Das zunehmende Gefälle zwischen dem extrem niedrigen Zinsniveau der westlichen Industrieländer und dem Zinsniveau der Rohstoff- und Schwellenländer, stellt das weltweite Währungssystem auf eine schiefe Ebene.
Nun wird auch am Devisenmarkt sichtbar, was am Goldmarkt schon offensichtlich ist: Bei der Finanzkrise handelte es sich nicht um einen Unfall, sondern um das bislang deutlichste Symptom einer ökonomischen Strukturkrise.
Die jüngste Zinserhöhung der australischen Notenbank am 6. Oktober verschärft dieses globale Ungleichgewicht. Während es aufstrebenden Volkswirtschaften und Rohstoffländern mit geringer Verschuldung und hohen Überschüssen gelingt, wirtschaftlich relativ schnell wieder Tritt zu fassen, haben die Notenbanken Europas, der Schweiz, Großbritanniens, Japans und der USA Zinserhöhungen mit Hinweis auf die anhaltende Wirtschaftsschwäche und die hohe Verschuldung bis auf Weiteres kategorisch ausgeschlossen.
Damit steigt die Zinsdifferenz zwischen der Weltleitwährung US-Dollar und dem Australischen Dollar auf Basis der realen Geldmarktsätze (12-Monats-Libor) auf 370 Basispunkte. Eine Einladung für alle Spekulanten, die Zinsunterschiede am Devisenmarkt für sogenannte Carry-Trades zu nutzen und sich gegen den US$ zu stellen. Dabei verschulden sie sich günstig in der Carry-Währung (z.B. US$ mit 1,21%) und investieren im Gegenzug in die höher verzinste Zielwährung (z.B. AU$ mit 4,92%). Der Profit entsteht durch die Differenz zwischen den niedrigen Refinanzierungskosten auf der einen Seite und der höheren Rendite in der Zielwährung auf der anderen Seite. Wird dieser Carry-Trade zum Massenphänomen, und genau das zeichnet sich ab, wertet die Verschuldungswährung allein auf Grund der massiven Carry-Trade-Ströme stark ab.
Eine neue historische Dimension erhält der Carry-Trade dadurch, dass erstmals die Weltleitwährung involviert ist. Und zwar nicht als Zielwährung für ein Investment sondern als Schuldenwährung, die mit steigender Intensität abverkauft wird. Der US$ ist die aktuell am geringsten verzinste Währung weltweit. Attraktive Zielwährungen sind der Brasilianische Real (BRL), der Südafrikanische Rand (ZAR), die Norwegische Krone (NOK), der Neuseeländische Dollar (NZD), der Kanadischer Dollar (CAD) oder eben der Australische Dollar (AUD). Gegenüber all diesen Währungen hat der „Greenback“ bereits signifikant abgewertet.
Wie kommt es zu den Zinsunterschieden?
Die australische Notenbank begründete die Zinserhöhung mit stark gestiegenen Rohstoffpreisen, einer damit einhergehenden Wirtschaftsbelebung und steigender Inflationsgefahr. Australien ist einer der wichtigsten Rohstofflieferant Asiens.
Speziell China investiert aktuell massiv in den Aufbau von Rohstofflagerbeständen und in aufwendige Infrastrukturprojekte. Dies ist der Versuch, die gigantischen, hauptsächlich in US$ denominierten Währungsreserven, mittels Konjunkturprogrammen in reale Werte zu „recyceln“. Australien profitiert davon ökonomisch.
Die westlichen Industrienationen sind hingegen mit privatwirtschaftlicher Überschuldung und explodierender Staatsverschuldung sowie einer sehr schwachen Wirtschaftsdynamik belastet. Steigende Zinsen sind in einem solchen Umfeld tabu. Daher kann die Zinslücke auf absehbare Zeit nicht geschlossen werden. In der Folge kann der Carry-Trade gegen den US$, wie zuletzt beim Japanischen Yen, gigantische Ausmaße annehmen und die Weltleitwährung endgültig in eine Weichwährung verwandeln.
Wie akut ist die Gefahr für den US$, als Weltleitwährung abgelöst zu werden?
Eine Weltleitwährung muss vor allem die Attribute WERTSTABIL und VERTRAUENSVOLL erfüllen, um im internationalen Handel uneingeschränkt akzeptiert zu werden. Der US-Dollar und die US-Volkswirtschaft konterkarieren diese Anforderungen ins genaue Gegenteil: Größter Schuldner der
Welt und der Weltgeschichte, größtes Handelsbilanz- und Leistungsbilanzdefizit sowie eine extrem laxe Geldpolitik unter Zuhilfenahme „unkonventioneller“ Notenbankinstrumente (Digitale Notenpresse).
Daher ist es nur logisch, dass sich Schwellenländer wie China und Indien sowie Rohstoffländer wie Russland und die VAE ernsthaft Gedanken über Alternativen machen. Das untergräbt zusätzlich das Vertrauen in den US$.
Schaut Amerika dem Dollarverfall einfach zu?
Die Amerikaner haben natürlich überhaupt kein Interesse daran, die Privilegien, die eine Weltleitwährung mit sich bringt, einzubüßen. Auch sehen die Verantwortlichen Geld- und Fiskalpolitiker in den USA das Dilemma, in dem man aktuell steckt. Höhere Zinsen zur Steigerung der Attraktivität des US$ für Investoren würden die extrem stark verschuldete Privatwirtschaft abwürgen, die Häusermarkterholung ersticken und den Staatshaushalt enorm belasten.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sich die USA zunächst darauf verlassen, dass auch die anderen „Major-Currencies“ (EUR, JPY, GBP, CHF) zinsschwach bleiben, da es in diesen Volkswirtschaften ja ähnlich gelagerte Probleme gibt. In der Folge blieben zumindest die Hauptwährungen untereinander zunächst relativ stabil. Lediglich an den Rändern beginnt das Währungsgefüge sichtbar auszufransen.
Da die Probleme in den USA jedoch größer sind als in Europa (der US$ ist soeben gegenüber dem Euro auf ein neues zyklisches Tief gesunken), und die Rohstoff- und Schwellenländer Währungsalternativen zum US$ konzipieren, haben die USA nicht ewig Zeit, eine Lösung zu finden.
Sehr wahrscheinlich werden die USA versuchen, sich über möglichst kontrollierte Inflation weitestgehend zu entschulden. Dann wären die USA saniert und verfügten immer noch über die liquidesten Kapitalmärkte, die größten Goldbestände, die größte Volkswirtschaft und das stärkste Militär (z.B. zur Sicherung von Rohstoffressourcen). Allerdings zu dem Preis, dass der US$ stark an internationaler Kaufkraft verloren hätte.
Man sollte die Amerikaner und den US$ noch nicht ganz abschreiben, auch wenn er bis auf Weiteres eine unattraktive Währung bleibt. Das gilt aus Sicht eines Europäers übrigens auch für den Schweizer Franken, den Japanischen Yen und das Britische Pfund.
Attraktiv erscheinen hingegen Rohstoffwährungen und monetäre Edelmetalle (der Goldpreis profitiert überdurchschnittlich vom US$-Wertverfall).
Quelle:
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