Tatsächlich nahmen die Lieferungen nach China, in die Türkei und vor allem nach Indien in genau dem Maß zu, in dem die europäischen Lieferungen zurückgingen. Bemerkenswert bei diesen Zahlen ist, dass das Wegbrechen der europäischen Märkte keinesfalls ganz Europa betrifft. So nahmen beispielsweise die russischen Seelieferungen von Rohöl nach Bulgarien und Italien seit dem Frühjahr signifikant zu, während die Lieferungen in die Niederlande nur leicht zurückgingen. Rotterdam ist der wohl wichtigste Ölumschlagshafen in der EU und die niederländische Regierung nutzt sämtliche legalen Schlupflöcher, die die EU-Sanktionen bieten. So hat man in Den Haag – Stand Ende Oktober – ganze 91 Ausnahmen von den Sanktionen bewilligt, die eigentlich sämtliche Unternehmen betreffen, die nennenswerte Geschäfte mit Russland machen. So ist es laut EU-Sanktionen beispielsweise seit April Schiffen unter russischer Flagge eigentlich verboten, EU-Häfen anzulaufen. Die Niederlande haben jedoch 34 russischen Schiffen eine Sondergenehmigung erteilt. 25 niederländische Unternehmen und Organisationen dürfen offiziell Energie von ehemaligen Gazprom-Unternehmen beziehen. Es ist anzunehmen, dass diese Sonderregelungen auch in Kraft bleiben oder neue Sonderregelungen gewährt werden, wenn die nächste Sanktionsrunde in Kraft tritt. Die Niederlande haben sich dabei sogar zum Hub für russische Ölexporte nach Großbritannien entwickelt. Dazu muss man wissen, dass es den Zoll- und Statistikbehörden in Europa nahezu unmöglich ist, die genaue Herkunft von Öl überhaupt festzustellen, wie die britische Times in den letzten Tagen berichtete. Slick use of loophole keeps Russian oil flowing into Britain https://web.archive.org/web/20221120102747/https:/...ng-in-798j805mp? Vollends unmöglich wird die genaue Zuweisung spätestens dann, wenn Öle verschiedener Herkunft gemischt werden. Hinzu kommt, dass mehr und mehr Öl auf hoher See von einem Tanker auf den anderen gepumpt wird, was die genaue Herkunftsbestimmung ebenfalls erschwert. https://www.rnd.de/politik/...chiffen-MCWD2XYALRDJLCFLEK66Z57I7I.html Branchenkreisen zufolge haben in den letzten sechs Monaten viele Öltanker ihren Besitzer gewechselt. Die Seeschifffahrt gehört dabei zu den Branchen, die wie sonst wohl nur die Finanzwirtschaft und das Organisierte Verbrechen geübt ist, Besitzverhältnisse über ein Netz von Zweckgesellschaften, Fonds und Stiftungen in Steueroasen zu verschleiern. Schon vor den Sanktionen gegen Russland gab es eine „Schattenflotte“ von rund 240 Schiffen, die bereits die Ölhandels-Sanktionen gegen Iran und Venezuela unterlaufen haben. Vor allem die EU hat diesem Treiben jahrzehntelang weitestgehend tatenlos zugeschaut Die Idee der Ölpreisbremse stammt von transatlantischen EU-Politikern, die wieder mal über das Ziel hinausgeschossen sind. Ursprünglich wollte man zusammen mit den USA und den anderen westlichen Partnern tatsächlich harte Sanktionen implementieren, mit denen man die russischen Ölexporte weltweit zum Erliegen bringt. Das wäre freilich nur möglich, wenn man die Kunden russischen Öls auch weltweit hart sanktioniert. Mit anderen Worten: Man müsste einen Handelskrieg mit China und Indien vom Zaun brechen. Dieser kühne Plan traf jedoch erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe. Gescheitert ist er letzten Endes jedoch aus einem ganz anderen Grund: Würden diese Sanktionen Erfolg haben, würde das globale Angebot an Öl nicht mehr die Nachfrage befriedigen können und die Ölpreise würden weltweit durch die Decke gehen. Das ist jedoch das absolute Albtraumszenario für US-Präsident Biden, der bereits wegen der hohen Energiepreise in den USA um seine Wiederwahl fürchten muss. Angedacht ist zurzeit eine Preisgrenze von 65 bis 70 US-Dollar. Nur wenn der Verkaufspreis unterhalb dieser Grenze liegt, dürfen die Reeder, Schiffsversicherer, Rohstoffhändler und sonstige Beteiligte aktiv werden. Liegt der Verkaufspreis oberhalb dieser Grenze, liegt ein Verstoß gegen die Sanktionen des Westens vor. Und das gilt wohlgemerkt nicht nur für westliche Unternehmen, sondern global. https://finanzmarktwelt.de/...el-kostet-derzeit-nur-52-dollar-254035/ "Aktuell sehen wir einen Spread von gut 18 Dollar, also einen russischen Verkaufspreis, der 18 Dollar unter dieser angepeilten Grenze von 70 Dollar liegt. Bloomberg berichtet aktuell wie folgt: Wenn die Diplomaten der Europäischen Union über eine Preisobergrenze für russisches Öl feilschen, sollte man sich vor Augen halten, dass das Niveau, über das sie diskutieren, mit ziemlicher Sicherheit über dem Preis liegen wird, zu dem die Flaggschiff-Ölsorte Russlands derzeit gehandelt wird....Den Daten des Unternehmens zufolge fiel der Preis für Urals am Donnerstag an zwei der wichtigsten westlichen Exportterminals des Landes auf rund 52 Dollar pro Barrel." Wenn also eine indische Raffinerie über einen Tanker, der aus Singapur verwaltet und über einen Finanzdienstleister aus Dubai versichert ist, russisches Öl oberhalb der Preisgrenze einkauft, müsste die EU gegen Unternehmen aus Indien, Singapur und Dubai Sanktionen verhängen. Das klingt sehr unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher wird das Ganze dadurch, dass die EU überhaupt nicht über die nötigen Informationen verfügt. Warum sollte der indische Käufer einer EU-Behörde den korrekten Preis nennen? Dieses Instrument könnte – zumindest in der Theorie – nur dann funktionieren, wenn sämtliche Reeder, Zwischenhändler, Finanzinstitute, Versicherer, Agenten, Makler und Ölkunden weltweit aktiv mit der EU und den G7 zusammenarbeiten. Das werden sie aber nicht tun. Warum sollten sie auch?
|