dpa-AFX: HINTERGRUND/VW lockt Amerikaner mit Schnäppchen: Riskantes Überholmanöver
NEW YORK (dpa-AFX) - Ein VW Jetta für umgerechnet keine
13.000 Euro? Ein Passat für gute 15.000 Euro? Das sind Preise, von denen
deutsche Autofahrer nur träumen können. Kunden in den Vereinigten Staaten aber
können zu diesen Kursen zuschlagen. Das Ziel von Volkswagen , bis zum
Jahr 2018 zum weltgrößten Autokonzern aufzusteigen und damit Toyota
und General Motors zu überholen, macht's möglich.
Der Wolfsburger Autobauer umwirbt die US-Amerikaner mit
Schnäppchenpreisen. Denn bislang spielt VW nur eine untergeordnete Rolle auf dem
neben China wichtigsten Automarkt der Welt. Das Feld wird bestimmt von den drei
großen heimischen Autobauern General Motors, Ford und
Chrysler sowie den japanischen Herstellern Toyota, Honda
und Nissan . Es folgen Hyundai und Kia aus
Südkorea und erst an neunter Stelle Volkswagen.
Das soll sich schnellstens ändern. Für eine gute Milliarde
Dollar hat VW im Mittleren Westen eigens ein Werk hochgezogen - in Chattanooga
im Bundesstaat Tennessee. Für US-Verhältnisse nicht weit entfernt liegen die
Fabriken von BMW und Mercedes. Bekannt ist die 160.000-Einwohner-Stadt
am ehesten noch durch den alten Glenn-Miller-Hit 'Chattanooga Choo Choo', der
von einer Dampflok handelt, die von der Weltstadt New York ins beschauliche
Chattanooga unterwegs ist.
Noch heute ist Chattanooga ein wichtiger Eisenbahn-Knotenpunkt, was
für Volkswagens Entscheidung, dort die erste Fabrik auf US-amerikanischem Boden
zu bauen, nicht ganz unwichtig gewesen sein dürfte. Im nahen Mexiko oder in
Brasilien sind die Deutschen schon seit Jahrzehnten vertreten. Nach etwa zwei
Jahren Bauzeit wird die Fabrik nun am kommenden Dienstag (24. Mai) offiziell
eingeweiht. Konzernchef Martin Winterkorn persönlich reist an.
Die Bänder laufen schon seit ein paar Wochen; am Ende werden hier mehr
als 2000 Menschen arbeiten. Gebaut wird der zu Jahresbeginn auf der Detroit Auto
Show vorgestellte US-Passat. Mit seinem Grundpreis von 20.000 Dollar plus
Steuern soll er vor allem die beliebte Mittelklasse-Limousine Camry von Toyota
angreifen, die genauso viel kostet. Der alte Passat, der noch aus Deutschland
rübergeschifft wurde, kostete etwa 6000 Dollar mehr und verkaufte sich
entsprechend schleppend.
Die Amerikaner sind billige Autos gewohnt, das Preisniveau ist
allgemein niedrig, und VW stellt sich darauf ein. Schon seit einigen Monaten ist
der Jetta aus Mexiko im Angebot zu Preisen ab 16.000 Dollar plus Abgaben. Die
Steuern unterscheiden sich je nach Bundesstaat und Kommune; meist werden um die
10 Prozent fällig. Für das gleiche Geld gibt es den kompakten Corolla von Toyota.
VW musste sich für seinen Jetta allerdings schon heftige Kritik
anhören. Das einflussreiche Verbrauchermagazin 'Consumer Reports' - so etwas wie
die amerikanische Stiftung Warentest - schrieb, das aktuelle Modelle sei nur
noch 'ein Schatten des einst so agilen und gut verarbeiteten Autos'. VW habe die
Qualität dem Preis geopfert, klagten die Tester. Setzt VW seinen Ruf aufs Spiel,
um mit aller Macht die Nummer eins zu werden?
Die Kritik hat VW-Landeschef Jonathan Browning nicht kalt
gelassen, und doch hält er die Entscheidung für richtig. 'Das Auto muss sich im
Markt bewähren. Und der Jetta ist ein Erfolg.' Die Verkaufszahlen sprechen für
sich: Im April verkaufte VW fast doppelt so viele Jetta wie im
Vorjahreszeitraum. Es war der beste Monat überhaupt seit acht Jahren für die Marke.
VW scheut derzeit keine Kosten und Mühen, um die Amerikaner auf
sich aufmerksam zu machen. Den Jetta enthüllte Popstar Katy Perry
öffentlichkeitswirksam auf dem Times Square in Manhattan. Den Passat bewarb VW
zu bester Sendezeit beim Sportereignis des Jahres, dem Super Bowl. Der Spot mit
einer Miniausgabe von Darth Vader ist mittlerweile Kult. Und an diesem Montag
wird Konzernchef Winterkorn eine Partnerschaft mit dem weltberühmten Museum of
Modern Art (MoMA) in New York City besiegeln.
Die Anstrengungen schlagen sich in den Verkaufsstatistiken
nieder: Im Krisenjahr 2009 wurde die Marke VW 213.000 Autos in den Staaten los,
2010 legten die Verkäufe über dem Branchendurchschnitt auf annähernd 257.000 zu
und in diesem Jahr sollen es rund 300.000 werden. Zusammen mit der ebenfalls
boomenden Premiumschwester Audi und den Luxusablegern Bentley und
Lamborghini sollen es am Ende gar mehr als 400.000 verkaufte Autos werden.
'2011 ist ein sehr wichtiges Jahr für uns', fasst VW-Landeschef
Browning zusammen. Eines hat der Brite schon geschafft: den eher sprachfaulen
Amerikanern etwas Deutsch beizubringen. Der Konzern wirbt auch in den USA mit
dem Spruch 'VW. Das Auto.'/das/DP/tw