Mittwoch, 25. Oktober 2006"Sehr problematisch" Kabinett beschließt Reform Nach monatelangem Streit in der großen Koalition will das Bundeskabinett heute den Gesetzentwurf für die Gesundheitsreform beschließen. Am Freitag wird die umstrittene Reform in erster Lesung im Bundestag beraten. Das Gesetz soll am 1. April 2007 in Kraft treten. Die Kritik gegen das Vorhaben in der Koalition hält derweil an. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Wodarg warf Mitgliedern der Unionsfraktion vor, Lobbyismus für die Private Krankenversicherung betrieben zu haben. "Einzelne Abgeordnete der CDU waren ganz gezielt darauf angesetzt, dem Versicherungsmarkt neue Felder zu erschließen. Da wurden teilweise Argumentationen der Privatversicherungen eins zu eins vorgelesen", sagte der Gesundheitspolitiker der "Thüringer Allgemeinen". Die Private Krankenversicherung habe "so eine gute Lobby, dass sie nichts zusetzen muss". Wodarg bezweifelte, dass die Gesundheitsreform im Bundestag von einer Mehrheit der SPD-Fraktion getragen werden wird. "Die Zustimmung wird noch weiter sinken." Am Montag hatten die Fraktionen intern über die Gesundheitsreform abgestimmt. Teilnehmer sprachen von rund 20 Nein-Stimmen bei der Union und weniger als 20 bis mehr als 40 bei der SPD. "SPD steht zur Reform" SPD-Chef Kurt Beck sagte der "Süddeutschen Zeitung", seine Partei stehe trotz kritischer Stimmen zuverlässig zur Gesundheitsreform. "Natürlich gibt es Skepsis an mancher Stelle. Aber die SPD ist nicht gespalten, sondern absolut verlässlich. " Wer sich den Reformen verweigere, "versündigt sich an der Zukunftsfähigkeit des Sozialstaates", so Beck. "Jetzt Schaden begrenzen" "Ohne wesentliche Veränderungen ist dieses Gesetz sehr problematisch ", sagte dagegen der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Frankfurter Rundschau". So sei der Gesundheitsfonds "für die Versicherten kein Gewinn, und er entlastet auch nicht die Arbeitgeber". In den parlamentarischen Beratungen müsse es "vor allem darum gehen, bei der Einführung des Fonds dessen Schaden zu begrenzen". Für Sachsens Gesundheitsministerin Helma Orosz (CDU) ist der Gesetzentwurf "nicht hinnehmbar". Sie sehe eine klare Benachteiligung für Sachsen und fordere "eine deutliche Nachbesserung", sagte sie der "Thüringer Allgemeinen". Sachsen befürchtet auf Grund des geplanten Schuldenabbaus der gesetzlichen Kassen steigende Beiträge und Standortnachteile für die Region. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat mit Hinweis auf Sachsen länderspezifische Sonderregelungen ausgeschlossen. "Auch große Kassen werden kollabieren" Der Chef der Barmer Ersatzkasse, Johannes Vöcking, erwartet als Folge der Reform eine Pleitewelle unter den Kassen. Der "Welt" sagte er: "Wir werden Massenwanderungen von Versicherten erleben. Für viele Kassen stellt sich dann schnell die Existenzfrage. Auch große Kassen werden kollabieren. (...) In zehn Jahren haben wir nur noch drei, vier Anbieter. Für die Versicherten ist das die schlechteste aller Lösungen." Ärzte drohen mit Populismus Am Dienstag hatten Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe und der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, vor drastisch rationierter Medizin. Auf einem Sonder-Ärztetag sagte Köhler: "Bleibt der Gesetzentwurf so, können und werden wir ihn nicht umsetzen." Der KBV-Chef kündigte Praxisschließungen und weitere "äußerst populistische Mittel" des Protests an.
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