STREIT UM KRIPPENPLÄTZE Lehmann kanzelt Bischof Mixa ab
Kardinal Lehmann hat seinen Augsburger Amtsbruder Mixa in die Schranken gewiesen. Die katholischen Bischöfe pochen auf Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung. Auch die evangelische Bischöfin Käßmann knöpfte sich Mixa vor.
Berlin - Trotz heftiger Kritik von Bischof Walter Mixa am Krippen-Ausbau steht die katholische Kirche mehrheitlich hinter den politischen Plänen für mehr Kinderbetreuung. "Die Differenzen sind nicht so groß", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) vor Beginn der Frühjahrs-Vollversammlung des Führungsgremiums. Die Kritik des Augsburger Bischofs Walter Mixa an den Plänen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nannte er "eine Stimme unter den 27 (Diözesen)." Lehmann sagte weiter: "Ich habe keine Sorge, dass wir zu einem vernünftigen Konsens kommen."
Lehmann: "Vernünftiger Konsens" Großbildansicht REUTERS
Lehmann: "Vernünftiger Konsens" Lehmann erneuerte damit seine Kritik an Mixa vom Wochenende, als er sich bereits klar für einen Ausbau der Betreuungsplätze für Kleinkinder ausgesprochen hatte. Mixa hatte die Ausbaupläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wiederholt scharf kritisiert. Am Osterwochenende hatte Mixa seine Kritik an von der Leyen verschärft. Er warf der CDU-Politikerin vor, veraltete feministische Forderungen zu bedienen, wenn sie die Berufstätigkeit von Müttern forciere.
Bereits vor der Tagung der Bischöfe im Kloster Reute hatte sich abgezeichnet, dass die Oberhirten für eine finanzielle Gleichstellung derjenigen plädieren würden, die ihre Kinder nicht in eine Krippe bringen wollen.
"Eltern müssen in die Lage versetzt werden, dass sie selbst entscheiden können und auch unter finanziell gleichen Gesichtspunkten, wie sie ihre Kinder erziehen können", sagte der Hamburger Erzbischof Werner Thissen im ZDF. Die Bischöfe seien für die Wahlmöglichkeit unter "gleichen finanziellen Bedingungen", sagte Thissen weiter. "Da sind wir hellwach, dass da keine Manipulationen vorkommen."
Die 71 Mitglieder der Frühjahrsversammlung der katholischen Bischöfe in Deutschland tagen in Kloster Reute im oberschwäbischen Bad Waldsee bis kommenden Freitag. Weitere Themen sind die Rentenreform, aktuelle Entwicklungen in den digitalen Medien sowie die pastorale Neuordnung in den Diözesen. Auskunft über ihre Beratungen wollen die Bischöfe nach Angaben der Pressestelle erst am Ende der Tagung geben.
Die Bischöfin der evangelischen Landeskirche Hannover, Margot Käßmann, wandte sich unterdessen entschieden gegen die Kritik Mixas an den Ausbauplänen für Kinderkrippen. "Bei dieser Debatte geht es doch ganz offensichtlich gar nicht mehr um das Wohl der Kinder, sondern um das Festhalten alter Rollenbilder", sagte Käßmann dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Wer wie Mixa vor einer "Wiederkehr der DDR-Verhältnisse" warne, "hat keine Vorstellung von der Realität von Müttern in Deutschland heute und beleidigt die Erzieherinnen in unseren Einrichtungen, die Hervorragendes leisten", so Käßmann. Sie sei "schlicht sprachlos, wer nun alles zum Erziehungsexperten wird", sagte die Bischöfin. Die hannoversche Landeskirche - mit 3,1 Millionen Mitgliedern die größte in der EKD - plant nach Käßmanns Worten, ihre derzeit 750 Krippenplätze bis Mitte nächsten Jahres zu verdoppeln.
Die Bischöfin verwies auf die Erkenntnisse der Elementarpädagogik, die sich in den vergangenen Jahren entscheidend entwickelt habe: Die Frühförderung des Lern- und Sozialverhaltens von Kleinkindern müsse demnach deutlich eher beginnen, als in Deutschland bisher praktiziert. "Das wird von Kritikern wie Bischof Mixa ebenso ignoriert wie die notorische Vernachlässigung von Kindern in vielen - vor allem sozial schwachen - Familien."
Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), unterstützte die Forderung der Bischöfe nach Wahlfreiheit. Eltern müssten in die Lage versetzt werden, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen wollten, erklärte Singhammer. Wahlfreiheit bedeute in diesem Zusammenhang auch, dass die Entscheidung unter finanziell gleichen Gesichtspunkten getroffen werden könne. Wenn der qualitative und quantitative Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige vorangebracht werde, müsse parallel dazu eine Lösung für die Eltern entwickelt werden, die ihre Kinder selbst betreuen wollten.
Auch die Vorsitzende der Frauengruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ursula Heinen, unterstützte die Entscheidung der katholischen Bischöfe. "Nicht das Ob, sondern das Wie der Kinderbetreuung steht bei den Bischöfen im Mittelpunkt - das halte ich für ein ungemein wichtiges, positives Signal", erklärte die CDU-Politikerin am Dienstag gegenüber SPIEGEL ONLINE.
asc/AFP/AP/Reuters/ddp/dpa
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