Nur eine Krise wie vierzig andere zuvor Von Das Gespräch Führte Frank Stocker 15. Februar 2009, 02:02 Uhr Diese Rezession ist schlimm, aber auch sie geht vorüber. Und zwar schneller als viele denken, glaubt der Chefvolkswirt der DZ-Bank Klaus Holschuh. Er rät daher jetzt zu Aktien und Unternehmensanleihen
Ads by Google Finanzkrise aktuell Nachrichten zur aktuellen Krise aktuell brisant direkt
www.wirtschaftsnachrichten.org Fast täglich gibt es neue Negativrekorde. Erst am Freitag wurde bekannt, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal des vergangenen Jahres so stark wie seit 1987 nicht mehr geschrumpft ist. Allerdings: Das ist nun eben auch schon wieder sechs Wochen vorbei und möglicherweise dreht die Stimmung ja inzwischen schon wieder. Aufgabe von Volkswirten und Analysten ist es daher, genau solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und nach vorne zu schauen. Klaus Holschuh ist Chefvolkswirt und Leiter der Wertpapieranalyse bei der DZ-Bank, einer Zentralbank der Volks- und Raiffeisenbanken. Und er erkennt derzeit tatsächlich den Silberstreifen am Horizont.
Welt am Sonntag:
Im Herbst vergangenen Jahres, als die Finanzkrise gerade erst an Fahrt gewann, haben Sie gesagt, diese Finanzkrise sei einfach eine von rund 40 Finanzkrisen in den vergangenen 200 Jahren. Diese Meinung haben Sie hoffentlich inzwischen revidiert?!
Klaus Holschuh:
Nein, überhaupt nicht. Diese Krise ist globaler als die vorangegangenen. Aber das Muster unterscheidet sich nicht. Es ist immer der gleiche Ablauf: Es gibt positive Trends in der Weltwirtschaft, zuletzt waren es steigende Immobilienpreise, steigende Bankengewinne durch Verbriefungen und andere neue Produkte. Diese werden fortgeschrieben, Risiken unterschätzt, es kommt zu Übertreibungen. An irgendeinem Punkt kommt es zu einem Trendwechsel, Geld wird knapp, Risiken werden plötzlich wieder höher bewertet. Das erleben wir jetzt.
Aber wir standen diesmal kurz vor dem Zusammenbruch des Finanzsystems und der neue US-Finanzminister hat gerade in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass bis zu zwei Billionen Dollar zur Rettung des Finanzwesens nötig sein werden.
Holschuh:
Die Dimensionen sind diesmal tatsächlich andere als in den meisten früheren Fällen. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen. Wenn meine jungen Kollegen angesichts der Rezession von Weltuntergang sprechen, dann rate ich ihnen, ins Zeitungsarchiv zu gehen und sich die Schlagzeilen von 2001 oder 2002 rauszusuchen, nach dem Platzen der Internetblase. Auch damals wurde das Ende der Welt herbeigeschrieben.
Immerhin fallen in den USA die Häuserpreise dramatisch, die Arbeitslosenzahl steigt, der Konsum bricht ein.
Holschuh:
Es gab in den USA in den vergangenen 40 Jahren vier derartige Immobilienpreisblasen. Aktuell liegt die Zahl der Neubauanträge bei rund 600 000 - das ist nicht viel tiefer als bei den früheren Immobilienkrisen. Das ist also einfach ein ganz normaler Rezessionszyklus. Und ich bin mir sicher: Der Tiefpunkt liegt schon hinter uns.
Das sehen allerdings derzeit nur wenige so optimistisch.
Holschuh:
Schauen Sie sich die Zahlen an. Der ZEW-Stimmungsindikator steigt seit drei Monaten wieder, der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zuletzt wieder gestiegen, der Frühindikator der DZ-Bank für Europa ist 18 Monate lang gefallen und steigt nun wieder, der GfK-Konsumklimaindex ist gestiegen. Ich gebe ja zu, dass man gemeinhin drei Anstiege in Folge braucht, um von einer deutlichen Stabilisierung sprechen zu können. Aber ich glaube, wir sind auf dem Weg dahin.
