Krugman: Hohe Chance für neue US-Rezession/US-Finanzsystem nicht saniert
New York (BoerseGo.de) - Der frühere Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman schätzt die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall der US-Wirtschaft in die Rezession in der zweiten Jahreshälfte im Zuge eines Verblassens der fiskalen und geldpolitischen Maßnahmen mit rund einem Drittel ein. "Die Möglichkeit für eine neue Rezession ist nicht gering, sondern liegt bei 30-40 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für eine Wachstumsverlangsamung, um die Arbeitslosigkeit wieder zum Steigen zu bringen ist mehr als ausgeglichen einzuschätzen". Zwar dürfte der im Gang befindliche Lagerbestandsaufbau das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal auf mehr als 4 Prozent beschleunigt haben, das Wachstum in 2010 habe jedoch nur Potenzial auf etwas mehr als 2 Prozent. Dabei bestehe das Risiko für einen erheblichen Abschwung gegen Jahresende. Er gehe weiters davon aus, dass die Arbeitslosigkeit zu Jahresende etwas höher als zu Beginn dies Jahres liegt.
Hinsichtlich der Hypothekenzinsen bestehe die Wahrscheinlichkeit für Anstiege. Die von der Notenbank geplante Beendigung des 1,25 Billionen Dollar schweren Programms zum Aufkauf von hypothekenbesicherten Papieren im März könne die Zinssätze nach oben bringen und Rückgänge bei den Hausverkäufen und Hauspreisen zur Folge haben. Irgendwelche Notenbank-Verkäufe von Hypothekenpapieren im Rahmen einer sogenannten Ausstiegsstrategie aus den stimulierenden Maßnahmen könnten bei den Hypothekenzinsen einen Anstieg um einen Prozentpunkt heraufbeschwören und die Konjunkturerholung erschweren. Die Verkäufe neuer Häuser seien noch immer ziemlich schwach und die Baubeginne hätten ein Niveau das vor einigen Jahren einem Scherz gleichgekommen wäre. Jedoch dürften die Baubeginne vor keinem Aufschwung sondern vor Schwankungen stehen. Es wäre angebracht, dass die Notenbank über weitere Aufkäufe eine Aufstockung ihrer 2 Billionen Dollar schweren Bilanz erwägt. Die eingeführten stimulierenden Maßnahmen seien bald im Verblassen und dürften um Jahresmitte in den negativen Bereich drehen. Der derzeitige Lagerbestandsaufbau steuere die Lage momentan in die richtige Richtung. Dieser Trend stehe aber genauso wie der Aufschwung im Lagerbestandsbereich vor einer Verdunkelung.
Krugman deponierte weiters seine gegenteilige Ansicht zum früheren Fed-Chef Alan Greenspan bezüglich der Auswirkungen der im Vorjahr stark gestiegenen Aktienkurse. Während Greenspan in den gestiegenen Aktien eine Unterstützung zu den stimulierenden Maßnahmen der Regierung sieht, geht Krugman von einer viel höheren Abhängigkeit des Konsums von den Hauswerten als von den Bewegungen im Aktienbereich ab. Daher seien die Bürger wegen der gesunkenen Hauswerte viel ärmer als es vor vier Jahren der Fall gewesen ist.
Auch die Industrienationen in Europa und Asien stünden vor dem Risiko eines Rückfalls in die Rezession. Die Gefahr eines sogenannten "double dip" gebe es überall in der entwickelten Welt. Überall gebe es vor dem Auslaufen befindliche Konjunkturprogramme.
Der US-Dollar dürfte gegenüber den Währungen der anderen Industrienationen etwas schwächer laufen. Eine Schwächung des Dollars bringe Positives für die USA, aber nicht gerade Positives für die Europäer und Japaner. Im übrigen schlummere reichlich Potenzial für Währungskrisen in Osteuropa.
Historische Finanzkrisen hätten eine sehr, sehr lange Dauer. In den USA habe sich das Bankensystem zwar stabilisiert, eine Rückkehr zur Normalität bleibe jedoch aus. Kleinunternehmen müssten sich in dem Land noch immer mit einer sehr angespannten Lage bei der Aufnahme von Krediten konfrontiert sehen. Dabei handle es sich um eine negative Entwicklung. "Wir verfügen über kein vollständig saniertes und funktionierendes Finanzsystem", führte Krugman am Vortag gemäß einem Bericht von Bloomberg am Rande einer Wirtschaftskonferenz in Atlanta in einem Interview weiter aus.
Krugmans Schätzung für das US-Wirtschaftswachstum in 2010 gestaltet sich pessimistischer als der von Bloomberg Anfang Dezember erhobene Konsens unter Volkswirten über einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 2,6 Prozent. Im Gesamtjahr 2009 ist die amerikanische Wirtschaft voraussichtlich um 2,5 Prozent geschrumpft.
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http://www.boerse-go.de, Autor: Huber Christoph, Redakteur)