HIK
Blue Chips im Depot, am besten solche, die alle antizyklischen Kriterien erfüllen, machen auf lange Sicht viel Freude. Darin, keine Frage, sollte jeder voraus schauende Anleger den Schwerpunkt seiner Investments sehen. Für manche Investoren, oder nennen wir sie lieber Spekulanten, gehören riskante Beimischungen aber genauso dazu – wie das Salz in die Suppe eben. An der Börse bieten sich gerade den risikofreudigen Zeitgenossen immer wieder unglaubliche Chancen. Leider bemerkt man meist erst im Nachhinein, was alles möglich gewesen wäre. "Ach, hätte ich doch..." Was aus dem nun folgenden Unternehmen einmal werden kann, ist zum heutigen Zeitpunkt noch völlig unklar, wie praktisch immer bei extrem spekulativen Chancen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass man wehmütigen Blickes ein solches "Aha-Erlebnis" haben wird, wenn man in zwei, drei oder fünf Jahren auf die Kursentwicklung blickt. Doch der Reihe nach.
Wer sich in den spekulativen Segmenten der Börse bewegt, dem ist vor einigen Jahren, konkret auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie im Frühjahr 2000, der Name Hikari Tsushin sicherlich schon einmal untergekommen. Der japanische Betreiber von Läden für Mobiltelefone galt während der Goldgräberstimmung des Internets ähnlich wie Softbank oder Yahoo als einer DER Überflieger schlechthin. Mehrere tausend Prozent Kursgewinn konnten Spekulanten einfahren, die sich im Vorfeld der Euphorie mit dem Papier eingedeckt hatten.
Smarte Japaner
Wie es nach dem Platzen der Blase weiterging ist nicht schwer zu erraten: Das Geschäftsmodell erwies sich, wenn schon nicht als totale Luftnummer, so doch als ziemlich risikoreich. Selbstverständlich war auch der Betrieb der smarten Japaner im Frühjahr 2000 heillos überbewertet. Hinzu kamen rechtliche Probleme. Die Unbescholtenheit des Firmenlenkers Yasumitsu Shigeta wurde in Frage gestellt. Kurz: Nachdem die "Großen" abkassiert hatten, wurden eiligst Erklärungen verbreitet, warum man Aktien von Hikari Tsushin auf gar keinen Fall in seinem Depot haben sollte. Das Ende vom Lied war ein Kurseinbruch von ungefähr 99 Prozent. Genaue Zahlen spielen bei einem Verlust in dieser Größenordnung eine eher untergeordnete Rolle.
Dabei hatte alles so schön angefangen. In Zeiten der Aufbruchstimmung hatten die Japaner hochfliegende Pläne. Das scheinbar so einträgliche Geschäft mit den Handy-Läden wollte man auf dem gesamten asiatischen Kontinent vorantreiben. Vor allem den Mega-Markt China hatte Firmenboss Shigeta im Auge. Und um sich den Zugang ins Reich der Mitte zu sichern, wurden Beteiligungen an verschiedenen in Hong Kong gelisteten Firmen getätigt. Eine davon war der damalige Batterien-Hersteller Golden Power. Das an sich unspektakuläre Unternehmen sollte mit Hilfe des prominenten Namens in neuem Glanz erstrahlen und für Hikari Tsushin Japan das Standbein für alle Aktivitäten im Riesenreich bilden. Aus Golden Power wurde Hikari Tsushin International (WKN 915538).
Falsche Fährte?
Doch für eine Erweiterung des Geschäftsmodells war es längst zu spät. Das Projekt war zum Scheitern verurteilt. Ende letzten Jahres wurde die 51-Prozent-Beteiligung an die in Hong Kong ansässige Investmentgesellschaft Noble Island verkauft. Der Verkaufspreis lag mit 4,5 HK-Cents pro Aktie um satte 66 Prozent unter dem letzten Kurs der Hikari-Tochter von 13,3 HK-Cent. Durch den Verkauf musste Hikari Japan einen außerordentlichen Verlust von 6,1 Milliarden Yen verbuchen. Ob damit eine falsche Fährte gelegt werden sollte? Womöglich war Noble Island nur am Börsenmantel interessiert. Wer weiß...
