Chip-Industrie - Bunte Zukunft Mehr Aufträge, steigende Preise, schwarze Zahlen – ist die Krise überstanden? Neue Märkte geben Hoffnung Von FOCUS-MONEY-Redakteur Jens MasuhrDAS KÖNNTE SIE Bei Intel, AMD & Co. ballt man die Fäuste in den Taschen. Der schnellste Chip der Welt, so die Hiobsbotschaft für die Crème de la Crème der Halbleiterindustrie, kommt seit Kurzem aus deutschen Landen. Dank einer organischen Substanz in seinen Adern verarbeitet ein fingernagelgroßer Silizium-prozessor die Daten aus 2,6 Millionen Telefonanrufen viermal schneller als der bisherige Rekordhalter – ein Intel-Chip. Was den Wissenschaftlern in den Labors der Universität Karlsruhe gelang, bestätigt die Rolle Deutschlands als Innovationsstandort Nummer eins. „Diesen Vorsprung sollten wir nutzen“, mahnte Joachim Schneider, Präsident des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE), auf der Hannover Messe. Ob in der Fabrikautomation, in der Energie-, Elektro- und Medizintechnik – überall, so Schneider, sei deutsche Ingenieurskunst das Nonplusultra. In der Zukunft beschäftigt die Experten vor allem ein Thema: mehr Effizienz bei geringerem Verbrauch. Wachsender Bedarf. Das Herzstück aller elektronischen Errungenschaften liefert die Halbleiterindustrie – Prozessoren und Speicherchips, die Millionen von Daten beackern, um Produktionsabläufe günstiger oder Autos mit Hybridantrieben sparsamer zu machen. „Die Industrie stellt zunehmend auf neue Technologien um, um Kosten zu sparen“, erklärt Peter Wennink, Finanzvorstand bei ASML (siehe Kasten Seite 24). Die Niederländer versorgen die Platzhirsche der Chip-Industrie wie Intel mit Lithografiesystemen, die die elektronischen Schaltmuster auf die Halbleiter brennen. „Allein der Bedarf an Speicherplatz wächst jedes Jahr um 60 Prozent“, sagt Wennink. Nicht nur bei ASML, auch bei anderen Herstellern deutet sich an, worauf die Chip-Industrie schon lange wartet: Die schwerste Krise in der 50-jährigen Geschichte der Branche steht vor dem Ende. Der weltgrößte Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan holt bereits seine Mitarbeiter aus dem Zwangsurlaub zurück, um Orders aus China abzuarbeiten. Der Münchner Chip-Bauer Infineon meldet quer durch alle Segmente steigende Auftragseingänge. Die Kurzarbeit im Dresdner Werk wurde aufgehoben. Der japanische Speicherchip-Riese Elpida kündigt Preiserhöhungen von 50 Prozent an. Frank Huang, Chef des taiwanischen Halbleiterbauers Powerchip, prophezeit den PC-Bauern und anderen Elektronikherstellern ab Jahresmitte sogar einen Lieferengpass. „So etwas habe ich in den vergangenen 16 Jahren noch nicht erlebt“, sagt Huang. Zum Jahresende fehlen demnach zwei Milliarden Chips – der Speicherbedarf für 100 Millionen (!) Rechner. Wie aber passt das Stimmungsbild mit den Horrorprognosen der Marktbeo-bachter zusammen? Die US-Experten von iSuppli rechnen damit, dass der weltweite Umsatz 2009 um weitere 20 Prozent auf 205 Milliarden Dollar sinkt, ehe es 2010 mit der Branche wieder bergauf geht (siehe Grafik, rechts). Und selbst dann werde die Wachstumsrate aus dem Boomjahr 2006 erst 2015 wieder erreicht. „Offensichtlich wird es eine Erholung geben“, sagt Analyst Eric de Graaf vom Bankhaus Petercam. „Die Frage ist: Wird es dieses Jahr sein?“ Hannes Schwaderer, Chef von Intel Deutschland, legt sich fest. „Wir beobachten eine Rückkehr zur normalen Saisonalität“, sagt der Manager im FOCUS-MONEY-Interview (s. Seite 22). Soll heißen: Bislang führte der Lagerabbau der Kunden dazu, dass Ware verkauft wurde, bei Intel aber keine Bestellungen eintrafen. „Das versperrte uns lange Zeit den Blick dafür, wie hoch der Endkundenbedarf tatsächlich ist.“ Inzwischen sind laut Schwaderer die Bestände beim Kunden so niedrig, dass jede Order bei Intel auch tatsächlich den Bedarf am Markt widerspiegelt. Der Intel-Manager ist optimistisch. „Wir rechnen für 2009 durchaus mit Wachstum – wenn auch auf einem niedrigeren Niveau als im Vorjahr.“ Dafür verspricht die Zukunft umso mehr. „2015 werden weltweit 15 Milliarden Geräte über das Internet miteinander kommunizieren“, erklärt Schwaderer. Gemeint ist die Online-Überwachung und -Steuerung von Produktionsanlagen und Robotern in der Industrie. Dazu stehen laut Schwaderer immer mehr Geräte des täglichen Bedarfs mit dem Internet in Kontakt – beispielsweise der PC im Auto, der internettaugliche Fernseher oder onlinegesteuerte Rasenmäher und Kaffeemaschinen. „Der Hersteller erkennt beispielsweise, dass das Gerät nur unzureichend gereinigt wurde, und sperrt den Apparat für den Betrieb.