HANDELSBLATT, Dienstag, 17. April 2007, 17:46 Uhr Überbrückungsfinanzierung fraglich
Schieder kämpft ums Überleben Von Ingo Reich und Christoph Schlautmann
Das Schicksal des von der Insolvenz bedrohten größten europäischen Möbelherstellers, der Herforder Schieder-Gruppe, ist nach Angaben von Arbeitnehmervertretern weiter offen. Unversehens geriet auch die Detmolder Filiale einer deutschen Großbank mit ins Kreuzfeuer um den Möbelbauer.
SCHIEDER-SCHWALENBERG. Eine Überbrückungsfinanzierung sei noch nicht in trockenen Tüchern, sagte ein Vertreter der IG Metall Detmold nach einer Betriebsversammlung. Ursprünglich sollte bereits am Montag eine Vereinbarung mit den Kreditgebern getroffen werden.
Rund 300 Beschäftigte protestierten vor einer Filiale der Deutschen Bank in Detmold, weil das Geldhaus die Finanzierung blockiere. Noch am Nachmittag sollten beim Amtsgericht Detmold Gläubiger, Management und Arbeitnehmervertreter zum Insolvenzantrag gehört werden. „Die Zeit ist knapp“, warnte der Vertreter der örtlichen IG Metall. Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte, das Geldhaus habe bereits am Montag „einen Vorschlag im Interesse der Gesellschaft“ gemacht. „Alles andere muss man abwarten“, fügte er hinzu. Bisher gibt es allerdings noch keine Entscheidung über die Einleitung eines offiziellen Insolvenzverfahrens mit der Einsetzung eines Insolvenzverwalters.
Nach Handelsblatt-Informationen aus den mit den Verhandlungen vertrauten Kreisen hatten fast alle Mitglieder des kreditgebenden Banken-Konsortiums unter Führung der Investmentbank Goldman Sachs bereits am Montag der Überbrückungsfinanzierung zugestimmt. Allein zwei kleinere Institute hätten ihr sich noch gesträubt. Ein Sprecher von Schieder wollte sich zu den Verhandlungen nicht äußern.
Wie aus dem Geschäftsbericht 2005 hervorgeht, der dem Handelsblatt vorliegt, litt das Unternehmen zuletzt unter den stark gestiegenen Einkaufspreisen. Obwohl der Umsatz um 3,5 Prozent auf 904 Mill. Euro sank, verringerte sich der Wareneinsatz, der über die Hälfte der Betriebskosten ausmacht, nur um zwei Prozent.
Gleichzeitige lasteten 312 Mill. Euro an Verbindlichkeiten auf dem Unternehmen. Mit Zinsbelastungen von 19 Mill. Euro waren die Finanzierungskosten dabei höher als der vergleichsweise geringe Jahresüberschuss von 12,5 Mill. Euro. Ein Firmensprecher räumte, die gegenwärtige Fremdfinanzierungsstruktur von Schieder sei zu komplex und zu teuer. Erst im Dezember vergangenen Jahres war der damalige Schieder-Chef und Finanzvorstand Samir Jajjawi zurückgetreten. Gleichzeitig war Firmengründer Rolf Demuth auf den Chefsessel zurückgekehrt.
Bei der Schieder-Gruppe in Herford stehen 11 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Davon nach Angaben der IG Metall mindestens 750 in Ostwestfalen. Nach der Verlagerung eines Hauptteils der Schieder-Produktion nach Polen, arbeiten dort mit 9000 Mitarbeitern die meisten Schieder-Beschäftigten. Die Produktion in den Werken in Schieder-Schwalenberg sowie in Steinheim mit 630 Beschäftigten ruht. Auch sollen Gelder zum Materialeinkauf eingefroren worden sein.
Das Unternehmen will sich bis zum offiziellen Abschluss der Verhandlungen nicht mehr öffentlich äußern. Dies kündigte ein Unternehmenssprecher gegenüber dem Handelsblatt an.
Firmengründer Demuth hatte das Unternehmen 1964 gegründet und sich immer wieder als Trendsetter erwiesen. Als erstes deutsches Unternehmen produzierte Schieder in Italien und Polen. Erst im Dezember vergangenen Jahres eröffnete Schieder eine neue Polstermöbelfabrik im chinesischen Changzhou.
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