Schulden machen könnte sich gerade jetzt lohnen! ;-)
http://www.welt.de/wirtschaft/article13772624/...tion-taucht-auf.html
"Das Schreckgespenst der Hyperinflation taucht auf
Regierungen wollten die Krise der 1920er-Jahre per Notenpresse lösen – wie es auch heute wieder gefordert wird. Aber das ging schon damals schief.
Es klingt wie bei Franz Kafka: Eine Familie will dem wirtschaftlichen Elend entkommen, sie verkauft das geerbte Haus und wollte nach Amerika auswandern. Am Hamburger Hafen angekommen, reicht das Geld jedoch schon nicht mehr für die Überfahrt. Und nicht mehr für die Fahrkarte zurück nach Hause.
dpa In der Hyperinflation wurden sogar 20-Milliarden-Mark-Noten gedruckt Solche irrsinnigen Geschichten aus dem Inflationsjahr 1923 machen das Traumatische der Hyperinflation deutlich: Die Kollektiverfahrung, alle Werte und Gewissheiten zu verlieren, prägt bis heute das deutsche Gemüt. Und sie erklärt, warum sich Politiker und die Bundesbank instinktiv gegen die Forderung stemmen, die Staatsschuldenkrise mit ein wenig mehr Inflation zu lösen.
Das schlägt etwa Olivier Blanchard vor, der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds. Er empfiehlt der Europäischen Zentralbank (EZB), künftig statt zwei Prozent Inflation vier Prozent anzupeilen. Schließlich entwerte eine moderate Preissteigerung bestehende Schulden – zugunsten der Staaten.
Damit das klappt, müsste die Notenbank allerdings die Inflation kontrollieren können – und das ist sehr schwer, wie das Inflationsjahr 1923 zeigt. Damals entglitt Regierung und Notenbank ihre ursprünglich erfolgreiche Geldpolitik.
Inflation nach 1914
Die dramatischste Geldentwertung der Wirtschaftsgeschichte begann mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Drei Tage nachdem das Deutsche Reich Russland den Krieg erklärt hatte, hob die Reichsbank die Koppelung der Reichsmark an den Goldwert auf – und konnte nun zur Finanzierung des Krieges Geld drucken. Weil das aber nicht genügte, verschuldete sich die Regierung bei privaten Anlegern, denen sie Staatsanleihen verkaufte. Nach der Niederlage 1918 saß das Deutsche Reich auf 155 Milliarden Mark Schulden.
Nicht nur der Schuldenberg war erdrückend, es tickte in der Volkswirtschaft des Landes auch eine geldpolitische Zeitbombe: Weil die Regierung hemmungslos Geld gedruckt hatte, um Waffen, Munition und Verpflegung zu bezahlen, war zehnmal so viel Papiergeld im Umlauf wie bei Kriegsbeginn. Gleichzeitig waren aber viele Güter knapp. Zu viel Geld trifft auf zu wenig Ware – die Folge waren steigende Preise. Rationierung und Preiskontrollen während des Krieges hatten die Inflationswelle aufgestaut, jetzt bahnte sie sich ihren Weg.
Ähnlich sah es in den anderen Ländern aus, die Krieg geführt hatten. Die Siegermächte allerdings bekämpften die Inflationsgefahr. Ihre Regierungen zahlten Schulden im Ausland ab und verordneten sich strenge Sparprogramme. Der Preis für diese Stabilitätsstrategien war hoch: In Großbritannien, Frankreich und den USA brach die Wirtschaft ein, und die Zahl der Arbeitslosen schoss in die Höhe. Der deutschen Regierung fehlte dafür der Mut, denn Berlin fürchtete Aufstände. Nach Kriegsende strömten sieben Millionen Männer zurück von der Front in ein ruiniertes Land, in dem es für sie keine Arbeit mehr gab.
Aufbau wird über die Notenpresse bezahlt
In dieser Situation schlossen Politik, Unternehmer und Gewerkschaften eine gefährliche Allianz: Die Firmen versprachen allen Heimkehrern Arbeit und vollen Lohn, zusätzlich legte die Reichsregierung große Konjunkturprogramme auf, um Stellen in der Bauindustrie zu schaffen. Der Aufbau wurde bezahlt wie zuvor der Krieg: mit der Notenpresse. Der Präsident der Reichsbank, Rudolf Havenstein, protestierte nicht.
Das riskante Spiel ging zunächst auf, die moderate Inflation befeuerte sogar das Wachstum. Die beständig steigenden Preise ermunterten Unternehmer, in ihre Fabriken zu investieren und Arbeiter einzustellen. Die Löhne stiegen, und das kurbelte die Nachfrage an. Gleichzeitig waren deutsche Waren im Ausland gefragt: Mit der Kaufkraft der Mark sank auch ihr Außenwert. Deutsche Waren wurden also im Ausland billiger. Es schien, als hätten Regierung und Reichsbank richtig entschieden. Während die Siegermächte unter schweren Depressionen litten, herrschte in Deutschland beinahe Vollbeschäftigung.