Die zunächst wieder zum Aschenputtel abgestempelten Mitarbeiter von Hikari Tsushin International mussten sich nicht lange mit der bekannten Rolle zufrieden geben. Die jüngsten Nachrichten lassen manches Spekulantenherz höher schlagen und könnten darauf hindeuten, dass dem Unternehmen womöglich doch noch eine spektakuläre Zukunft blüht: Zusammen mit zwei strategischen Partnern, die klingenden Namen sind Alta Financial Holdings Limited und Zhongda Industrial Group, sollen Errichtung und Wartung eines Netzes von Erdgasleitungen voran getrieben werden. Und zwar nicht irgendwo. Ort der Anstrengungen ist das chinesische Riesenreich. Erst vor wenigen Tagen wurde bei Hikari Tsushin International zu diesem Zweck eine Kapitalerhöhung in Höhe von 250 Millionen HK-Dollar durchgeführt. Mit 37 Prozent wird die Mehrheit an dem Projekt beim staatlichen "China Gas Bureau" liegen. Laut Unternehmensmitteilung handelt es sich dabei um einen der größten staatlichen Betriebe der Volksrepublik China. Erdgas hat bei der Energieversorgung im Reich der Mitte bislang einen Anteil von nicht einmal drei Prozent. In den kommenden Jahren soll die Quote sukzessive ausgebaut werden. Wobei es bei Hikari Tsushin International ausschließlich um den Bau und die Verlegung der Gasleitungen gehen wird. Die Förderung von Erdgas ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Dennoch sind die möglichen Wachstumsraten gigantisch.
Neubewertung
Angesichts der jüngsten Entwicklung ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt so unmöglich wie sinnlos, Geschäftszahlen zu nennen. Dass Hikari Tsushin International beispielsweise im Sechs-Monats-Zeitraum zum 31. Januar 2002 einen Verlust von 4,08 HK-Cent je Aktie ausweisen musste, nach einem Gewinn von 28 HK-Cent im Vorjahr, hat angesichts der aktuellen Ereignisse so gut wie keine Aussagekraft. Zwar will das Unternehmen die bisherigen Geschäftsfelder, Investitionen in Internet-Unternehmen, den Ausbau von Mobilfunk-Läden in China sowie die Herstellung von Batterien vorerst weiter betreiben. Die kürzlich bekannt gegebene neue Firmenbezeichnung lässt jedoch bereits erahnen, wohin die Reise gehen wird. In Zukunft wird das Unternehmen unter dem Namen "China City Natural Gas Holdings Limited" firmieren. Der Titel steht damit vor ganz neuen Aufgaben. Eine völlige Neubewertung wird damit einher gehen. Wie diese aussehen wird, kann nur die Zukunft zeigen.
Sehr verdächtig
Das Verhalten des Handelsvolumens an der Börse in Hong Kong jedenfalls ist höchst verdächtig: Während die täglichen Umsätze bei den meisten früheren Internet-Highflyern Asiens nahezu ausgetrocknet sind, befindet sich Hikari Tsushin an der Heimatbörse seit einigen Wochen in illustrer Gesellschaft. Mit so renommierten Titeln wie HSBC Holdings, China Mobile, Hutchison Whampoa oder Cheung Kong liefert sich der Wert Tag für Tag ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Position des Umsatz-Spitzenreiters. Und zwar interessanterweise nicht nur bei der Zahl der gehandelten Aktien. Hier ist Hikari Tsushin wegen des niedrigen Aktienkurses ohnehin kaum zu übertreffen. Das bisherige Spitzenergebnis lag hier am 25. April bei 1,8 Milliarden (!)Papieren. Doch auch der Wert der gehandelten Anteilsscheine macht einem Börsenschwergewicht alle Ehre - zumindest für chinesische Verhältnisse. Die am heutigen Freitag umgesetzten 1,357 Milliarden gehandelten Anteilsscheine zum Kurs von 0,212 HK-Dollar repräsentieren einen Betrag von fast 32 Millionen US-Dollar. Beim Blick auf den Fünf-Jahres-Chart (im Forum unter "Antizyklische Perlen") fällt weiterhin auf, dass die Umsätze auch die sicherlich nicht geringen Handelsvolumina während des Internet-Hypes vor zwei Jahren bei weitem übertreffen. Das ist zumindest erstaunlich.
Fazit:
Anleger, die sehr mutig sind, könnten bei Hikari Tsushin International (WKN 915538; demnächst China City Natural Gas Holdings Limited) auf eine völlige Neubewertung spekulieren. Sollte das anvisierte Projekt, unter staatlicher Leitung ein Netz von Erdgasleitungen in China zu errichten, wie vorgesehen vorankommen, sind hier exorbitante Kursgewinne möglich. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass der Titel in die allerhöchste Risikoklasse gehört!! Noch ist so gut wie nichts passiert, das neue Unternehmen befindet sich erst im Frühstadium seiner Entstehung. Angesichts der dramatischen Ereignisse dürfte es auch wenig Sinn machen, mit einem festen Stopp-Loss zu arbeiten. Besser ist es, man richtet sich einen mentalen Stopp-Kurs ein, bei dessen Unterschreitung das Engagement konsequent glatt gestellt wird. Eine Hausnummer ist hier schwer zu nennen. In jedem Fall muss man den Kapitaleinsatz streng begrenzen!! Und ein Totalverlust sollte fest einkalkuliert werden. Wer sich dennoch zu einem Kauf durchringt, der sollte nicht mehr allzu lange zögern. Im Moment durchbricht der Titel unter extrem hohen Umsätzen sämtliche charttechnischen Hürden - und zwar mit frappierender Leichtigkeit.
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