Einzelhandelskrise Britische Woolworths kapituliert von Dirk Heilmann Die Handelskette Woolworths steht vor dem Aus. Sollte der Konzern wirklich vom Markt verschwinden, wie viele Analysten befürchten, dann hätte die Krise des britischen Einzelhandels ihr erstes prominentes Opfer. Weitere könnten folgen.
Woolworth-Werbung in London: Der Handelskonzern steht offenbar vor dem Aus. Foto: Reuters LONDON. Die Krise im britischen Einzelhandel hat ihr bisher prominentestes Opfer gefunden: Die Kaufhauskette Woolworths droht im hundertsten Jahr ihres Bestehens vom Markt zu verschwinden. Das Unternehmen bestätigte gestern, dass es seine 815 Filialen verkaufen und sich auf den Großhandel zurückziehen wolle. Analysten erwarten, dass ein Käufer die Kette abwickeln wird. Die Börse wertete die Nachricht als weiteres Zeichen für die Krise des britischen Einzelhandels. Aktien anderer Handelskonzerne verloren teils kräftig an Boden, vor allem der Elektronikhändler DSG International. Kaufhausketten wie Marks & Spencer und Debenhams begannen indessen ihre ersten Rabattaktionen, bevor das Weihnachtsgeschäft richtig angelaufen ist.
Als Käufer für die Woolworths-Häuser wurde in Zeitungsberichten der Restrukturierungsexperte Hilco UK genannt. Er wolle die Kette für den symbolischen Preis von einem Pfund übernehmen, hieß es. Hilco-UK-Chef Paul McGowan nannte die Berichte voreilig. Die Gespräche mit Woolworths seien in einem sehr frühen Stadium, sagte er. Strittig ist Zeitungsberichten zufolge, wie viele Schulden Hilco übernehmen müsste und ob der Investor helfen würde, die Pensionskasse von Woolworths aufzufüllen. Hilco hatte sich in Deutschland an der Warenhauskette Hertie beteiligt. Großinvestor war aber der inzwischen zusammengebrochene Finanzinvestor Dawnay Day. Hertie selbst steckt seit Juli im Insolvenzverfahren.
Er rechne damit, dass ein Käufer die Woolworths-Kette zerlegen werde, sagte Bryan Roberts von der Beratungsfirma Planet Retail. Viele Filialen seien zwar sanierungsbedürftig, aber doch für Discounter und Lebensmittelhändler attraktiv. Der Niedergang der Marke habe sich schon lange angekündigt. In keiner der Produktkategorien wie Süßwaren, Kleidung, Elektronik, Bücher und CDs sei Woolworths mehr der beste Anbieter.
Woolworths behielte nach dem Verkauf der Filialen den führenden Großhändler für Bücher, CDs und Computerspiele, EUK. Auch er leidet jedoch darunter, dass die Kreditversicherer Woolworths-Lieferanten die Unterstützung entzogen haben. EUK verlangt darum von seinen Kunden Vorkasse.
Der Umsatz der Gruppe ist im Halbjahr zum 2. August um drei Prozent auf 1,1 Mrd. Pfund (1,3 Mrd. Euro) gesunken. Der Nettoverlust stieg auf 79 Mio. Pfund. Das Unternehmen war Anfang August mit 295 Mio. Pfund verschuldet. Große Aktionäre sind mit je zehn Prozent ein iranischer Immobilienunternehmer und die isländische Baugur-Gruppe. Sie hatte im August noch 50 Mio. Pfund für die Woolworths-Filialen geboten, ist aber nun selber in Schieflage geraten. Der Konzern ist an der Börse nur noch 36 Mio. Pfund wert, nachdem die Aktie gestern um ein Drittel fiel.
Die britische Woolworths gehörte ursprünglich zum gleichnamigen amerikanischen Konzern, ist aber längst eine eigenständige Gesellschaft. Auch die deutsche Warenhauskette Woolworth GmbH & Co KG ist eigenständig und gehört seit 2007 den Finanzinvestoren Cerberus und Argyll Partners.
Woolworths plc wird nach Überzeugung von Analysten nicht das letzte prominente Opfer der Einzelhandelskrise bleiben. Der in langen Boomjahren erfolgsverwöhnte britische Handel stehe vor einer harschen Auslese, warnen sie. Roberts rechnet mit einer Pleitewelle im Januar, wenn sich Gewinner und Verlierer des Weihnachtsgeschäfts zeigen. Er glaubt allerdings, dass das Weihnachtsgeschäft trotz aller Unkenrufe ein bescheidenes Wachstum bringen werde.
Auch andere Einzelhandelstitel ließen kräftig Federn: Die Aktie des zweitgrößten europäischen Elektronikhändlers DSG International brach um fast 40 Prozent ein, nachdem die Citigroup-Analysten ihre Kursziele senkten. Elektronikhändler zählen derzeit in Großbritannien ebenso wie der Möbelhandel und Baumärkte zu den großen Verlierern.
Die Aktien der Kaufhauskette Debenhams fiel um zehn Prozent, und auch Marks & Spencer gaben um vier Prozent nach. Beide Unternehmen starten schon in diesen Tagen erste Rabattaktionen mit Preissenkungen von 20 Prozent und mehr für Textilien und manche Geschenkartikel. Ausmaß und Zeitpunkt der Preissenkungen zeigten deutlich, wie schwach das Geschäft bisher laufe, sagte Analyst Matthew McEachran von Singer Capital. Offenbar kurbelten die Kaufhäuser lieber jetzt den Umsatz an, als im Januar große Restbestände verramschen zu müssen.
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