Aus der FTD vom 23.11.2004
Portfolio: Langfristiger Seitwärtstrend für den Euro erwartet
Von Reza Darius Montasser
Der Euro hat in den vergangenen Wochen gegenüber dem US-Dollar zu einem rasanten Anstieg angesetzt und erreichte ein Rekordhoch. Allerdings notierte der in der vorliegenden Analyse bis 1980 zurückgerechnete Euro in den vergangenen Jahrzehnten auch schon deutlich höher.
Die Triebfeder des Anstiegs war erneut das US-Leistungsbilanzdefizit: In der klassischen volkswirtschaftlichen Theorie sind die Leistungsbilanz, also der Nettoexport (Exporte minus Importe), und die Währung fest aneinander gekoppelt. Kommt es zu einem Leistungsbilanzdefizit - wie in den USA seit Jahren zu beobachten -, wird die Währung des defizitären Landes so lange von den freien Kräften der Finanzmärkte abgewertet und die globalen Handelsströme umgelenkt, bis mittelfristig das Defizit ausgeglichen wird.
Demnach hätte der US-Dollar in den vergangenen Jahren noch viel deutlicher an Wert verlieren müssen: Das Handelsbilanzdefizit der USA hat heute das 25fache des Jahres 1992 erreicht. Der in dieser Analyse berechnete Euro-Dollar-Kurs lag zu diesem Zeitpunkt bei 1,28 $. Heute liegt der Kurs bei 1,30 $. Der klassischen Theorie nach müsste der Euro deutlich höher, mindestens bei 1,60 $ bis 1,70 $ notieren.
Dass dem nicht so ist, liegt sehr wahrscheinlich an der Kapitalbilanz (Kapitalaus- und -einfuhr) der USA, die ausgehend von einigen wenigen Ausreißern seit Mitte der 80er Jahre durchweg positiv ist und - das ist wichtig - in den vergangenen Jahrzehnten das aus der Handelsbilanz entstandene monetäre Defizit im Schnitt stets vollständig ausgleichen konnte.
US-Kapitalmarkt bleibt Magnet internationaler Zahlungsströme
Solange dieser Ausgleichsmechanismus funktioniert, bleibt eine kontinuierliche Abwertung des Dollar unwahrscheinlich. Reißen aber die Zahlungsströme in die USA ab, würde dies sicherlich Verwerfungen an den internationalen Devisenmärkten nach sich ziehen. Die dieser Analyse zugrunde liegenden ökonometrischen Money-Flow-Modelle geben in dieser Hinsicht allerdings Entwarnung. Danach wird der US-Kapitalmarkt seine Attraktivität für ausländische Investoren auch weiterhin behalten und somit auch zukünftig ein Magnet internationaler Zahlungsströme sein. Vor allem ist davon auszugehen, dass die Zinsdifferenzen zwischen den USA und dem größten Kapitalgeber Japan auch weiterhin so attraktiv bleiben, dass dieser wichtige Kapitalzufluss nicht abreißt.
Was sagt nun die Markttechnik? Hier sind die Anzeichen - zumindest auf den ersten Blick - deutlicher. So ist es dem Euro Mitte Oktober gelungen, seine sekundäre (mittelfristige) Korrekturphase durch den Bruch des Widerstands bei 1,245 $ zu brechen und somit wieder seinen 2002er Aufwärtstrend aufzunehmen. Der jüngste Anstieg bis auf 1,3074 $ ist daher die logische Konsequenz. Damit hat sich der Euro einer charttechnisch wichtigen Zone im Bereich von 1,295 $ bis 1,305 $ genähert. Dieser Bereich ist deswegen so wichtig, weil er die obere Zone des langfristigen Abwärtstrendkanals darstellt, die der Euro Anfang dieses Jahres zweimal vergeblich getestet hatte.
Bruch des Aufwärtstrends zu erwarten
Auf Grund der positiven Dynamik, die der Euro in den vergangenen Wochen entwickelt hat, ist ein Bruch dieses Abwärtstrends auf Sicht der nächsten Wochen - wahrscheinlich nach einer kurzen Korrekturphase bis in den Bereich um 1,29 $ - zu erwarten. Die technische Konsequenz hieraus wäre dann ein Anstieg auf 1,33 $ bis 1,34 $. Aus markttechnischer Sicht erscheint ein solcher Anstieg, wie immer häufiger zu hören ist, allerdings als sehr unwahrscheinlich. Dies liegt vor allem an der langfristig zyklisch stark überkauften Situation, die zudem von negativen Divergenzen überlagert wird.
Aus diesem Grunde, aber auch auf Grund des oben dargestellten ökonometrischen Modells, ist davon auszugehen, dass die europäische Gemeinschaftswährung sich nach Erreichen des Bereichs um 1,33 $ langfristig zwischen 1,15 $ bis 1,34 $ seitwärts bewegen wird und dementsprechend mittelfristig im Sinne eines "Mean-Reversal-Prozesses" in Richtung 1,25 $ abwertet .
Reza Darius Montasser ist Technischer Analyst und Leiter des Research beim Bankhaus Reuschel in München.
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