200.000 Menschen ermordet Geistig und körperlich Behinderte, unheilbar Kranke und arbeitsunfähige Zwangsarbeiter fielen der NS-"Euthanasie" zum Opfer.Im Sommer 1941 haben die Nazis ein grausames Verbrechen auf Millimeterpapier dokumentiert. Die Hartheim-Statistik zeigt, welche Einsparungen sich an Lebensmitteln erzielen lassen, wenn geistig behinderte Menschen nicht mehr ernährt werden müssen.
Opfer der "Euthanasie" In unterschiedlichen Farben sind die Zahlen der "Desinfizierten" in den Anstalten Pirna-Sonnenstein, Bernburg, Hartheim und Hadamar notiert. Mit "Desinfizierten" meinten die Täter des "Dritten Reiches" getötete Menschen. Sie wurden beim euphemistisch "Euthanasie"-Programm genannten Vorgehen der Nazis vergast.
Das Blatt Millimeterpapier gehört zu den rund 400 Exponaten der Schau "Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus" im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden. Die Ausstellung wurde vom Holocaust Memorial Museum in Washington konzipiert und ist erstmals außerhalb Nordamerikas zu sehen.
Morde und Zwangssterilisierungen Sie behandelt die Entstehung der Rassenlehre und ihre mörderischen Konsequenzen bis hin zur systematischen Vernichtung der europäischen Juden. Von 1933 bis Kriegsende wurden mehr als 200.000 Menschen ermordet, die die Nazis für "lebensunwert" hielten.
Es war die erste systematische Vernichtung von Menschen durch das Nazi-Regime, die sich später in den Vernichtungslagern auf furchtbare Weise fortsetzen sollte. Rund 400.000 vermeintlich "erblich minderwertige" Menschen wurden außerdem zwangssterilisiert.
Die Anfänge der "Rassenhygiene" Die Eugenik, die "Rassenhygiene", nahm in den 1920er Jahren ihren Anfang. Damals hielten es Humangenetiker nicht nur in Deutschland für einen Segen, mit Forschungen zum Erbgut des Menschen Krankheiten "auszumerzen" und das Volk gesunden zu lassen.
Unter Adolf Hitlers NS-Regime wurde das Anliegen radikal instrumentalisiert. Ärzte, Erbforscher und Schreibtischtäter sollten die angebliche biologische Überlegenheit der "arischen Herrenrasse" belegen.
"Hier trägst Du mit" Die Bevölkerung wurde großflächig eingestimmt: Auf einem Plakat leidet ein Hüne unter der Last zweier Männer auf seinem Rücken. "Hier trägst Du mit - Ein Erbranker kostet bis zur Erreichung des 60. Lebensjahres im Durchschnitt 50.000 Reichsmark."
Nach dem "Euthanasiebefehl" Hitlers vom 1. September 1939 begann unter großer Geheimhaltung der Mord an Behinderten, unheilbar oder psychisch Kranken, auch Kindern.
Arbeitsunfähige Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und kranke Wehrmachtssoldaten fielen dem Programm ebenfalls zum Opfer. Die Aktion wurde später nach der Organisationszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 "T4" genannt.
Späte Aufarbeitung Viele der verantwortlichen Ärzte wurden nie belangt, sondern praktizierten auch nach dem Krieg. Das Thema blieb jahrzehntelang ein Tabu. Erst in den 80er Jahren begann die breite Aufarbeitung. In der Tiergartenstraße 4 erinnert seit 1989 eine kleine Tafel an die Opfer.
Viele Krankenhäuser setzen sich inzwischen kritisch mit diesem Kapitel ihrer Geschichte auseinander. Auch das Hygiene-Museum will mit der Ausstellung seine Vergangenheit aufarbeiten. "Das Deutsche Hygiene-Museum war eine Täterinstitution", sagt Museumschef Klaus Vogel. Es habe damals mit Unterrichtsmaterial, Filmen und Ausstellungen propagiert, was "lebenswert" wäre oder nicht.
Nachkriegs-Massenmorde verschwiegen? In Deutschland gab es allerdings bereits vor der Eröffnung Kritik von verschiedenen Verbänden wie der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener. Die Ausstellung verschweige, dass auch nach dem Krieg die Massenmorde in den psychiatrischen Anstalten durch Verhungernlassen weitergingen.
Bis 1948/49 seien über 20.000 Menschen der Willkür des medizinischen Personals zum Opfer gefallen. Belegt ist etwa der Fall eines vierjährigen Buben, der noch Ende Mai 1945 in Kaufbeuren durch Giftinjektion getötet wurde, obwohl die US-Armee die Stadt bereits besetzt hatte.
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