Eigenheimzulage bleibt :-(
Weg mit der Eigenheimzulage!
Punkt. Ende. Haus.
My home is my castle - die Eigenheimzulage sollte in den vergangenen Jahrzehnten den urdeutschen Wunsch nach den eigenen vier Wänden ermöglichen. Auf dem Job-Gipfel könnte die Abschaffung beschlossen werden. Ein Reformschritt der Vernunft.
Von Gerhard Matzig „Wen würdest du nehmen“, fragt in einem Werbespot der Bausparkasse Schwäbisch Hall ein hübsches Mädchen das andere hübsche Mädchen, „den Typ mit dem Candle-Light-Dinner oder den mit dem Haus?“ – „Den mit dem Candle-Light-Dinner.“ – „Und am nächsten Morgen, wenn die Kerzen heruntergebrannt sind, ist der Typ weg.“ – „Okay. Lieber den mit dem Haus.“
Schaut her, sagt dieser Spot, dies sind brave Mädchen. Mädchen, die sich für die Realität und gegen romantische Traumgespinste entscheiden. Für Zuverlässigkeit und Dauerhaftigkeit – und gegen Flüchtigkeit und Unzuverlässigkeit.
Also für das eigene Haus als Zimmer, Garten und Briefkasten gewordene Chiffre der Rationalität.
Der Spot hat Recht – und irrt sich dennoch gewaltig: Denn nichts ist in Deutschland so sehr der Emotionalität geschuldet wie das eigene Heim.
Reich der Sehnsüchte und Träumereien Nichts wird in Deutschland auf einem ähnlich irrationalen Fundament errichtet – einem Fundament, das kellergeschosstief ins Erdreich der Sehnsüchte und Träumereien führt.
Es ist kein Zufall, dass einem die Immobilienseiten der Zeitungen lauter Traumhäuser andienen: die „Traumvilla“ in München-Grünwald, das „Traumhaus“ in Berlin-Grunewald, die „Traumwohnung“ in jeder beliebigen deutschen Stadt.
Der Traum zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass an die Stelle logischer Verknüpfung die Verbindung der Fakten mit Gefühl und Affekt tritt. Im Traum herrscht nicht das Bewusstsein, sondern das Unterbewusstsein, nicht das Sinnvolle, sondern das Sinnhafte.
Das Einfamilienhaus als Nachfahre der zivilisatorisch zeichenhaften „Urhütte“ und der platonischen Ideen-Höhle dient emblematisch tatsächlich beiden Sphären: der Vernunft und der Unvernunft.
Der eigene Herd ist nicht nur Goldes wert, wie das Sprichwort weiß, das Eigenheim ist auch jener Raum, in dem sich die berechtigten Analysen mit fragwürdigen Affekten zu einem Bedeutungsknäuel verheddern.
"My home is my castle"
Wenn einer alles zu verlieren droht, dann wird dies gerne übersetzt mit „Haus und Hof verlieren“, während sich der glückliche Hauseigentümer auch dann als Schlossherr fühlen darf, wenn er nur über ein kleines Reihenhaus gebietet: „My home is my castle.“
Das Eigenheim ist keine deutsche Idee, sondern eine weltweit ausgelebte Sehnsucht. Es ist gerade diese Form sehnsuchtsvoller Zuschreibungen, durch welche die seit Jahren geführte Debatte um die Abschaffung der Eigenheimzulage ihre Brisanz erhält. Heute wird sie auf dem Job-Gipfel im Bundeskanzleramt zumindest neue Nahrung erhalten, vielleicht wird die Diskussion aber auch endgültig entschieden.
Und zwar womöglich gegen die Eigenheimzulage, die auf den einschlägigen Internetseiten der Bausparkassen bereits so beworben wird: „Noch greift Ihnen der Staat bei der Finanzierung Ihres Eigenheims kräftig unter die Arme. Das kann sich in Kürze ändern. Handeln Sie deshalb möglichst schnell. Es geht um eine Menge Geld.“
Candlelight beim Kanzler Das ist richtig: Eine Familie mit zwei Kindern erhält, verteilt auf acht Jahre, vom Staat insgesamt bis zu 22.800 Euro Zulage zum Immobilienerwerb.
Und zwar auch dann, wenn diese Familie über ein Jahreseinkommen von 200.000 Euro verfügt. Auf Deutschland bezogen: eine Milliarden-Subvention, ein Milliarden-Irrsinn.
Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Zulage aus der Nachkriegszeit stammt, also vor allem der Schaffung von Wohnraum dienen sollte. Heute befindet sich Deutschland dagegen im Stadium schrumpfender Städte und leer stehender Wohnungen. Auch die noch prosperierenden Regionen werden davon bald betroffen sein.
