Da ist eine Flut von Unsinn unterwegs"
Immer mehr Unternehmen missbrauchen Ad-hoc-Meldungen, um sich bei den Aktionären beliebt zu machen. Nun droht das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel mit Strafen in Millionenhöhe.
Hamburg - Statt konkrete Informationen zu vermelden, die den Aktienkurs beeinflussen können, werden die Ad-hoc-Mitteilungen zunehmend als Werbebotschaften und zur Pressearbeit missbraucht. "Das Spektrum reicht von längst bekannten Fakten über Analystenmeinungen bis zu Falschmeldungen und Angriffen auf die Konkurrenz", sagt Christian Pawlik, Sprecher des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe). Damit soll nun Schluss sein, denn die Behörde will sich die Flut der Werbebotschaften nicht länger gefallen lassen. Jetzt soll der Missbrauch bestraft werden. Eine entsprechende Regelung über Bußgelder soll in das so genannte vierte Finanzmarktförderungsgesetz aufgenommen werden, das voraussichtlich 2001 verabschiedet wird. Denkbar seien Geldbußen bis zu drei Millionen Mark, sagt Pawlik. Damit reagiert die Behörde auf den vergeblichen Versuch, die Unternehmen zur Einsicht zu bewegen. Noch im April hatte das BAWe die Vorstände aller Aktiengesellschaften per Brief ermahnt, nur noch börsenrelevante Tatsachen in einem Umfang von "10 bis 20 Schreibmaschinenzeilen" zu vermelden. "Als Missstand betrachtet das BAWe auch die Veröffentlichung von Unternehmensprofilen oder die Mitteilung ungekürzter Zwischenberichte und Jahresabschlüsse", hieß es. Doch das Schreiben war vergeblich, denn "gebracht hat es nichts", wie Pawlik sagt.
Insbesondere am Neuen Markt werden immer wieder Verstöße entdeckt. Zu den spektakulärsten Fällen zählt der des Softwarehauses CPU, das 1999 vor Journalisten die Gewinnerwartung von 11,4 Millionen Mark auf 4,5 Millionen Mark Verlust korrigiert hatte. Die entsprechende Ad-hoc-Mitteilung wurde jedoch erst zwei Tage später veröffentlicht. Ein Kunstauktionator kündigte ad-hoc eine Analystenkonferenz an, dem Softwareunternehmen b.i.s. waren Reaktionen auf einen "illegalen Hackerangriff" eine Mitteilung wert und Rheinmetall brachte gar sein neues Logo auf diesem Wege in Umlauf.
"Man hat gelegentlich den Eindruck, dass einige Unternehmen die Aktionäre ad-hoc für dumm verkaufen wollen", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Und nicht nur am Neuen Markt werde oft leichtfertig mit den Mitteilungen umgegangen. So habe die Telekom während der Cebit zahlreiche Meldungen zu beabsichtigten Kooperationen herausgegeben, deren Börsenrelevanz "äußerst fragwürdig" gewesen seien. "Was daraus wurde, hat man oft gar nicht mehr mitbekommen."
Auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) kritisiert die ad-hoc verteilten Werbebotschaften. "Da ist eine Flut von Unsinn unterwegs", sagt SdK-Sprecherin Reinhild Keitel. "Es geht oft nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen, egal womit." Womöglich kämen die Unternehmen erst zur Vernunft wenn jetzt der Gesetzgeber einschreite. Trotz aller Kritik ist der Berichtseifer der Unternehmen ungebrochen. Wurden 1999 noch 3219 Ad-hoc-Mitteilungen verbreitet, waren es in den ersten neun Monaten 2000 bereits über 4000. © SPIEGEL ONLINE 50/2000
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