Ensdorf Mit großen Ambitionen war ItN Nanovation vor 15 Jahren an der Börse gestartet. Jetzt wurde Insolvenz beantragt. Doch hier liegt keine normale Pleite vor. Es steckt mehr dahinter. Und dabei spielt die chinesische Muttergesellschaft Safbon eine entscheidende Rolle. Was bei ItN-Nanovation passiert, bietet Stoff für einen Film, einen Wirtschaftskrimi. Ausgang ungewiss. Für die Nano-Firma, die sich mit Wasser-Filtration befasst, sieht es allerdings nicht gut aus. Zwei Aufsichtsratsmitglieder haben am 8. April beim Insolvenzgericht in Sulzbach Insolvenz angemeldet. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter sei noch nicht benannt, sagt der seit wenigen Tagen amtierende Vorstand Lutz Bungeroth. Das Gericht habe noch Fragen. Das ist nicht überraschend, sind doch die Verhältnisse bei ItN Nanovation undurchsichtig und dubios. Was übrigens nicht an Lutz Bungeroth liegt. Er ist einer von denen, die hoffentlich Klarheit ins Dunkel bringen können. Aufsichtsrat Thomas Schmiegel hat Vertreter des Hauptaktionärs Safbon, einem Unternehmen für Wasseraufbereitungstechnik aus Shanghai, im Visier. „Wir werden Strafanzeige stellen. Wir haben den begründeten Verdacht für sehr große Unregelmäßigkeiten“, sagt er. Schmiegel sieht Anzeichen dafür, dass in unrechtmäßiger Weise Know-how Richtung China abgezogen wurde und sonstige Transfers aus der Firma heraus stattfanden. Aktionär Peter Klein aus Wadgassen hält es für wahrscheinlich, dass das saarländische Unternehmen von der chinesischen Mutter-Firma „ausgeplündert“ wurde. ItN Nanovation ist inzwischen winzig. Fünf Mitarbeiter habe es noch, sagt Bungeroth. Eine Bürokraft in Ensdorf sowie vier Service-Kräfte. Vor mehr als zehn Jahren waren es rund hundert Beschäftigte. Als Safbon 2016 die Mehrheit übernahm, arbeiteten mehr als 20 Menschen bei ItN Nanovation. Von der Entwicklung und der Produktion, die das Unternehmen an seinem früheren Sitz in Saarbrücken prägten, ist offenbar nichts mehr übriggeblieben. Das Unternehmen, eine Ausgründung aus dem Saarbrücker Institut für Neue Materialien (INM), war 2006 mit großen Ambitionen an die Börse gegangen. Mit patentierten Keramikfiltern wollte es ein großer Player auf dem wachsenden Markt der Wasseraufbereitung werden. Der finanzielle Durchbruch gelang nicht. Immer wieder wurden frische Millionen gebraucht, um das Unternehmen am Leben zu erhalten. Der Niedergang spiegelt sich auch im Aktienkurs: Anfangs notierte das Papier bei mehr als 25 Euro, heute bei nicht einmal 20 Cent. Bungeroth wurde am 16. April, dem vergangenen Freitag, zum neuen Vorstand ernannt – nicht von der Muttergesellschaft Safbon, sondern vom Amtsgericht Saarbrücken. Damit die Gesellschaft nicht länger führungslos ist. Sein Vorgänger Renping Li vom chinesischen Hauptaktionär hatte das Unternehmen Mitte März verlassen. Bungeroth sei vom Aufsichtsrat Schmiegel angesprochen worden, ob er helfen könne. Das habe der 60 Jährige gerne getan, sagt er. Bungeroth kennt das Unternehmen gut Er war bereits von 2010 bis 2017 Vorstand bei ItN Nanovation. „Es liegen Versäumnisse vor.“ Das ist für ihn klar. Doch ein genaues Bild habe er nach wenigen Tagen noch nicht. Der unmittelbare Auslöser für die Anmeldung der Insolvenz war die Kündigung der sogenannten Patronatserklärung. Darin hatte die Muttergesellschaft versichert, für alle finanziellen Verpflichtungen von ItN Nanovation geradezustehen. Mit der Kündigung dieser Erklärung fiel das saarländische Unternehmen gewissermaßen ins Leere. Anscheinend war man in Shanghai nicht erfreut, dass Insolvenz beantragt wurde. Einen Tag danach sei die Internetpräsenz von ItN Nanovation abgeschaltet worden, sagt Aufsichtsrat Thomas Schmiegel. Aus seiner Sicht war das kein Zufall. Bungeroth habe auch Kontakt zur Bundesfinanzaufsicht Bafin aufgenommen. „Die freuen sich, dass da überhaupt mal wieder einer ist“, sagt er. Nachdem die Safbon-Führung sich davongemacht hatte. Die Bafin spielt auch eine Rolle in dem Krimi. Sie hatte Anfang April ein Zwangsgeld in Höhe von 90 000 Euro gegen ItN Nanovation festgesetzt, weil der Halbjahres-Finanzbericht nicht vorgelegt wurde. Nicht zum ersten Mal war das passiert. Mehrfach drohte die Bafin Ordnungsgeld an, weil gegen Veröffentlichungspflichten verstoßen wurde.
• § Nano-Industrie: ItN Nanovation will in China expandieren Diese Verzögerungen waren ein Grund für den langjährigen Aktionär Thomas Schmiegel, dem chinesischen Management auf die Finger zu schauen. Die Bilanz von 2018 wurde zum Beispiel erst im November 2019 veröffentlicht. Die Hauptversammlung dazu fand erst im März vergangenen Jahres statt. 300 Fragen habe er gestellt, sagt Schmiegel. Die Antwort sei meist verweigert worden – mit dem Hinweis, es handele sich um Geschäftsgeheimnisse. Schließlich habe er zusammen mit drei weiteren Anteilseignern eine Sonderprüfung beantragt. Das Landgericht Saarbrücken habe im November 2020 dieser Forderung stattgegeben. Das Unternehmen habe den für die Sonderprüfung eingeschalteten Wirtschaftsprüfern dennoch kein Material zur Verfügung gestellt. Schließlich beantragte Schmiegel vorm Amtsgericht Saarbrücken, als Aufsichtsrat bestellt zu werden – was dann auch geschah. Er versuchte an Bilanzen und Daten heranzukommen. Weitgehend vergeblich. Safbon habe das Sekretariat angewiesen, ihm keine Dokumente auszuhändigen. Nur spärlich habe er Informationen erhalten, sagt er. Und viele Fragen bleiben offen. Etwa zu den Lizenzgebühren, die die Muttergesellschaft an ItN Nanovation zahlen müsste. Oder zum Umsatz: Die letzte im Bundesanzeiger veröffentlichte Bilanz für 2018 weist für das Jahr 837 000 Euro an Erlösen aus. Im Jahr davor waren es noch 4,9 Millionen. Eine Erklärung dafür fehlt. Der Materialaufwand für die Produktion betrug mehr als zwei Millionen Euro. Das passt nicht zu dem Umsatz von weniger als eine Million. In der Bilanz wird behauptet, es seien Bestände aufgebaut worden. Ist das zu glauben? Und aktuelle Zahlen für 2020? Fehlanzeige. „Wir waren gesetzlich gezwungen, einen Insolvenzantrag nach bestem Wissen zu stellen, ohne Informationen, geschweige denn Antworten vom Vorstand oder dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates aus China über Sachverhalte zu erhalten“, sagt Schmiegel. Wann der Kriminalfall ItN Nanovation gelöst werden kann, weiß heute niemand. Wäre er ein Film, wäre klar, dass es eine Fortsetzung geben muss.
|