“ „Durchbruch geschafft.“ Alles Zukunftsmusik oder baldige Realität? „Im Automobilbereich haben wir den Durchbruch bereits geschafft“, behauptet der Intel-Mann. 2011 rechnet Schwaderer damit, dass die Serienproduktion von Fahrzeugen mit integriertem PC beginnt. Dabei kann der Manager die Ästheten unter den Autoliebhabern beruhigen. „Die Geräte werden nicht aussehen wie ein PC."An der Börse ist die Zukunft bereits Gegenwart. Das Jahr 2009 haken die Anleger offensichtlich ab. Die Aktien von Chip-Herstellern wie Intel, Elpida, Infineon oder Texas Instruments (TI) jagen seit Jahresanfang nach oben und lassen den Gesamtmarkt um Längen hinter sich. Gute Nachrichten. Positive Überraschungen beschleunigen den Trend – so wie bei TI, Branchenführer bei analogen und integrierten Prozessoren für einfache Rechenaufgaben. Die Chips der Amis stecken in fast jedem elektronischen Gerät – vom TV über Waschmaschinen bis zur Medizintechnik. TI verblüffte die Experten mit einem Gewinn von 17 Millionen Dollar im ersten Quartal. Zwar fiel der Vorjahresgewinn von 662 Millionen Dollar noch ungleich höher aus. Der Markt aber erwartete tiefrote Zahlen – und bekam von Vorstandschef Rich Templeton den Treibsatz für künftige Kursraketen. „Die Nachfrage nach unseren Produkten hat begonnen, sich zu stabilisieren.“ INTEL – Gigantischer Markt
In Krisenzeiten kommen die Marktführer am besten weg. Beispiel: Intel. Der Branchenprimus hält den Anteil bei Prozessoren mit rund 82 Prozent konstant. Die Nachfrage nach den Minigehirnen zog wegen neuer Strom sparender Technologien zuletzt wieder an. Profitieren dürfte Intel vom Trend, Geräte künftig über das Internet zu steuern. Ob in Maschinenanlagen, im Gesundheitswesen oder im Auto – 2015 werden laut Intel weltweit 15 Milliarden Geräte über das Web miteinander kommunizieren. Die Hersteller der dafür nötigen PC-Plattform dürften zum überwiegenden Teil Intel-Chips verbauen. Nach den jüngsten Zahlen liegt Intel auf Kurs: Das Ergebnis je Aktie im ersten Quartal von 0,11 Dollar (Vorjahr: 0,25 Dollar) fiel höher aus als von Analysten erwartet. Bereits für die zweite Jahreshälfte rechnet der ChipKonzern wieder mit einer Umsatzmarge von 50 Prozent (!). ISIN:US4581401001 Umsatz 2009/10e:22,8/24,8 Mrd. Euro Gewinn je Aktie 2009/10e:0,40/0,64 KGV 2009/10:29,7/18,9 Marktkapitalisierung:67,7 Mrd. Euro TEXAS INSTRUMENTS – Neue Nachfrage
Die Verblüffung war groß, als Texas Instruments (TI) zum Jahresstart einen Gewinn von 17 Millionen Dollar vorlegte. Zwar verbuchte der größte Hersteller von Mobilfunkchips ein Jahr zuvor noch ein Plus von 662 Millionen Dollar. Beobachter rechneten jedoch mit tiefroten Zahlen. „Die Nachfrage nach unseren Produkten hat begonnen, sich zu stabilisieren“, begründete Konzernchef Rich Templeton das gute Ergebnis. TI-Chips stecken praktisch in jedem elektronischen Gerät – vom Fernseher über Waschmaschinen bis hin zur Medizintechnik. Laut Analysten profitiert TI von der Nachfrage aus Asien und dem beginnenden Lageraufbau bei den Kunden. Die Analysten von UBS prognostizieren darüber hinaus eine steigende Bruttomarge. Gründe sind sinkende Abschreibungen wegen geringerer Investitionen in der Zukunft und Kosteneinsparungen aus dem Restrukturierungsprogramm. ISIN:US8825081040 Umsatz 2009/10e:6,7/7,0 Mrd. Euro Gewinn je Aktie 2009/10e:0,44/0,69 Euro KGV 2009/10:31,7/20,0 Marktkapitalisierung:16,5 Mrd. Euro BAROMETER – Barometer steigt
ASML ist der größte Hersteller von Lithografiesystemen. Die Maschinen übertragen die elekt-ronischen Schaltmuster auf den Halbleiter, aus dem in späteren Schritten ein Mikrochip entsteht. ASML gilt als wichtiger Seismograph für den Zustand der Branche. Grund: Neben Weltmarktführer Intel beliefern die Niederländer das Who´s Who der Halbleiterindustrie – da-runter Samsung, Toshiba, Elpida sowie die US-Konzerne Micron, AMD und IBM. Laut Finanzvorstand Peter Wennink zieht die Nachfrage an. „Die Industrie stellt zunehmend auf neue Technologien um, um Kosten zu sparen.“ Kunden wie Samsung beginnen, ihre Lager aufzustocken. Auch die Konsolidierung unter den taiwanischen Chip-Herstellern ist Balsam für die Branche, weil sich der Preisdruck verringert. Die Analysten der UBS sprechen vom Beginn einer Normalisierung am Chip-Markt, der 2010/11 an Fahrt gewinne. ISIN:NL0006034001 Umsatz 2009/10e:1,29/2,34 Mrd. Euro Gewinn je Aktie 2009/10e:-0,58/0,44 Euro KGV 2009/10:-/35,8
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