LISSABON—Die Probleme bei Espírito Santo International haben die Märkte in den vergangenen Tagen kräftig durchgeschüttelt. Aber bereits 2012 gab es Anzeichen dafür, dass das portugiesische Konglomerat mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Das wirft die Frage auf, warum die Aufsicht nicht schon früher eingegriffen hat.
Im Dezember 2013 berichtete das Wall Street Journal, dass Espírito Santo International beim Verkauf eigener Schuldpapiere immer stärker auf die Kunden der Banco Espírito Santo zurückgegriffen hat,die zu dem Konglomerat gehört. Das deutete darauf hin, dass der Konzern zunehmend unter finanziellen Druck kam.
Im Mai teilte die Banco Espírito Santo mit, dass eine von der portugiesischen Zentralbank angeordnete Betriebsprüfung ergeben habe, dass sich das Konglomerat in einem „finanziell schwierigen Zustand" befinde. Zudem wurden „Unregelmäßigkeiten" in der Bilanz aufgedeckt. Seitdem nahm die Krise der Gruppe ihren Lauf. Espírito Santo International konnte kurzfristige Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen und der Aktienkurs der Bank-Tochter stürzte wegen der Probleme der Muttergesellschaft ab. Die größte Tochterfirma von Espírito Santo International, Rioforte, dürfte in den nächsten Tagen Insolvenz anmelden.
Aber die Studie eines Investment-Fonds, der zu einer Tochter von Espírito Santo International gehörte, warnte bereits im Jahr 2012 davor, dass das Konglomerat bei der Ausgabe von Schuldpapieren massiv auf eigene Tochtergesellschaften zurückgreife, einschließlich dieses Fonds und der Bank. In der Studie äußerte sich auch der Bilanzprüfer KPMG, datierend auf September 2012, und warnte, dass der 666 Millionen Euro schwere Fonds (Stand Juni 2012) rund 87 Prozent seines Geldes in Wertpapiere von Espírito-Santo-Einheiten investiert habe. Der Fonds wiederum wurde vor allem an Kunden der Banco Espírito Santo verkauft. Der Bilanzprüfer warnte zudem, dass die Schuldpapiere überwiegend kurzfristiger Natur seien und es keine Marktpreise dafür gebe. Der Wert des Investments sei deshalb auf Basis der Einschätzung des Emittenten ermittelt worden. Die gleiche Meinung schrieb KPMG auch in einen Bericht für das Gesamtjahr 2012.
Mehr als ein Jahr nach diesem Bericht erlegte die portugiesische Finanzaufsicht CMVM allen Fonds eine Maximalgrenze von 20 Prozent auf, mit der sie in Unternehmen investieren können, die mit ihren eigenen Eigentümern verbunden sind.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Fondsvermögen bereits auf 2,23 Milliarden Euro aufgeblasen, wovon 80 Prozent in Wertpapieren von Töchtern der Espírito Santo steckten. Investoren sagen, die Aufsicht hätte viel früher handeln müssen, um die Verbindungen zwischen dem Konglomerat und seinen Finanztöchtern zu kappen. Ein großer Anteilseigner der Banco Espírito Santo sagt, „die Aufsicht hat komplett versagt", als sie einem Konzern mit vielen Geschäften die Kontrolle über eine Bank durchgehen ließ. „Man kann einem Unternehmen mit anderen Geschäften nicht erlauben, so einen großen Anteil an einer Bank zu besitzen. Denn dadurch können Ressourcen von der Bank zu dem Unternehmen hin verschoben werden", fügt er hinzu.
Das Wall Street Journal fragte bereits im November bei der portugiesischen Notenbank an, ob Kunden der Banco Espírito Santo, die in den Fonds ES Liquidez investiert hatten, zu großen Risiken ausgesetzt seien, und ob ein Interessenkonflikt darin liege, dass eine Bank einen Fonds anbiete, der so stark in Wertpapieren der eigenen Muttergesellschaft investiert sei.
