Investoren trauen Lufthansa wieder mehr zu Lufthansa hat sich besser von der Krise erholt als viele Wettbewerber. Das zeigt sich auch im Aktienkurs. Doch nun warten einige Baustellen. Jens Koenen leitet das Büro Unternehmen & Märkte in Frankfurt. Jens Koenen 20.01.2022 - 12:43 Uhr Kommentieren Jetzt teilen 2020 konnte die Airline-Gruppe nur mit Hilfe des Staates gerettet werden, nun fassen die Investoren wieder Vertrauen in den Konzern. Quelle: dpa Ein Jet von Lufthansa hebt ab 2020 konnte die Airline-Gruppe nur mit Hilfe des Staates gerettet werden, nun fassen die Investoren wieder Vertrauen in den Konzern.
Frankfurt Wer sich in diesen Tagen die Aktien von Europas Fluggesellschaften anschaut, stellt Erstaunliches fest:
Obwohl die Omikron-Welle über den Kontinent rollt, konnten die Papiere aller Airlines seit Jahresbeginn zulegen – zum Teil sogar im zweistelligen Prozentbereich. Mit Lufthansa und der IAG (British Airways, Iberia) liegen zwei etablierte Anbieter in der Spitzengruppe. Dagegen schneidet die Aktie der Billig-Airline Ryanair – traditionell ein Liebling bei den Investoren – nur mäßig ab. Vor allem für Lufthansa ist das ein Erfolg. Es ist nicht einmal zwei Jahre her, da musste Europas größte Airline-Gruppe mit milliardenschwerer Staatshilfe vor dem Kollaps bewahrt werden. Die Coronapandemie hatte den Luftverkehr weltweit zum Erliegen gebracht. Niemand am Kapitalmarkt wäre damals bereit gewesen, der „Hansa“ auch nur einen Cent zur Verfügung zu stellen.
Die Lufthansa-Gruppe war mit den Marken Lufthansa, Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines und der Präsenz in vier europäischen Ländern besonders hart von den Folgen der Pandemie betroffen. Zwar musste auch der Wettbewerber IAG für einige seiner Flugbetriebe staatliche Unterstützung beantragen, brauchte aber in Summe weniger Finanzhilfe. Air France-KLM ist immer noch mit der Sanierung der Bilanz beschäftigt und bereitet nach Berichten französischer Medien eine neue Kapitalerhöhung vor.
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Dagegen zeigt der Aktienkurs der Lufthansa: Das Vertrauen der Investoren ist zurückgekehrt. Bisher ist es dem Management gelungen, sich überraschend schnell aus der schlimmsten Phase der Krise herauszuarbeiten. Kürzlich zahlte der Konzern sogar die Staatshilfen zurück.
Lufthansa könnte überproportional von der Erholung profitieren Nun lautet das Kalkül vieler Investoren: So sehr die Gruppe unter Corona gelitten hat, so kräftig könnte sie von der Erholung profitieren.
Auffällig ist zudem: Die Airlines der Lufthansa-Gruppe sind beim Ausbau des Angebots etwas behutsamer vorgegangen als mancher Wettbewerber. Das zahlt sich jetzt aus, da die Omikron-Welle rollt. Lufthansa muss die Kapazität weniger stark wieder zurückfahren als andere.
Nach jüngsten Daten der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol hat Lufthansa die Zahl der täglichen Flüge in den ersten zwei Wochen des neuen Jahres gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorkrisenjahr 2019 um rund neun Prozent reduziert. Zum Vergleich: Bei Ryanair beträgt das Minus satte 43 Prozent, bei Easyjet sogar 57 Prozent und bei Air France noch 19 Prozent.
Doch Erfolg ist bekanntlich flüchtig. „Lufthansa ist eine der Fluggesellschaften mit der besten Performance im bisherigen Jahr“, analysiert Alex Irving von Bernstein Research in einer aktuellen Studie. Dennoch stuft er die Aktien des deutschen Konzerns von „Outperform“ auf „Marketperfom“ herunter.