Wie wird es also um die Eigenheimzulage stehen, sobald bei Schröder die Kerzen heruntergebrannt sind und Angela Merkel wieder vom Gipfel herunterkommt?
Schon seit langem fordert die SPD die Abschaffung der Zulage und plädiert dafür, das eingesparte Geld Bildung und Forschung zukommen zu lassen. Die Union sträubte sich bisher ebenso hartnäckig gegen die Streichung.
Wobei diese Haltung, wie in den letzten Tagen zu hören war, kippen könnte. Schon möglich, dass man in Berlin bald fraktionsübergreifend Rilke zitieren wird, den Lieblingsdichter des Kanzlers: „... wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr...“
Die Abschaffung der Eigenheimzulage wäre ein Reformschritt der Vernunft. Es wäre aber auch ein Schritt, der das Terrain jenseits der Vernunft berührt.
Insofern muss man sich auf ein gewaltiges Geheul der Bausparkassen und der Bauunternehmen gefasst machen. Vor allem aber: auf den Protest einer Bevölkerung, die Umfragen zufolge einen einzigen großen gemeinsamen Traum hegt: den vom Eigenheim – vor den Toren der Stadt. Im Grünen.
1000 Jahre Garantie
„Einmal im Leben“ – so war der TV-Mehrteiler der legendären Häuslebauer-Familie Semmeling überschrieben. In dieser Einmaligkeit und Signifikanz des Hausbauens liegt allerdings auch die paradoxe Situation begründet, dass in einigen Ländern ohne Immobiliensubvention der Anteil der Immobilienbesitzenden an der Gesamtbevölkerung wesentlich höher liegt.
In Deutschland scheint das Hausbauen oder Hauskaufen völlig unnötigerweise genau das heraufzubeschwören, was das Wort „Immobilie“ sinnhaft begründet: das Immobil-Sein.
Anderswo ist es völlig normal, Häuser nach Bedarf (oder Arbeitsplatz) mal hier, mal dort zu kaufen und zu verkaufen. In Deutschland hat dagegen, zu Unrecht, ja bereits die Fertighaus-Branche Imageprobleme, denn deren Produkte gelten nicht als „solide“ und „dauerhaft“. Und 1000 Jahre Garantie kriegt man auch nicht.
In Deutschland werden nicht nur Eigenheime errichtet – sondern am liebsten Trutzburgen, denen das Sesshafte eingeschrieben scheint. Folgerichtig wird die Eigenheimzulage ergänzt durch die Pendlerpauschale, über deren Abschaffung man ebenfalls nachdenken sollte: Leute, die 400 Kilometer am Tag zur Arbeit und zurück ins Eigenheim zurücklegen, sind keine Seltenheit.
Selten aber lässt sich erklären, warum das Eigenheim nicht rationalerweise in der Nähe des Arbeitsplatzes gesucht wird. Wohnraum lässt sich übrigens auch mieten.
Auch das wäre, mit Blick auf einen keineswegs renditesicheren Immobilienmarkt, eine Form wohnlicher Rationalität. Auch die überall einsehbaren Folgen von Pendlerschicksal und Eigenheimglück lassen sich höchst rational darstellen: Zersiedelung, und Flächenversiegelung.
Der Traum vom persönlichen Refugium auf der grünen Wiese, dazu die notwendige Infrastruktur und die nachziehenden Gewerbegebiete samt Schwerlastverkehr, führen in einen ökologischen Alptraum, unter dem wir alle leiden.
Im Vergleich zu Hongkong, der am höchsten verdichteten Stadt der Welt, ist der Pro-Kopf-Ölverbrauch im locker bebauten Berlin drei Mal so hoch. In der breiig zerfließenden Stadt Los Angeles ist er 18 Mal so hoch.
Der 40 Jahre alte Mythos des Eigenheims ist der Mythos von Wiederaufbau, Prosperität und Wirtschaftswunder. Auch der von Individualität und Freiheit. Wenn man die Zulage nun endlich abschafft, wird man das so stadt- wie landfeindliche Ökodesaster des stadträumlich peripheren, dabei übrigens altersuntauglichen und eher jugendfeindlichen Eigenheimglücks nicht abwenden.
Aber man wird zumindest nicht mehr jenes unökologische, unökonomische und letztlich unsoziale Suburbia subventionieren, das sich nach vier Jahrzehnten Eigenheimzulage als das trostlose Einfamilienhaus-Ghetto von morgen herauszustellen beginnt.
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