Schily in eigenen Reihen unter Beschuss
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erhält wegen seiner Äußerungen zur „Assimilierung“ von Ausländern nun auch aus der Regierungskoalition starken Gegenwind.
dpa BERLIN. Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller nannte seine Forderung inakzeptabel. „Sie wirft uns in der Debatte um Jahrzehnte zurück“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Aus der SPD widersprach Innenexperte Dieter Wiefelspütz: „Assimilierung ist keine Voraussetzung, um dauerhaft in Deutschland leben zu können.“ Zuvor hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) Schily vorgeworfen, seine Aussagen seien unglaubwürdig, weil sie nicht seiner Politik entsprächen.
Harsche Kritik übte die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa an Schily. Der Minister ebne denjenigen den Weg, „die ihre Fremdenfeindlichkeit dadurch untermauern, indem sie ihre eigene Kultur gegenüber anderen höher stellen“. Die Andersartigkeit der Migranten werde nicht als eine Bereicherung für das kulturelle Leben empfunden, sondern als Hindernis für die Integration, hieß es in einer Erklärung vom Sonntag.
Schily hatte der „Süddeutschen Zeitung“ am Donnerstag gesagt, Ausländer sollten sich in die deutsche Kultur und Sprache hineinleben. Die beste Form von Integration sei „Assimilierung“. „Dabei verändern sich dann natürlich mehr oder weniger sachte auch die hiesigen Lebensverhältnisse.“ Der Minister sprach sich außerdem gegen eine Förderung der Muttersprache und gegen die Aufnahme des Minderheitenschutzes in die Verfassung aus.
Grünen-Fraktionschefin Müller betonte: „Das Ziel unserer Integrationspolitik ist das Gegenteil von Assimilation. Integration ist ein wechselseitiger Prozess, in dem Deutsche und Ausländer im gegenseitigen Respekt und in gegenseitiger Anerkennung auf Grundlage gleicher Rechte und Pflichten voneinander lernen. Bei der Assimilation wird die eigene kulturelle Identität aufgegeben.“
Neben Müller kritisierte auch der Grünen-Innenexperte Volker Beck den Minister. In der „Welt am Sonntag“ sprach er von einer „unnötigen Provokation“. „Wir wollen kein zweisprachiges Land, aber wir wollen auch nicht Zuwanderer mit Zwang eindeutschen, indem sie ihre eigene Kultur und Religion aufgeben.“ Die Ausländerbeauftragte der Regierung, Marieluise Beck (Grüne), kritisierte Schilys Worte als „nicht sehr geschickt“. Schily will trotz der erwarteten Verfassungsklage der unions- regierten Bundesländer die nächsten Schritte zur Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes einleiten. Dies kündigte er am Wochenende im Nachrichtensender n-tv an. „Es gibt kaum ein Gesetz in der jüngeren Vergangenheit mit einer so breiten gesellschaftlichen Zustimmung.“ Die Aussage von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU), das Gesetz fördere ungebremste Zuwanderung, sei eine „glatte Lüge“. Das Gesetz tritt nach der Unterschrift von Bundespräsident Johannes Rau am 1. Januar 2003 in Kraft.
Beim Kleinen Parteitag der CSU in Fürth wurde indes bekräftigt, dass das rot-grüne Zuwanderungsgesetz „unverzüglich nach der Wahl“ im Sinne einer strikten Begrenzung korrigiert werden soll. Stoiber äußerte sich leicht verärgert über die Ankündigung aus dem liberalen Lager, die FDP würde ein neues Zuwanderungsgesetz nicht mittragen. „Die FDP ist gut beraten, Position zu halten und nicht durch verrückte Diskussion auf das Abstiegsgleis zu geraten.“
Die hessische FDP-Chefin Ruth Wagner äußerte sich zuversichtlich zu den Möglichkeiten einer Einigung mit der Union. In den vergangenen zehn Jahren habe sich auch bei den Christdemokraten die Einsicht durchgesetzt, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, sagte sie in einem Gespräch.
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