Dennoch erwarten alle für das laufende Jahr einen drastischen Einbruch beim Wirtschaftswachstum, für Deutschland rechnen die meisten Ökonomen sogar mit einem Minus von zwei bis drei Prozent.
Holschuh:
Das hat aber vor allem eine statistische Ursache. Wenn die Wirtschaft das ganze Jahr 2009 hindurch stagnieren würde, dann käme am Ende statistisch dennoch ein Minus von 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr heraus. Das hat etwas mit Basiseffekten zu tun, denn im ersten Quartal 2008 war die Wirtschaft noch exorbitant gewachsen, dann drei Quartale geschrumpft. Zum Jahresende lagen wir 1,8 Prozent unter dem Jahresdurchschnitt 2008, und mit diesem Schnitt vergleichen wir dann 2009. Zwei wichtige Belastungsfaktoren der Konjunktur im Vorjahr, hohe Zinsen und hohe Ölpreise, fallen nun aber weg und geben positive Impulse. Der Aufschwung wird zwar langsam und zögerlich vonstatten gehen, sodass kaum jemand davon Notiz nehmen wird. Aber so optimistisch wie die Menschen stets in eine Rezession reingehen, so vorsichtig sind sie, wenn es wieder aufwärts geht.
Also sollten wir die Skepsis jetzt über Bord werfen und Aktien kaufen.
Holschuh:
Der Aktienmarkt ist stets ein guter Frühindikator. So wie die Börsen im Frühjahr des vergangenen Jahres die Rezession schon frühzeitig vorwegnahmen, so könnten sie jetzt frühzeitig auf einen Aufschwung reagieren. Ich glaube, dass der Dax in zwölf Monaten wieder bei 6000 Punkten steht. Das große Problem ist jedoch, dass der Privatanleger jetzt gegen sein eigenes Gefühl investieren müsste. Es ist immer das Gleiche: Die Anleger haben Deutsche-Bank-Aktien bei 70 Euro gekauft, bei 20 Euro will sie aber keiner mehr. Man muss jedoch kaufen, wenn es donnert, blitzt und regnet.
Die Anleger fühlen sich aber derzeit einfach mit Staatsanleihen wohler.
Holschuh:
Das könnte ein Fehler sein, denn da droht die nächste Blase zu platzen. Bis zum Sommer könnte es zwar noch gut gehen, und institutionelle Anleger könnten bis dahin mit Staatsanleihen vielleicht noch etwas verdienen. Danach dürften die Kurse aber wieder deutlich nachgehen. Privatanlegern würde ich auf jeden Fall raten, sich jetzt schon von Staatsanleihen zu verabschieden - es sei denn, sie wollen diese ohnehin bis zum Ende der Laufzeit halten. Interessanter sind dagegen Unternehmensanleihen. Die gebotenen Renditen sind derzeit jenseits aller historischer Vergleiche. Der Markt preist Ausfallraten ein, die völlig verrückt sind, für Schuldner mit einem A- oder BBB-Rating beispielsweise eine Ausfallwahrscheinlichkeit, die 20-fach über dem Durchschnitt liegt. Und wohlgemerkt, wir sprechen hierbei über Firmen wie Metro, Daimler oder BMW.
Und wo liegt das Risiko für Ihre relativ rosige Weltsicht?
Holschuh:
Wir bekämpfen derzeit die Auswirkungen einer Finanzblase, die eine Folge lockeren Geldes war. Und wir tun das wiederum mit lockerem Geld. Daher besteht die Gefahr, dass schon bald die nächste Blase entsteht.
Oder dass uns Hyperinflation droht.
Holschuh:
Diese Gefahr halte ich für gering. Durch die Globalisierung wird es nicht zu großen Lohnsteigerungen kommen, was die klassische Triebkraft für Inflation ist. Das überschüssige Geld dürfte sich eher ein anderes Ventil suchen, so wie in den vergangenen Jahren, als die Preise für Immobilien oder sogar Kunstgegenstände sprunghaft stiegen. Die spannende Frage ist, wohin das Geld diesmal fließt und es die Preise aufbläht.
|