Der neue Chef des Karstadt/Quelle-Konzerns Arcandor, Karl-Gerhard Eick, schlägt Alarm „Wir sind in einer schweren Lage“
Von MICHAEL BACKHAUS und CORDULA POSDORF, NIELS STARNICK BILD am SONNTAG
Karl-Gerhard Eick läuft die Zeit davon. Allein im Juni werden bei der Arcandor AG, dem Mutterkonzern von Karstadt, Quelle und Thomas Cook, Kredite in Höhe von 650 Millionen Euro fällig. Insgesamt hat ihm Thomas Middelhoff, sein Vorgänger auf dem Vorstandsposten, über 2,6 Milliarden Euro Schulden hinterlassen.
Eick gilt als Herr der Zahlen: Neun Jahre machte er als Finanzvorstand Höhen und Tiefen der Telekom mit durch. Er ist seit sieben Wochen im Amt, in seinen Händen liegt das Schicksal von 86 000 Mitarbeitern. Kann er Banken und Gläubiger nicht davon überzeugen, die Kredite zu verlängern und dazu noch neue zu geben, droht dem Unternehmen das Aus. Eick und sein Team arbeiten unter Hochdruck an dem Rettungsprogramm für Arcandor: Ostern fiel für sie aus, Nachtschichten bis vier Uhr früh sind keine Seltenheit.
Im BamS-Interview spricht Eick über seine Pläne und die Zukunft der 92 Karstadt-Filialen.
BILD am SONNTAG: Herr Eick, Hertie und Woolworth stehen vor der Pleite. Hat das Kaufhaus noch eine Zukunft in Deutschland?
KARL-GERHARD EICK: Davon bin ich überzeugt! Das belegen nicht zuletzt die bis zu zwei Millionen Kunden, die Tag für Tag in unsere 92 Warenhäuser kommen. Das bedeutet: Die Bevölkerung nimmt das Warenhaus an. Und unsere Umsätze sind derzeit erfreulicherweise fast auf Vorjahresniveau – und das in dieser Wirtschaftskrise.
BamS: Sie sind seit März im Amt und haben einen konsequenten Konsolidierungskurs angekündigt. Wie weit ist der gediehen?
EICK: Ich werde heute den Aufsichtsrat im Detail über unser Konsolidierungsprogramm unterrichten. Sobald es abgeschlossen ist, werden wir es der Öffentlichkeit vorlegen, denn wir haben keine Zeit zu verlieren. Mitte Juni müssen Kredite in Höhe von 650 Millionen Euro refinanziert werden. Wir müssen die Kernprobleme des Unternehmens angehen: die mangelnde Profitabilität und den negativen Cash-Flow. Zu Deutsch: Es kommt weniger Geld rein, als rausgeht. Das wird auf die Dauer weder von den Aktionären noch von den Banken toleriert. Ein „weiter so“ kann es deswegen nicht geben.
BamS: Wie will Arcandor da herauskommen?
EICK: Wir müssen uns einige sehr grundsätzliche Fragen stellen: Was ist unser Kerngeschäft und wo sind wir gut beziehungsweise wo sind wir weniger gut? Dort müssen wir ganz konsequent überlegen, ob man nicht eine andere Form findet oder ob man sich davon trennen muss. Auch im Einkauf schlummern noch Einsparpotenziale. BamS: Werden Sie sich von Unternehmensteilen trennen?
EICK: Karstadt, Primondo mit Quelle sowie Thomas Cook stehen als unsere langfristigen Kernsegmente nicht zur Disposition. Punkt. Aber gerade bei Quelle und Karstadt müssen wir prüfen, wo wir Geld verdienen und wo nicht. In Einzelfällen werden wir Standorte abgeben, zum Beispiel für eine Center-Entwicklung. Strategisch machen wir uns Gedanken darüber, welche Kunden wir mit welchem Sortiment ansprechen wollen. Und es geht um die richtige Betriebsgröße unserer Häuser. Unser Konzept zielt auf die profilierte Mitte der Gesellschaft. In dem Zusammenhang ist natürlich zu entscheiden, wie die Premiumhäuser in Berlin, Hamburg und München zur neuen Struktur passen.
