Hauptversammlung bei Freenet Die Schlammschlacht Von Holger Schmidt 05. August 2008 Internet-Manager haben sich schon eifrig um Eintrittskarten bemüht, als wären es die Bayreuther Festspiele. Dabei geht es nur um die Hauptversammlung des Internet-Unternehmens Freenet. Aber alle wollen dabei sein, wenn am kommenden Freitag die Schlammschlacht des Jahres im deutschen Internet ihren Höhepunkt hat: Ralph Dommermuth, der Vorstandsvorsitzende und Gründer von United Internet, will dort gemeinsam mit seinem Partner Paschalis Choulidis von Drillisch den Freenet-Chef Eckhard Spoerr entmachten. Damit das funktioniert, soll zuvor der Aufsichtsrat abgelöst und mit eigenen Vertrauten besetzt werden. Ob das gelingt? „Das wird eine sehr knappe Geschichte. Viel hängt davon ab, wie viele Aktionäre zur Hauptversammlung kommen und wer im Vorfeld genügend Stimmen auf seine Seite gezogen hat“, sagt West-LB-Analyst Björn Stübner. Zurzeit stehen die Wetten im Markt leicht zugunsten von Spoerr, der wohl viele institutionelle Investoren überzeugt hat. Die britische Fondsgesellschaft Hermes, die lange Zeit als Zünglein an der Waage galt, wird inzwischen dem Freenet-Lager zugerechnet. Die professionellen Anleger wollen vermeiden, dass Freenet mit der gleichzeitigen Abwahl des Chefs und der Aufsichtsräte ins Chaos fällt. Erfolg wohl nicht von Dauer Ob Spoerrs Erfolg aber von Dauer wäre, wird bezweifelt. „Ich vermute, dass Spoerr nur noch so lange im Amt bleibt, bis er den Verkauf der DSL-Sparte abgewickelt hat. Dann werden ihn seine Aktionäre aus dem Amt drängen“, sagt ein Branchenkenner. Spoerr könnte dann in den Aufsichtsrat wechseln, und Dirk Steil, der bisherige Chef des von Freenet übernommenen Mobilfunkunternehmens Debitel, könnte an die Spitze rücken, lautet ein häufig gehörtes Szenario. Am Ende könnten beide Manager mit leeren Händen dastehen. Die von Dommermuth wären ganz leer, die von Spoerr nur halbleer, denn er gehört seit Jahren zu den Spitzenverdienern in der deutschen Industrie. Die Geschichte beginnt vor etwa einem Jahr, als sich United Internet und Drillisch zusammentun, um Freenet gemeinsam zu übernehmen und aufzuspalten: United Internet will das Geschäft mit schnellen DSL-Internetzugängen, die Sparte Strato, die Speicherplatz im Internet anbietet, und das Online-Portal für den Verkauf von Werbung. Drillisch, ein eher kleines Mobilfunkunternehmen aus dem hessischen Maintal, will sich das viel größere Handy-Geschäft von Freenet unter der Marke Mobilcom sichern, um den Großen in diesem hart umkämpften Markt Paroli bieten zu können. Dann beginnt der große Poker um die Macht bei Freenet: Die beiden Unternehmen kaufen Freenet-Aktien und beginnen mit den Verhandlungen. Kurz vor Weihnachten ist es fast so weit: Die Anwälte sitzen schon zusammen, verhandeln die letzten Details, doch Dommermuth bekommt kalte Füße und zieht zurück. Zu viel Geld will der sparsame Westerwälder dann doch nicht für Freenet ausgeben, obwohl er die DSL-Sparte besser gebrauchen kann, als er zugeben mag. „Die DSL-Sparte von Freenet hat in dem schärfer werdenden Wettbewerb eine hohe strategische Bedeutung für United Internet“, sagt Unicredit-Analyst Thomas Friedrich. Wie vielen seiner Kollegen gefällt ihm nicht, dass United Internet die Chance nicht beim Schopfe packt und endlich kauft, bevor finanzstarke Konkurrenten wie Vodafone oder Telefónica zum Zuge kommen. Allzu viele Gelegenheiten, in dem sich abschwächenden DSL-Markt die nötigen Größenvorteile aufzubauen, gibt es nicht mehr. Doch es steht noch mehr auf dem Spiel: Sollte Vodafone zum Zuge kommen, hätte United Internet seine gute Position als Nummer zwei auf dem deutschen Markt leichtfertig verspielt. Längst nicht mehr nur geschäftlich Der Streit eskaliert, als Spoerr im Frühjahr einen nahezu genialen Coup landet: Er übernimmt selbst das Mobilfunkunternehmen Debitel und gewinnt auf diese Weise einen neuen Großaktionär, die Beteiligungsgesellschaft Permira, die auf der nun anstehenden Hauptversammlung wohl Spoerrs wichtigste Stütze wird. Seit der Debitel-Übernahme gibt es Briefwechsel und eine Flut von Interviews, in denen sich die Kontrahenten Spoerr und Dommermuth gegenseitig beschimpfen und dem anderen Fehlverhalten vorwerfen. „Er (der Freenet-Vorstand) streut wissentlich falsche Informationen gegen den größten Aktionär der freenet AG und führt aktiv eine Polemisierung herbei. Damit manipuliert er die Öffentlichkeit, Mitarbeiter und Freenet-Aktionäre. ... Herr Spoerr soll endlich aufhören seine privaten Interessen über das Wohl unserer Gesellschaft zu stellen. Stattdessen soll er seine Kraft in den Dienst des Unternehmens stellen und dessen Wert vermehren. Das hat er in den letzten 3 Jahren leider aus den Augen verloren“, ist das jüngste Beispiel aus der Schlammschlacht, dieses Mal sogar per Ad-hoc-Mitteilung von Choulidis an die Adresse von Spoerr gesendet. Zeigte sich die Branche anfangs noch amüsiert über den öffentlichen Schlagabtausch, findet die Auseinandersetzung inzwischen niemand mehr lustig. Längst ist klar: Hier geht es nicht mehr nur um das Geschäft, hier geht es um eine persönliche Fehde – die sich eigentlich niemand leisten kann. Wenn Spoerr und sein Aufsichtsrat die Hauptversammlung überstehen, muss Spoerr die Verhandlungen über den Verkauf der DSL-Sparte fortführen. Dann sitzt United Internet wieder mit am Tisch. Am Freitag berichtet FAZ.NET live von der Hauptversammlung im Internet unter www.faz.net/netzoekonom.
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