Börsenausblick: Schwächelnde Banken trüben die Aussichten Warnungen vor sinkenden Gewinnen der großen Banken lasten schwer auf dem Aktienmarkt. Der Anleihemarkt ist weiter hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung auf sinkende Leitzinsen in den USA und der Angst vor weiteren Hiobsbotschaften von den Investmentbanken.
Die Aussicht auf eine anhaltende Flaute bei der Branche, die fast ein Fünftel der Marktkapitalisierung des Stoxx 600 stellt, machte bereits zum Ende der Woche die kurzfristige Erleichterung über die Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve zunichte.
Nach der Zinssenkung der Fed vom Mittwochabend hatten die Leitindizes alle Gewinne der vorangegangenen zwei Wochen eingebüßt. Auf Wochensicht fiel der Dax 1,3 Prozent auf 7849,49 Punkte. Der amerikanische S&P 500 rutschte sogar um 1,7 Prozent auf 1535,30 Zähler ab. Die schwächsten Branchen im europäischen Stoxx 600 neben Banktiteln waren Technologie- und Rohstoffwerte.
Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten sorgen an der Wall Street für eine "anhaltende Unsicherheit", beobachtet Michael Sheldon, Chief Investment Strategist bei dem US-Brokerhaus Spencer Clarke. "Das Problem ist, dass die Investoren jeden Morgen zu neuen Hiobsbotschaften aufwachen", sagt Sheldon. Beispiele seien neue Spekulationen über das Ausmaß der Probleme bei Merrill Lynch oder die jüngste Herabstufung der Citigroup-Aktie durch Analysten, sagt Sheldon: "Solche Nachrichten lassen die Märkte nicht zur Ruhe kommen und fachen immer wieder die Sorge an, dass die Probleme eigentlich viel tiefgreifender und umfassender sind als gedacht."
Kritik an Zinssenkung
Die erhoffte Fed-Zinssenkung sorgte vor diesem Hintergrund nicht für eine dauerhafte Erholung. Malcolm Polley, Chief Investment Officer bei der Investmentgesellschaft Stewart Capital Advisors, sieht sogar Nachteile durch den Zinsschritt: "Aus ökonomischer Sicht hätte die Notenbank die Zinsen nicht senken müssen", kritisiert Polley. Nach der Kürzung um 25 Basispunkte sei nun die Gefahr einer Inflation gestiegen, was nach Ansicht von Polley "viel schwerer" wiege als das Risiko einer schwächelnden Wirtschaft. Die Pause, die die Fed angedeutet hat, sei daher "überfällig": "Es war ja überhaupt erst die aggressive Zinssenkungspolitik der Fed, die uns in diese missliche Lage gebracht hat."
Ähnlich sehen es viele Strategen in Europa. "Diese Zinssenkung ist keine Hilfe", urteilte die Privatbank Sal. Oppenheim und forderte ihre Kunden auf, "ein paar Chips vom Spieltisch zu nehmen". Die Fed habe die in den Börsenkursen enthaltene Hoffnung auf weitere Zinssenkungen gedämpft, das werde den Aktienmarkt eher belasten. In Deutschland erreicht die Ergebnissaison ihren Höhepunkt, 13 Dax-Konzerne legen Ausblick und Quartalsgewinn vor.
Richtungsweisendes erhoffen Anleger und Analysten außerdem von den Konjunkturdaten: Am Mittwoch wird der Bericht über die Produktivität- und Kostenstruktur der US-Konjunktur veröffentlicht, am Freitag folgen vorläufige Zahlen zum Konsumentenvertrauen. Zudem spricht am Donnerstag Ben Bernanke vor dem US-Kongress: "Auch wenn die Fed-Sitzung gerade hinter uns liegt, werden sich die Märkte sehr dafür interessieren, was der Notenbankchef zu sagen hat", erwartet Michael Sheldon von Spencer Clarke.
