Wer mehr weiß als andere, verdient an der Börse Geld. Insider und Aktienpusher spielen in Deutschland ein Millionenspiel. Der Blick hinter die Kulissen des Insiderhandels offenbart: Die Börsenpolizei arbeitet schlampig. Ist das sonst so bürokratische Deutschland etwa ein Paradies für Abzocker?
Bargeld lacht, dachte sich der Hamburger Rechtsanwalt Martin B. (Name von der Redaktion geändert). An den Übernahmeverhandlungen einer aufstrebenden Softwarefirma beteiligt, wusste er mehr als andere. Und er kombinierte: Wenn das an der Risikobörse Neuer Markt notierte Unternehmen die Übernahme meldet, explodiert der Kurs.
Also deckte sich Martin B. mit Aktien ein, um seinen Wissensvorsprung in Bares zu verwandeln. Die Rechnung ging auf. 27.400 Mark Gewinn kassierte der Advokat mit diesem risikolosen Geschäft. Bestraft wurde er dafür nie. Zwar gab es ein Verfahren - das hat die Hamburger Staatsanwaltschaft allerdings gegen Zahlung einer Geldbuße von 24.700 Mark eingestellt. Da blieb dem Anwalt unter dem Strich sogar noch ein Gewinn.
Ist Martin B. ein Einzelfall? Kaum. Aber ein kleiner Fisch. "Da drehen ganz andere Kaliber viel größere Geschäfte, ohne dass es jemand merkt", sagt ein Mitarbeiter des Bundesaufsichtsamtes für Wertpapierhandel (BAWe), der nicht namentlich genannt werden möchte.
Insidergeschäfte, Kursmanipulationen über 0190er-Hotlines oder falsche Ad-Hoc-Meldungen - was in den vergangenen Monaten ans Tageslicht kam, "ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges", vermutet auch der renommierte Nürnberger Bank- und Börsenwissenschaftler Wolfgang Gehrke.
Deutschland, ein Paradies für Börsenabzocker? Langsam formiert sich Widerstand. Experten prangern die laschen Gesetze an, das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (BAWe) wird als zahnloser Tiger verspottet. "Das Amt ist relativ machtlos, Insider dingfest zu machen", meint etwa Petra Krüll von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Die Zeche schlampiger Börsenaufsicht zahlen Kleinanleger, die in die Falle geplanter Kursmanipulationen tappen, beklagt die DSW. "Der Verdacht liegt nahe, dass Gurus, die Aktien in Hotlines oder im Fernsehen empfehlen, kräftig daran verdienen."
Es wird Zeit, dass die Börsenpolizei ihrem Namen gerecht wird. "So geht es jedenfalls nicht mehr weiter", ärgert sich auch Börsenprofessor Gehrke. (mak)
Pushen, um abzusahnen - Börsengurus gehen immer nach der gleichen Masche vor. Wenn sie Aktien empfehlen, dann vor allem solche, die schon bei kleinen Kauforders kräftig zulegen. Und die gibt es am Neuen Markt wie Sand am Meer.
Haben sich die Pusher eine Aktie herausgepickt, müssen sie nur noch einen leckeren Köder auslegen. "Neue Rakete", "1.000-Prozent-Chance" oder "Schnell einsteigen" - wenige Worte in Börsenmagazinen, 0190er-Hotlines oder Fernsehsendungen reichen meist aus, damit Anleger anbeißen.
Klettern die Kurse kräftig, reiben sich die dubiosen Tippgeber die Hände. Denn: Sie haben sich bereits vor ihren Empfehlungen die entsprechenden Aktien ins Depot gelegt - und verkaufen mit Gewinn, während andere kaufen.
Ein Strippenzieher auf dem Parkett ist zum Beispiel der Kulmbacher Verleger und längst verblasste Aktienguru Bernd Förtsch. Als Plattform für seine geheimen Tipps - er tut immer so, als wären sie geheim, aber sie sind es natürlich nicht - dient nicht nur seine Anlegerpostille "Der Aktionär".
Auch in der 3sat-Börse hatte Förtsch seine großen Auftritte. Dort empfahl er beispielsweise im Februar vergangenen Jahres Aktien von Edel Music mit einem Kursziel von 100 Euro. Prompt kletterte der Kurs von 42 auf 60 Euro, um dann einige Tage später wieder abzustürzen. Mittlerweile ist Edel bei etwa vier Euro gelandet.
Ob Förtsch daran verdient hat? Zu beweisen war das bisher nicht. Erlaubt ist aber die Frage, ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Denn Edel war nicht das einzige Push-Objekt des Kulmbachers. Alles bisher Dagewesene stellte Förtsch mit der Aktie des Münchner Biotechnolgieunternehmens Morphosys in den Schatten.
Hier rief er - ebenfalls im Februar 2000 in der 3sat-Börse - ein Kursziel von 1.000 Euro aus - bei einem Stand der Aktie von etwa 200 Euro. Erstaunlich die Wirkung: Morphosys kletterte daraufhin in der Spitze um etwa 80 Prozent auf 360 Euro. Was von dem Kursziel zu halten war, zeigte sich schon wenig später. Kontinuierlich ging es mit dem Kurs von Morphosys bergab, mittlerweile ist das Papier für etwa 75 Euro zu haben.
Gut in Erinnerung sind auch die Auftritte von Egbert Prior im - wie sollte es anders sein - 3sat-Börsenspiel. Dort empfahl Prior Aktien von Mobilcom und SCM. Die hatte er sich aber schon längst ein paar Tage vorher ins Depot gelegt - und so freute sich Prior über einen stattlichen Gewinn.
Anders als im Fall Förtsch hat das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (BAWe) Prior das auch nachgewiesen. Aber der Aktienpusher Egbert Prior kam ungeschoren davon: Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte das Verfahren gegen ihn ein. Grund: Man könne ihm nicht nachweisen, dass er, als er die Aktien gekauft hat, bereits vorhatte, sie in der TV-Sendung zu empfehlen.
Mit anderen Worten: Selbst wenn Aktienpusher auffliegen - nach dem Gesetz sind sie scheinbar nicht zu verurteilen, weil sie immer behaupten können, sich erst nach dem Kauf der Aktie zu einer Empfehlung entschlossen zu haben. (mak)
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