Ein Sprecher der Notenbank sagte damals, diese Probleme fielen nicht in die „Verantwortlichkeit der Banco de Portugal". Die Fragen sollten besser an die Finanzaufsicht gerichtet werden. Gleichwohl räumte er ein, dass die Notenbank die Verbindungen zwischen Banken und verbundenen Unternehmen stark beobachte, und dass es Regeln gebe, die die Kredite von Banken an diese Firmen begrenze. Die Zentralbank untersuchte auch die Kreditportfolios von Banken, um einen genaueren Einblick in deren Abhängigkeit von großen Konglomeraten zu bekommen. In einer weiteren Erklärung gegenüber dem Wall Street Journal gab die Aufsichtsbehörde CMVM nur an, sie habe der Bank die Beschränkungen auferlegt, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Eine Antwort darauf, warum die Beschränkungen nicht vorher gekommen waren, gaben die Regulierer nicht.
Die portugiesische Notenbank und die Aufsicht gaben am Donnerstag keinen Kommentar zur Sache ab. In einem Parlamentsausschuss sollen Vertreter beider Behörden erscheinen, um die Lage der Bank zu besprechen. Der Finanzminister des Landes wird am Donnerstag ebenfalls angehört werden.
Die portugiesische Regierung hatte sich zuvor von den Problemen um die Bank distanziert. Ministerpräsident Pedro Passos Coelho hat jede staatliche Unterstützung für das Geldhaus abgelehnt – und in dem Zuge kritisiert, dass die Bank sich auf Geschäfte mit Töchtern des wichtigsten Anteilseigners eingelassen hat: „Unternehmen, die mehr nach Freundschaft als nach Kompetenz gehen, zahlen den Preis dafür, aber dieser Preis sollte nicht von der Gesellschaft insgesamt und noch viel weniger von den Steuerzahlern bezahlt werden", sagte der Regierungschef.
Auch Portugals Gläubiger haben die Probleme offenbar nicht kommen gesehen: Der Internationale Währungsfonds, die Europäische Union und die Europäische Zentralbank haben Portugal im Rahmen eines dreijährigen Rettungsprogramms, das bis Mai lief, 78 Milliarden Euro geliehen. Eine Warnung vor Espírito Santo kam auch von ihnen nicht. Anleger würden sich im Zusammenhang mit dem Rettungsprogramm fragen, „warum das nicht früher erkannt und beseitigt wurde", sagt der Barclays -Volkswirt García Pascal. „Das Ereignis ruft bei den Investoren Ängste über andere latente Probleme im System hervor". Auch die Gläubiger Portugals wollten den Fall nicht kommentieren – laut Insidern fällt die Banco Espírito Santo allerdings in den Verantwortungsbereich der Notenbank.
Die Analysten haben noch weitere Fragen – und zwar dazu, wie die Aufsicht auf das Problem reagiert hat, seit es aufgetaucht ist. So hat die portugiesische Notenbank die Holding Espírito Santo Financial Group, die 20 Prozent der Anteile der Bank hält, angewiesen, 700 Millionen Euro zur Seite zu legen. Damit sollten mögliche Verluste ausgeglichen werden, die Privatkunden sich durch Anleihen der Bank einhandelten. Die Bank hat allerdings kürzlich erklärt, dass die Kunden tatsächlich Anleihen im Wert von 853 Millionen Euro halten.
Außerdem beinhaltet der Anteil der Banco Espírito Santo an den Schulden der Holding Espírito Santo International 1,2 Milliarden Euro an Krediten und 2 Milliarden Euro an Schuldscheinen, die an institutionelle Anleger verkauft worden sind. Die Bank hat nach eigenen Aussagen einen Kapitalpuffer von 2,1 Milliarden Euro, um mögliche Ausfälle auszugleichen.
Vertreter der Investoren sehen die Schuld bei den Aufsichtsbehörden: „Viele internationale Anleger haben in den vergangenen Monaten Kredite und Schuldscheine der Gruppe gekauft, weil sie zu der Ansicht gelangt waren, dass die Aufsicht die Risiken sachgerecht abgeschätzt hat und dass Rückstellungen von 700 Millionen Euro nötig sind", sagt etwa Ciaran Callaghan, Analystin bei Merrion Stockbrokers. „Jetzt in einem Szenario zu sein, in dem die wichtigste Sparte der Holding Bankrott anmeldet, weniger als sechs Monate nach dem Eingriff der portugiesischen Notenbank, lässt erhebliche Zweifel an der Qualität der Aufsicht aufkommen."
Quelle:WSJ ----------- Carpe diem
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