| | | | US-Patrouille an der Grenze zu Mexiko (dpa) | | | | 22. Dezember 2005
"Berliner Mauer" am Rio GrandeVon Franz Smets Versuch der USA, die löchrige Grenze zu Mexiko abzudichten, hat in Mexiko und weiter südlich in Mittelamerika einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Mexikos Präsident Vicente Fox nannte die Entscheidung im amerikanischen Kongress, eine Mauer zwischen beiden Ländern zu errichten, würdelos und beschämend. Die mexikanischen Zeitungen entrüsteten sich seitenlang über die "Unverschämtheit" des reichen Nachbarn im Norden und schimpften über dessen Herzlosigkeit, die armen Nachbarn aus dem Süden nicht am Reichtum teilhaben lassen zu wollen. Außenminister Luis Ernesto Derbez nannte das Gesetz töricht. Er kündigte an, Mexiko werde alles tun, um die Ratifizierung im US-Senat zu verhindern. Innenminister Carlos Abascal ließ sich an der Grenze in Nuevo Laredo mit Migranten abbilden, die gerade von der anderen Seite zurückkamen und erkundigte sich besorgt, wie sie dort behandelt worden seien. Und selbstverständlich verurteile er den beabsichtigten Mauerbau, weil dieser die Probleme der Migration nicht lösen werde. Noch mehr Flucht-Tote befürchtetMenschenrechtler, internationale Organisationen und selbst die Kirchen in den Vereinigten Staaten erhoben ebenfalls lautstark ihre Stimmen gegen das Projekt Washingtons. Insgesamt wird es als fremdenfeindlich qualifiziert. Der Mauerbau werde den Zug der Armen nach Norden nicht verhindern, allenfalls würden noch mehr Menschen bei ihrer ohnehin gefährlichen Reise ums Leben kommen. 324 Mexikaner waren es nach offiziellen Angaben in diesem Jahr. Selbst die Berliner Mauer kam in Mexiko in den vergangenen Tagen wieder zu großer Ehre, weil sie als Beweis dafür herangezogen wird, dass Mauern keine Probleme lösen. Es gibt nur wenige Stimmen, die die USA wegen des Mauerbaus nicht verurteilen. "Souveräne Entscheidung eines Staates""Die USA haben alles Recht der Welt, die illegale Einwanderung zu blockieren", kommentierte die konservative Zeitung "Reforma". Mexiko würde dasselbe tun, wenn zwei Millionen Migranten das Land bestürmen würden. Und selbstverständlich würde es sich Mexiko verbitten, von außen auch noch dafür kritisiert zu werden. Wen er einwandern lasse und wen nicht, das sei die souveräne Entscheidung eines jeden Staates. Die rund 3200 Kilometer lange Grenze von der kalifornischen Pazifikküste bis zum Golf von Mexiko ist seit Jahrzehnten ein Problem. Millionen von Latinos, in der Mehrheit Mexikaner, sind auf diesem Wege in die USA gelangt. Die Bewohner Mittelamerikas und der Karibik erhalten mittlerweise jährlich Milliardenbeträge durch die Überweisungen ihrer Landsleute, die in den USA oder Kanada einen Job gefunden haben. Allein die Mexikaner überweisen jährlich 16 Milliarden US-Dollar in ihre Heimat. Waffen, Drogen, KriminalitätDie Grenze passieren jedoch nicht nur Menschen auf der Suche nach wirtschaftlichem Wohlergehen, sondern auch Waffen und Drogen. Die Kriminalität ist vor allem in den nördlichen Grenzgebieten Mexikos außer Kontrolle geraten, ein Problem, das auch nach Arizona und Texas hinübergreift. Es vergeht kaum eine Nacht, in der weniger als zehn Menschen in diesen Gebieten getötet werden. Eine von Korruption zersetzte staatliche Infrastruktur in Mexiko ist nicht in der Lage, die Sicherheit zu wiederherzustellen. Seit dem Sommer ist die Armee im Sondereinsatz, mit wenig Erfolg. Die Grenzmauer wird von den Mexikanern als Beleidigung empfunden, weil sie sich von Nordamerika, zu dem ihr Land geographisch gehört, ausgeschlossen fühlen. Sie leistet den linken Bewegungen in Lateinamerika Vorschub, die eine Loslösung des Subkontinents von den USA betreiben. Dass es diese Bewegung gibt, liegt nach Auffassung vieler auch am Versagen der politischen Eliten in Mexiko. In einem Leserbrief an die Zeitung "Reforma" hieß es: "Die Mauer ist keine Schande wegen der Gringos, denn das ist ihr Recht, sondern was mich am meisten schmerzt, ist, dass wir Mexikaner unseren Mitbürgern keine Arbeit und nichts zu essen geben können." (dpa)
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