Menschenmauern verbauen den Blick aufs Blech Neuer Besucherrekord bei der Automobilmesse: Die IAA ist kein Ort für Einzelgänger
Damit hatte niemand gerechnet: Die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) meldete am Sonntag einen neuen Besucherrekord. 360 000 Besucher wurden bisher insgesamt gezählt, 200 000 waren es am Wochenende. Seit Samstag ist die 60. IAA auch für das allgemeine Publikum geöffnet - und es wurde gleich rappelvoll.
Von Friederike Tinnappel
FRANKFURT. Als Michael Schumacher in Monza die Pole-Position für das Formel-1-Rennen holt, ist von den Ferraris in Halle 5 nichts zu sehen. Sie werden umringt, umlagert, von einer Menschenmauer abgeschirmt. Auch nebenan, bei Porsche ist wenig Auto und viel Mensch zu sehen. "Wollen wir uns das wirklich antun?" Mit einem schnellen Ausweichmanöver retten sich die beiden Männer in die erste Etage zum Zubehör. "Hier geht ja nichts mehr", flucht ein Mittdreißiger in der Festhalle bei Mercedes. Wer den SLR McLaren mit seinen Flügeltüren anschauen will, muss erst nach ganz oben, bis unter die Kuppel: Die Kombination aus Einbahnstraße und Schneckenhaus-Architektur ist die Feuerprobe für die Besucher.
Erst die Staus auf der Autobahn, dann die Schlangen vor den Kassen - "damit haben wir gerechnet", meint eine 23-jährige Bürokauffrau aus der Nähe von Bielefeld gelassen. "Kein Problem." Sie und ihr Begleiter wollen bis 19 Uhr bleiben und sich "alles" angucken, so der Begleiter. "So viel wie möglich", korrigiert sie. "Ich kenne schon alle Modelle aus der Zeitung", behauptet ein 20-jähriger Schornsteinfeger, der daneben in der Schlange wartet. Jetzt will er die neuen Autos endlich sehen.
Masse läuft, heißt es in der Physik. Im wahren Leben läuft sie nicht. Die Besucher können sich nur schleppend bewegen, schließen sich unfreiwillig zu einer Menge zusammen, die immer wieder ins Stocken gerät. Stop and Go - wie auf der Autobahn. Da wird gedrückt, geschoben, was auch nicht weiterhilft. Die Menge steht sich selbst im Weg, versucht den Überblick zu wahren - "ich glaube wir sind jetzt in Halle drei". Hält bei VW, wo die neuen Golfs stehen, einige Momente inne, als vier Artisten in der Luft an Seilen schweben. Setzt sich dann wie auf Kommando wieder in Bewegung. Macht sich gegenseitig Mut. "Wir sind ja auch erst dreieinhalb Stunden hier", sagt ein Vater zum Sohn, der ihm enttäuscht vorhält, wie wenig sie erst gesehen hätten. An diesem Samstag ist die Messe kein Ort für Einzelgänger.
Aber für Ein- und Aussteiger. Man muss nicht einmal seinen Namen nennen, um hinter dem Lenkrad eines Jaguar Platz zu nehmen. Und überall funktioniert der Greif-Instinkt. Anfassen, an Knöpfen drehen, die Gebläse-Einstellung ändern. Aber was tun, wenn das Töchterchen nicht aussteigen will aus dem Smart Roadster? "Papa, ich bin müde." Die Menge zeigt erste Auflösungserscheinungen. "Der Citroën Pluriel, da muss ich noch hin." Wild entschlossen steuert die junge Frau auf Halle acht zu, wo das Multitalent (Kleinwagen, Cabrio und Mini-Pickup in einem) vorgestellt wird. Von dort ist auch die Galleria nicht mehr weit, wo die Pendelbusse zum Rebstockgelände halten. Es ist erst 16 Uhr. Dennoch wollen schon viele nach Hause. Vier junge Leute aus Augsburg haben aufgegeben: "Es war zu voll. Wir haben keinen Porsche, keinen Ferrari und bei Mercedes nur den Maybach gesehen." Außerhalb des Messegeländes schleust die Polizei an diesem Tag 20 902 Fahrzeuge auf Parkplätze. Die Staus am Morgen werden vor allem auf Unfälle zurückgeführt. "Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden", sagt Reinhold Wötzold von der "Befehlsstelle IAA". Die Abreise läuft problemlos. Am Sonntagmorgen bringen gleich sieben Unfälle den von Süden heranrollenden Verkehr aus dem Takt. Dafür geht es an diesem sonnigen Tag auf der IAA selbst viel entspannter zu.
• Die 60. IAA, die unter dem Motto "Faszination Auto" steht, ist bis Sonntag, 21. September, 9-19 Uhr, geöffnet.
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/...und_hessen/frankfurt/?cnt=304038
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