Investorenbrief der VERUS Capital vom 07.10.22 über Cegedim:
Cegedim hat Halbjahreszahlen veröffentlicht, die den Markt (in dieser Stimmung) enttäuscht haben. Dabei waren diese bei genauerer Betrachtung gar nicht soo schlecht. Ja, der Bereich Software & Services (54% von Cegedim) hat schlechte Zahlen gemeldet (nur 3,8% Wachstum und 7,6 Mio. negatives wiederkehrendes operative Ergebnis). Jetzt ist das aber genau der Bereich, an dessen Herzstück (Cegedim Santé mit der Maiia-Plattform) sich vor ein paar Monaten strategische Investoren (Sozialversicherungen) beteiligt haben - und diese haben für 18% des Geschäftes 65 Mio. Euro bezahlt. Der Grund für das schlechte Ergebnis liegt daran, dass in diesem Bereich massiv investiert wird - vor allem in Sales- und Development-Teams. Das ist verständlich, jetzt wird der Markt verteilt und gilt es eine gute Ausgangsposition zu schaffen. Die strategischen Investoren sind bereit den Weg mitzugehen und haben dem Geschäft einen hohen Wert beigemessen. Der jetzt noch von Cegedim gehaltene Anteil von 82% entspricht einem Wert von 21 Euro je Cegedim-Aktie. Cegedim notiert bei 14 Euro - d.h. der Aktienmarkt ist im Moment in keiner Weise bereit solche Wachstumsinitiativen zu honorieren. Und Cegedim besteht ja nicht nur aus Santé. Die nicht im Bereich Software und Services angesiedelten 45% des Umsatzes verteilen sich auf Flow (Digitalisierung des Einkaufs-, Zahlungs- und Abwicklungsprozesses vor allem in Apotheken), Data&Marketing (Realtime Daten/Cloud und Marketing in Apotheken) und BPO (Outgesourcte Abwicklung insbesondere von Krankenversicherungsfällen). Zusammengenommen haben diese drei Bereiche im 1. HJ ein Wachstum von 9,4% und ein positives operatives Ergebnis von 13,4 Mio. erwirtschaftet. Und dabei ist insbesondere der BPO-Bereich ebenfalls von Lohninflation betroffen, die nur zeitverzögert an die Kunden weitergegeben werden kann. Aus den Zahlen wird ganz klar, dass Cegedim massiv unterbewertet ist. Selbst wenn man auf die Bewertung von Santé einen 25% Abschlag aufgrund der Marktsituation anwendet (d.h. 220 Mio.) und für den Rest nur ein EBIT-Multiple bezogen auf das 1. HJ von 8 annimmt (210 Mio.) liegt der so ermittelte Wert (430 Mio.) weit über dem derzeitigen Enterprise Value von 340 Mio. (190 Mio. MK und 155 Mio.). Die Analysten gehen für das Jahr 2024 von einem Ergebnis je Aktie von 1,71 aus - das PE-Multiple liegt damit für 2024 bei 8. Und das für ein Geschäft, das wächst und in einem relativ konjunkturresistenten und energieunabhängigen Geschäftsbereich agiert (Gesundheit, Versicherung). Trotz temporärem Gegenwind gibt es hier damit kein strukturelles Problem. Ist die Aktie deshalb ein klarer Kauf? Ich werde nicht zukaufen, weil ich von der Corporate Governance nicht überzeugt bin. Wenn man sich im Markt umhört, dann wird Herr Lebrun Jr. alles andere als eine ideale Besetzung für die CEO-Position eingeschätzt. So positiv grundsätzlich familiengeführte Unternehmen sind. Wenn einmal eine Generation an den Schalthebeln sitzt, die nicht aufgrund der Fähigkeiten, sondern (nur) aufgrund der Geburt dorthin kommen, dann ist das langfristig für ein Unternehmen leider negativ.
|