Die Inflation allerdings beschleunigte sich weiter. Um die steigenden Preise bezahlen zu können, erstritten die Arbeiter höhere Löhne, das machte die Produktion für die Firmen teurer. Sie erhöhten die Preise – so setzte sich eine fatale Spirale in Gang. Reichsbank-Chef Havenstein glaubte immer noch, die Inflation sei keine Folge der rotierenden Notenpresse, sondern die Notenbank habe nur Probleme, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen.
Inflation wird Hyperinflation
Zwei weitere Ereignisse machten schließlich aus der galoppierenden Inflation eine Hyperinflation: die Reparationsforderungen der Siegermächte und die Ruhrbesetzung. Während der Verhandlungen in Versailles forderten die siegreichen Alliierten von Berlin zunächst 226 Milliarden Mark, reduzierten ihre Forderungen später aber auf realistischere 132 Milliarden. Selbst das traf Deutschland hart, denn die Siegermächte wollten nicht mit dem beständig im Wert sinkenden Papiergeld bezahlt werden, sondern berechneten ihre Forderungen auf der Basis von Gold.
Die deutsche Regierung konnte bereits die erste Rate im Sommer 1921 nicht aufbringen und ließ deshalb bei der Reichsbank Geld drucken. Das trieb die Inflation an; im Juni 1922 lagen die Lebenshaltungskosten fünfmal höher als direkt nach dem Krieg. Der Unmut in der Bevölkerung wuchs, die Reparationen galten als Ursache für die fortschreitende Geldentwertung.
Nationalistische Politiker und Publizisten machten dafür auch Außenminister Walther Rathenau verantwortlich. Dermaßen angestachelt, streckten zwei Attentäter den jüdischen Politiker am 24. Juni im Berliner Grunewald nieder. Das Attentat entsetzte die Welt, ausländische Investoren stießen ihre Mark-Bestände ab, und der Wert der deutschen Währung sackte weiter ab. Im August war ein Dollar 270 Mark wert, im November bereits 1700 Mark.
Flucht in Sachwerte
Die Hyperinflation begann, und die Wirtschaft geriet aus den Fugen. Die Menschen kauften Uhren, Krawatten, Antiquitäten, um ihr Vermögen in Sachwerte zu tauschen. Unternehmen bekamen keine Kredite mehr von den Banken, die fürchteten, mit entwertetem Geld bezahlt zu werden. Also sprang die Regierung ein und lieh den Firmen Geld – abermals aus der Druckerpresse.
Als die deutsche Regierung Ende 1922 ihre Reparationen nicht wie vereinbart zahlte, statuierten die Alliierten ein Exempel: Im Januar 1923 marschierten 60.000 französische und belgische Soldaten ins Ruhrgebiet ein und besetzten Zechen und Kokereien. Ein ruinöses Kräftemessen begann: Berlin rief die Reichsbahner und Zechenarbeiter zum Streik auf, zahlte aber ihre Löhne weiter. Der ohnehin bankrotte Staat wurde so zum Arbeitgeber einer ganzen Region.
In den folgenden sechs Monaten stiegen die Schulden des Staates um ein Drittel, und die Inflation raste: Im November waren die Lebenshaltungskosten 77 Milliarden Mal so hoch wie nach Kriegsende. Egal ob Briefmarken, Brot, Theaterkarten: Preise werden nur noch in Milliarden gemessen. Neue Scheine verteilte die Reichsbank körbeweise.
Plünderungen greifen um sich
Städte, Gemeinden und Unternehmen druckten Notgeld – aus Leder, aus Porzellan, sogar aus Leinen und Spitze. Das Land kehrte zur Naturalwirtschaft zurück: Ärzte behandelten gegen Würste, Theaterbesucher zahlten mit Kohlebriketts, Händler verlangten Antiquitäten – wenn überhaupt noch etwas verkauft wurde, denn überall entstanden versteckte Lager.
Verzweifelte Bürger plünderten Metzgereien und Gemüsehändler, die Polizei auf dem Land bewachte nachts die Felder und schoss auf Stadtkinder, die dort nach Kartoffeln gruben. In den Städten verprassten derweil die Menschen ihr Geld. Sie tranken, tanzten und hurten. Kokain war heiß begehrt. „Wir versaufen der Oma ihr klein Häuschen“, sangen die Lokalbesucher.
Erst eine neue Währung beendete Ende 1923 die Groteske. Die Rentenmark war angeblich durch Grund und Boden gedeckt – eine Lüge, die aber niemand hinterfragte. Der Währungsschnitt war die größte Umverteilung von Vermögen in der deutschen Geschichte: Die Mittelschicht verlor ihr Erspartes, und Rentner wurden mittellos. Profitiert hatten dagegen alle, die auf Pump Häuser, Äcker oder Unternehmen gekauft hatten." http://www.welt.de/wirtschaft/article13772624/...tion-taucht-auf.html
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