Die guten US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag haben an den Rentenmärkten die Hoffnungen auf weitere Zinssenkungen der US-Notenbank in der nahen Zukunft nur zeitweise gedämpft. Die Zahl der neuen Stellen außerhalb der Landwirtschaft stieg mit 166.000 gut doppelt so stark wie prognostiziert und war der höchste Zuwachs seit Mai. Obwohl die meisten Bank-Volkswirte damit ihre Einschätzung bekräftigt sahen, dass die US-Notenbank bei den Zinsen zunächst still halten wird, gaben die Kurse der Staatsanleihen nur kurzzeitig nach, denn schnell drängte sich wieder die Unsicherheit über mögliche weitere Kreditverluste bei den Banken und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft in den Vordergrund.
Aus Sicht mehrerer Strategen dürften die Zinserwartungen und die Entwicklung bei den Banken für die Bond-Märkte in nächster Zeit weiterhin bestimmend sein. Diese divergierenden Einflüsse zeigten sich auch am Freitag, wozu Gerüchte über Liquiditätsprobleme der britischen Barclays Bank und Berichte beitrugen, dass Merrill Lynch bestimmte risikobehaftete Wertpapiere bei Hedge-Fonds geparkt haben soll, um ihre tatsächlichen Verluste zu verschleiern.
Sowohl die Deutsche Bank als auch die LBBW erwarten, dass US-Broker und Investmentbanken weitere Abschreibungen auf ihre Risikopositionen vornehmen müssen. Während die Deutsche Bank hier vor allem die Citigroup nennt, meldet die LBBW unter anderem Zweifel an den guten Zahlen von Goldman Sachs und einiger anderer Institute für das dritte Quartal an. "Es könnte nämlich sein, dass die anderen Häuser durch die Anwendung neuer Bilanzierungsregeln ihre Ergebnisse durchaus optimistischer gestaltet haben als es der Wirklichkeit entspricht und bislang üblich war", heißt es im wöchentlichen Credit Research der Bank. "Wir gehen daher weiterhin davon aus, dass es noch weitere negative Überraschungen aus dem Bankensektor geben wird." Daran werde auch der von drei großen US-Banken zusammen mit der Bush-Administration initiierte Auffang-Fonds für strukturierte Investmentvehikel (SIV) wenig ändern.
Ölpreis peilt 100-Dollar-Marke an
Diese Woche steht die Zinsentscheidung der EZB im Fokus. Zwar wird aktuell kein Zinsschritt erwartet und damit auch keine Impulse für die Rentenmärkte. Doch werden Marktteilnehmer vor allem darauf achten, ob und in welchem Maße sich der Tonfall hinsichtlich der Inflationsrisiken verschärft und ob die Notenbanker trotz der gesunkenen Stimmungsindikatoren und des Euro-Höhenflugs an ihrer relativ optimistischen Beurteilung der Konjunkturaussichten festhält.
Der Höhenflug des Ölpreises wird sich laut Frank Schallenberger, Rohstoffexperte bei der LBBW, zumindest kurzfristig fortsetzen: "In dem aktuell extrem bullishen Umfeld dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die 100-Dollar-Marke geknackt wird."
Der Dollar konnte am Freitag nur ganz kurz von der gedämpften Zinssenkungsphantasie in den USA profitieren. Für die nächsten Tage setzen die DZ-Bank-Analysten die Handelsspanne für den Euro/Dollar-Kurs auf zwischen 1,4317 und 1,4600 $ an. Die Strategen bei HSBC Trinkaus gehen davon aus, dass sich der Euro auf hohem Niveau stabilisieren wird und weiterhin Potential für neue Rekorde hat. Daran hätten die Arbeitsmarktdaten nichts geändert, weil sie die Unsicherheit nicht aus dem Markt genommen hätten.
Von Mark Böschen, Doris Grass (Frankfurt) und Jennifer Lachman (New York) Quelle: Financial Times Deutschland
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