Ich will ja fair sein und auch Aspekte anführen, die nichts mit Envio als Verursacher direkt zu tun haben, dennoch den Skandal etwas gründlicher beleuchten.
Ein von mir befragter Doktorand der Verfahrenstechnik (Anlagenbau im Chemie-Umfeld) hat mir ziemlich glaubhaft versichert, dass das mittlerweile festgestellte Ausmaß der PCB-Kontamination des Betriebsgeländes auf keinen Fall durch ein einzelnes, temporäres Ereignis erklärbar sei. Es gäbe ausreichend Anhaltspunkte, dass zumindest die Staubbelastung in den Boden-/Staub-/Grasproben auf dem gesamten Gelände auf eine jahre-, unter Umständen jahrzehntelange Kontamination schließen lasse. Das bedeutet aber auch, dass der Vorbesitzer, die ABB Services GmbH, die ja exakt das gleiche Geschäftsmodell hatte, nicht aus dem Schneider wäre, denn deren altes Gelände umfasste ja auch die jetzigen Quadratmeter der Envio-Untermieter. Die mehrfach entdeckten kontaminierten Bleche allerdings können nur Envio selbst als Produzent zuzuordnen sein.
Eine andere Story: Im ersten Halbjahr 2008 hat die hiesige Wirtschaftsförderung direkt bei Envio ein von Brüssel gefördertes Projekt zur Mitarbeiter-Qualifikation (ungelernte Kräfte, aber auch Führungskräfte-Quali; alles im Rahmen der städte-planerischen Unterstützung des sozialen Brennpunkts Nordstadt) mittels zweier lokaler Beratungsfirmen durchführen lassen. Dabei wurden alle Arbeitsabläufe der Produktion detailliert dokumentiert und daraus Arbeits-Handbücher erstellt. Dies wurde aber bislang von keiner städtischen Stelle erwähnt, noch nicht mal im Nebensatz. Die Dokumentation des Projekts könnte Envio sowohl ent- als auch belasten, aber man hält sich bislang sehr bedeckt, da man ja der Öffentlichkeit gegenüber auf völlig ahnungslos macht. Es könnte theoretisch auch sein, dass man diese Doku überhaupt nicht so wie behauptet angefertigt hat und einfach nur die Fördergelder kassierte.
Sie erkennen evt., dass es mittlerweile nicht mehr nur um *eine* Schuld geht, sondern eine ganze Reihe von Akteuren mitspiel(t)en, die ihr eigenes Wissen mal offenbaren, mal zurückhalten, mal als Kärtchen gegen den politischen Gegner ausspielen wollen. Das ist mir durchaus bewusst, aber bislang konnte ich diese Spielzüge noch relativ einfach auseinander halten.
Wirklich spannend werden erst die wirtschaftlichen Verflechtungen, die auch über so eine kleine Bude wie Envio laufen können. Aber deshalb kann man Neupert & Co. aus deren Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern keinesfalls entlassen.
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