institut für Meeresforschung und kennt die Abläufe bei einem Ölunglück. Am Anfang steht ein Prozess, der sich genauso in jeder Salatschüssel abspielt: Das Öl breitet sich aus.
"Und zwar ein leichtes Rohöl oder ein Dieselkraftstoff breitet sich sehr schnell aus und die wird auch recht dünn diese Ölschicht, je nach dem, wenn es ein schweres Öl war, kann die auch schon mal einen Millimeter oder Zentimeter dick werden oder so, aber sie breitet sich aus. Kurz nach dem Auslaufen lösen sich Bestandteile in das Wasser, auf dem das Öl schwimmt, und ein Teil verdunstet."
Aus einem Rohöl lösen sich viele Bestandteile im Wasser. Etwa kleinere aromatische Verbindungen, wie Benzol. Für ihren Abbau ist die Sonne zuständig. Sie baut sie mit ihrer Energie photochemisch um. Ersetzt etwa ein Kohlenstoff durch Sauerstoff, so dass Mikroorganismen die Moleküle verdauen können.
"Vor allem in Lösung geht der photochemische Abbau von statten, weil er natürlich Sauerstoff braucht. Der Abbau in nicht gelöstem Öl ist sicher auch vorhanden, aber der wird in eine andere Richtung gehen, mehr zur Polymerisation hin, zur Bildung höhermolekularer Substanzen."
Kleinere Ketten aus Kohlenstoff und Wasserstoff lösen sich auch im Meerwasser. Die zersetzen Bakterien und Hefen, die im Wasser schwimmen. Allerdings nur, wenn das Meer gut mit Stickstoff und Phosphorverbindungen gedüngt ist. Denn ohne diese Substanzen sind die Ölbestandteile für die Mikroorganismen nicht zu gebrauchen.
"Es gibt ja Seegebiete, die relativ reich an Stickstoff und Phosphor sind, wie die Ostsee das Oberflächenwasser oder auch die Nordsee, auch der Nordatlantik, aber es gibt andere Gebiete, das Mittelmeer zum Beispiel enthält außerordentlich geringe Mengen an Stickstoff und Phosphor."
Ist das Wasser warm, gut gedüngt, das Öl leicht, die Sonne stark und die See ruhig, sind nach wenigen Wochen alle kleineren Bestandteile des Films zersetzt. Die Natur hat ein – relativ – leichtes Spiel. Aber ein Rückstandsöl, wie es gerade vor der spanischen Küste ausgelaufen ist, enthält so gut wie keine Stoffe mehr, die sich verflüchtigen können. Und auch keine mehr, die sich im Meerwasser lösen. Das Ölproblem schwimmt als dunkelbraune Schicht auf den Wellen und erledigt sich nicht von selbst. Und wehe, wenn der Wind peitscht und die See tobt.
"Je nach dem Zustand der See, nach dem Seegang wird auch eine Öl in Wasser beziehungsweise Wasser in Öl Emulsion gebildet. Chocolate Mousse nennt man das."
Wohl, weil es an Schokoladencreme erinnert. Dafür ist weniger der Seegang verantwortlich, sondern eher der Wind. Denn die Wellen werden durch den Ölfilm gebremst – sie schlagen nicht mehr über. Diese dicken braunen Mousse-Schichten, die der Wind aufwirbelt, sind zäh und können bis zu ein paar Zentimetern dick werden. Durch das feine Gemisch aus Wasser und Öl können die flüchtigen Verbindungen nicht verdunsten oder sich im Wasser lösen. Und sie bieten wenig Angriffsfläche für Mikroorganismen. Aber die müssten sich über die längerkettigen Moleküle direkt im Film hermachen, damit der Teppich zerfällt. Die Bakterien bevorzugen die Moleküle mit einer geraden Kohlenstoffkette ohne Anhängsel und Schnörkel. Die verzweigten großen bleiben übrig. Inzwischen hat der Film deutlich abgespeckt. Alle löslichen Verbindungen sind in das Meerwasser übergegangen und werden von Bakterien und dem Sonnenlicht zerstört. Die kleinen Moleküle sind verdunstet und Mikroorganismen haben im Film selbst alles verwertet, was ihr Stoffwechsel zulässt. Die Folge: Der Film wird zäh und fest.
"Dann brechen diese Oberflächenschichten oft auf und bilden dann teerartige Rückstände, die auf der Oberfläche treiben und offenbar eine geringe Toxizität besitzen. Ich habe viele solcher schwimmenden Ölklumpen, die hatten teilweise die Größe von einem halben Brötchen, da wuchsen Entenmuscheln drauf, das machte denen offenbar nicht viel."
Diese schwarzen Klumpen sind kaum noch giftig und sie bedrohen die Meeresbewohnern nicht mehr so massiv, wie der klebrige braune Ölteppich. Sie sind nur noch lästig bei einem Strandspaziergang. Denn die schwarzen Teerklumpen an den Füßen zeugen noch Jahre von den Tankerunglücken auf offener See.
quelle http://www.dw-world.de/dw/article/0,,688437,00.html
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