Vorerst glaubt der Branchenexperte nicht daran, dass Lufthansa die Rivalen weiter abhängen kann. Irving verweist neben dem latenten Risiko durch Omikron auf noch offenen Baustellen des Konzerns – etwa ungeklärte Tarifkonflikte und einen möglichen Einstieg bei der italienischen ITA.
Tatsächlich belastet der Konflikt mit den Piloten der Kernmarke Lufthansa die weiteren Aussichten. Das Management hat vor einigen Wochen eine Vereinbarung mit der Pilotenvertretung Vereinigung Cockpit (VC) gekündigt. In der hatte der Konzern zugesichert, in der Marke Lufthansa mindestens 325 Flugzeuge zu betreiben. Das gebe der Markt aber nicht mehr her, heißt es bei Lufthansa.
Nun sind die Beschäftigungszusagen für die 5000 Flugzeugführer bei der Marke Lufthansa in Gefahr, entsprechend groß ist dort die Unruhe. Die VC hat ihrerseits den Gehaltstarifvertrag zum 30. Juni 2022 gekündigt und wäre damit ab diesem Termin streikfähig.
Konzernchef Carsten Spohr will bei Lufthansa rechnerisch 1000 Vollzeitstellen einsparen. Das kann auch durch Teilzeitmodelle bei entsprechendem Gehaltsverzicht geschehen. Die VC wiederum verweist auf die zeitlich befristeten großen Einbußen des Cockpitpersonals während der Pandemie, lehnt es aber ab, diese dauerhaft festzuschreiben. Gelingt keine Einigung, drohen mitten im Sommergeschäft, auf das alle Airlines große Hoffnungen setzen, Arbeitskämpfe.
Eine zweite Baustelle ist die Wachstumsstrategie der Lufthansa-Gruppe. Konzernchef Spohr sieht das Unternehmen weiter als einen Treiber der Konsolidierung in der europäischen Luftfahrt. Aktuelle Gerüchte rund um ITA, die Nachfolgegesellschaft der dauerinsolventen italienischen Alitalia, könnten ein erstes Zeichen dafür sein, dass die langsam Fahrt aufnimmt. So haben italienische Medien vor wenigen Tagen berichtet, Lufthansa habe ITA angeboten, mit bis zu 40 Prozent bei der Airline einsteigen zu wollen.
Spekulationen über Einstieg bei der ITA verunsichern Investoren Ob es tatsächlich zu so einem „Deal“ kommen wird, ist offen. Zwar hat die Lufthansa-Spitze seit Jahren ein starkes Interesse am Markt in Italien. Auch hat der ITA-Chef kürzlich Lufthansa als idealen Partner bezeichnet. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass in italienischen Medien von weit fortgeschrittenen Verhandlungen berichtet wird, dann aber nichts passiert.
Fest steht: Investoren schauen mit einem gewissen Unbehagen auf einen Einstieg bei ITA. Einerseits ist der italienische Markt interessant. Lufthansa ist hier auch schon mit der Tochter Air Dolomiti präsent. Andererseits dürfte der italienische Staat weiter stark bei ITA mitreden. Auch haben die Gewerkschaften in Italien traditionell eine starke Position. Zudem ist der Wettbewerb groß, die Billiganbieter Ryanair und Easyjet haben sich in Italien in den zurückliegenden Jahren breitgemacht.
Bei Lufthansa will man sich zu den Spekulationen nicht äußern und verweist auf frühere Aussagen von Konzernchef Spohr, der wieder und wieder Interesse an einer kommerziellen Zusammenarbeit mit ITA geäußert hat. Führungskräfte verweisen zudem darauf, dass Lufthansa in Italien keinesfalls ein risikobehaftetes Investment eingehen werde – was immer das am Ende auch bedeutet.
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