BamS: Was kommt da auf die 52 000 Mitarbeiter von Karstadt und Quelle zu?
EICK: Unsere Mitarbeiter haben in der Vergangenheit Flexibilität bewiesen. Wir haben, unterstützt von Ver.di, einen Zukunftspakt geschnürt, mit dem die Mitarbeiter auf nicht unerhebliche Teile ihres Einkommens verzichten. Das sichert dem Unternehmen in den kommenden drei Jahren rund 345 Millionen Euro. Aber ich kann auch nicht ausschließen, dass wir Mitarbeiter verlieren werden – so wenig wie möglich.
BamS: Wird es ohne betriebsbedingte Kündigungen abgehen?
EICK: Bei der Telekom haben wir die Umstrukturierungen ohne betriebsbedingte Kündigungen geschafft. Das streben wir auch bei Arcandor an.
BamS: Im Sommer werden mehr als eine halbe Milliarde Euro Kredite fällig. Hinzu kommen laufende Verluste und Verbindlichkeiten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Droht Arcandor eine Schieflage?
EICK: Von Schieflage will ich nicht sprechen, aber wir sind zweifellos in einer schweren Lage. Es geht nicht nur um die bisherigen Kredite, wir brauchen auch zusätzliche Finanzmittel. Denn Umstrukturierung kostet Geld, mehr Geld, als wir haben.
BamS: Wo soll das herkommen?
EICK: Gute Frage! Ich habe nur eine Chance: Ich muss einen Konsolidierungsplan auf den Tisch legen, der klar, eindeutig und nachvollziehbar ist und der bei Investoren und Banken Vertrauen schafft. Gelingt das, finden wir auch die Basis für die Fortsetzung unserer bisherigen Finanzierung und für neue Finanzmittel. Daran werde nicht nur ich mich, sondern der gesamte Vorstand sich messen lassen müssen.
BamS: Setzen Sie auch auf Hilfen aus dem 100-Millarden-Konjunktur-Programm der Bundesregierung?
EICK: Natürlich sehen wir uns auch alle Möglichkeiten staatlicher Hilfen an. Und ich werde alles versuchen, um in den Genuss dieser Mittel zu kommen, sofern es notwendig werden sollte. Dabei ist mir vollkommen egal, ob ich dazu nach Düsseldorf, Berlin oder Brüssel muss. Denn wir werden alles tun, um die drei großen Traditionsmarken Karstadt, Quelle und Thomas Cook sowie die 86 000 Arbeitsplätze zu erhalten.
BamS: Kann Arcandor ohne staatliche Hilfen überleben?
EICK: Arcandor befindet sich in einer Dreifach-Krise: Wir haben Probleme aus der Vergangenheit – über die habe ich gesprochen –, wir haben die Wirtschaftskrise, die auf die Umsätze drückt, und wir haben die Finanzkrise, die die Begeisterung aller Kapitalgeber für zusätzliche Engagements dämpft. Deshalb wäre es fahrlässig, für unseren Konzern Unterstützung durch die öffentliche Hand von vorneweg auszuschließen.
BamS: Was ist, wenn Ihr Sanierungskonzept ein Flop wird?
EICK: Das sehe ich nicht. Aber dann gibt es klar vorgezeichnete Wege. Sinn-Leffers ist den Weg der Insolvenz erfolgreich gegangen. Aber das streben wir bei Gott nicht an.
http://www.bild.de/BILD/politik/wirtschaft/2009/...-im-interview.html ----------- Der Mensch ist mit nichts in der Welt zufrieden, ausgenommen mit seinem Verstande, je weniger er hat, desto zufriedener.
August von Kotzebue
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