Samstag, 10. September 2011 Arrivederci Roma? Italien versinkt im Chaos! Lieber Geldanleger,
was für ein Sommertheater: Italiens Premier Silvio Berlusconi war der Kragen geplatzt. In einem Telefonat drohte er wütend damit, dem "Scheißland" Italien den Rücken zu kehren. Natürlich habe er das nicht so gemeint, beschwichtigte der Regierungschef am nächsten Tag.
Im Gegenteil: Er bleibe und wolle sich 2013 sogar noch einmal zur Wahl stellen, erklärte er mit breitem Grinsen in die Kameras.
Wieder einmal schien Berlusconi beweisen zu wollen: Wenn es ums Beschwichtigen geht, ist er ein Meister. Tatsächlich nehmen ihm die Italiener das „Scheißland“-Zitat auch kaum übel, allerdings schwindet das Vertrauen in seine Regierungskünste weiter rapide. Nach Umfragen glauben gerade noch 20 Prozent der Italiener, Berlusconi habe das richtige Konzept, die Probleme des Landes zu lösen, vor allem aber die Finanzkrise wirksam zu bekämpfen.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht deutlich schlechter da als der europäische Durchschnitt. Die Staatsverschuldung kletterte in den vergangenen Jahren stetig und erreichte mit 1,9 Billionen Euro einen Spitzenwert von knapp 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – die Quote ist eine der höchsten in der Welt.
Immer höhere Zinskosten drohen jede mögliche Erholung sofort wieder abzuwürgen: An den Finanzmärkten liegen die Renditeaufschläge für italienische Staatsanleihen mittlerweile bei 5,2 Prozent und nähern sich der Horrorgrenze von sieben Prozent, ab der die Schuldenlast als nicht mehr zu bewältigen gilt. Auch die Zahl der Arbeitslosen steigt: Hatte die Quote 2007 mit 6,1 Prozent einen Tiefstand erreicht, waren es 2010 bereits 8,6 Prozent Arbeitslose.
Vom Beschäftigungsrückgang besonders betroffen ist Süditalien. 41.000 Stellen werden hier im Herbst gestrichen, das sind fast viermal so viel wie in den industriereichen Regionen des Nordostens Italiens. Schwierig ist vor allem die Lage der jungen Italiener. 30 Prozent der unter 35-jährigen sind – ähnlich wie in Spanien – ohne Job. Wer einen Arbeitsplatz hat, ist oft wegen des geringen Gehalts nicht in der Lage Geld zu sparen. 58 Prozent aller Jugendlichen unter 35 Jahren geben ihr gesamtes Einkommen aus. Fünf Prozent sind gezwungen sich zu verschulden.
Ernst der Lage nicht erkannt Die italienische Regierung schien den Ernst der Lage lange nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Berlusconi verkündete noch vor wenigen Wochen, der italienische Haushalt sei grundsolide und „durchfinanziert“, gespart werden müsse zwar, aber das „werde keinem besonders wehtun“. Schließlich wurde dann doch ein Milliarden-Sparpaket aus der Taufe gehoben und binnen weniger Wochen mehrfach über den Haufen geworfen. Mal beugt sich Berlusconi dem Druck der einen, mal der anderen Seite. Paradoxerweise passierte dann die vierte Version des zweiten Sparpaketes den Senat über die Vertrauensfrage.
Geplant ist nun die Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Punkt auf 21 Prozent, eine Reichensteuer von drei Prozent ab einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro, schärfere Maßnahmen gegen Steuerhinterzieher und eine Anhebung des Rentenalters für Frauen. Außerdem wird wie in Deutschland und Spanien eine Schuldenbremse eingeführt. Doch Berlusconi wäre nicht er selbst, gäbe es da kein Schlupfloch. So soll es „in Notlagen“ weiter erlaubt sein, den Haushalt zu sprengen.
Ob das wirklich dazu beiträgt, mehr Vertrauen zu schaffen? Ich glaube nicht daran! Es könnte gut sein, dass das neue Gesetz über Jahre in den verschiedenen Kommissionen des Parlaments feststecken wird, ohne jemals umgesetzt werden zu können. Grund: Die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen beinhalten unter anderem auch die Abschaffung der Provinzen als Verwaltungseinheit. Das sorgte bereits in den vergangenen Wochen für große Proteste.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet sieht mit Sorge auf den Schlingerkurs in Italien. Er warnte, das Land werde möglicherweise seine Kreditwürdigkeit verlieren. Anders als das schwer angeschlagene Griechenland sowie Irland und Portugal, könnte Italien dann nicht unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen. Dafür ist die Schuldenlast einfach zu immens.
Die Folge: Europa wäre definitiv am Ende! Die christdemokratische Partei rief den Premier wiederholt zum Rücktritt auf, sieht in ihm das größte Hindernis auf dem Weg zur möglichen Rettung. „Berlusconi sollte zurücktreten und Italien so vor dem Abgrund retten“, hieß es von einem UDC-Sprecher.
Vielleicht wäre das tatsächlich der gordische Knoten, der durchschlagen werden muss, damit Italien wieder auf die Beine kommt. Viele strukturelle Probleme lasten auf dem Land: Da sind die hohe Steuerlast für Unternehmen und Arbeitnehmer, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten, das viel zu teure Gesundheitssystem, die exzessive Bürokratie. Doch mit einer politischen Führung, die hauptsächlich damit beschäftigt ist, persönliche Probleme zu lösen, kann es keine Fortschritte geben.
Freuen dürfen sich darüber die Spekulanten, die bereits ein dickes Geschäft wittern. Trudelt das große Italien in die Staatspleite, dann gibt es weit mehr zu verdienen als beim kleinen Griechenland.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) reist in der nächsten Woche nach Italien, um mit der Regierung Berlusconi über weitere Schritte zur Euro-Rettung zu beraten. Bei dem eintägigen Besuch in Rom und Mailand will der Vizekanzler Wirtschaftsminister Paolo Romani und Finanzminister Giulio Tremonti treffen, außerdem den designierten EZB-Präsidenten, Italiens Notenbankchef Mario Draghi. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich Rösler dabei den italienischen Forderungen nach der Einführung von Euro-Bonds erwehren kann.
Was die Ratingagentur Standard + Poor's von solchen gemeinschaftlichen Anleihen der Euro-Länder hält, machte der Leiter des Länderbereichs Europa bei S&P, Moritz Krämer, in einem Interview deutlich: Solche Anleihen würden mit dem Rating des schwächsten Mitgliedslandes eingestuft, so Krämer. Nach derzeitigem Stand also mit dem Ramschstatus Griechenlands.
MEIN FAZIT: - Italien ist mit rund 1,9 Billionen Euro nach den USA und Japan der drittgrößte Schuldner der Welt.
- Die Italiener müssen also sparen! Nicht Millionen, sondern Milliarden. Nicht später, sondern sofort!
- Und sie m Solange dies nicht geschieht, wird man in Rom abwarten, was von der EU, vor allem aber von den Zahlmeistern aus Deutschland kommt. „Die Deutschen können noch so viel mehr für Europa tun“, soll Berlusconi in der vergangenen Woche im Kabinett geäußert haben.
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