Hab ich gerade im Pixelnet-Board entdeckt! Könnte auf Lintec gemünzt auch heißen: IT-Konzern auf Ruinen gebaut !
P I X E L N E T
Aufbruch inmitten der Ruinen
Von Christoph Seidler
Im Jahr 1936 wurde in Wolfen der erste Farbfilm der Welt entwickelt. Nach der Wende ging es am traditionellen Fotostandort in Ostdeutschland steil bergab. Die Firma PixelNet will das überkommene Foto-Know-how ins Digitalzeitalter hinüberretten.
© SPIEGEL ONLINE Abbrucharbeiten auf dem Gelände der Filmfabrik Wolfen Vom "Aufbruch ins Digitalzeitalter" redet Gerhard Köhler gern und vom "Beginn einer neuen Ära". Doch um ihn herum sieht es nicht nach Aufbruch und Dynamik, sondern vielmehr nach Abbruch und Lethargie aus. Köhler ist Finanzvorstand bei der PixelNet AG, ein Unternehmen, das sich auf dem Markt der digitalen Fotodienstleistungen behaupten will. Der Firmensitz von PixelNet, einer börsennotierten Tochter der sächsischen Lintec AG, befindet sich auf dem Gelände der früheren Filmfabrik Orwo im sachsen-anhaltinischen Wolfen. Nur einen Steinwurf von Köhlers Büro entfernt ragt der halb abgeschnittene Schornstein eines Holzkraftwerks in den Himmel, gegenüber befindet sich ein Teppichmarkt.
"Schwer vorstellbar, was hier früher mal war"
Bei ORWO ("Original Wolfen"), das vor dem Krieg Stammsitz des Fotokonzerns Agfa war, arbeiteten zu Hochzeiten der sozialistischen Planwirtschaft etwa 15.000 Menschen. Viele davon sind heute arbeitslos, eine Hand voll ist noch immer damit beschäftigt, die funktionslos gewordenen Fabrikhallen der "Film" - so hieß Orwo bei den Einheimischen - Stück für Stück zu beseitigen. "Schwer vorstellbar, was hier früher mal war", sagt Jutta Soban. Sie arbeitet im Digitallabor der PixelNet-Tochter ORWO Media im Bereich Qualitätssicherung.
© SPIEGEL ONLINE PixelNet-Vorstand Köhler: In diesem Jahr will PixelNet seinen Umsatz verzehnfachen In zwei riesengroßen früheren ORWO-Lagerhallen, 1997 in rund zehn Monaten umgebaut, arbeiten derzeit immerhin wieder 65 Menschen, weitere 35 in der Zentrale von PixelNet im Nachbarhaus. Die meisten von ihnen waren früher bei ORWO, haben das Fotohandwerk von der Pike auf gelernt. Doch neben der klassischen Entwicklung von Kleinbildfilmen im Labor sind mit der Ausrichtung auf den digitalen Bildermarkt andere Aufgaben immer wichtiger geworden. Neben der Digitalisierung von Papierabzügen oder Dias und der anschließenden Auslieferung über CD-Rom oder die hauseigene Bilddatenbank im Internet haben Digital-Freaks auch die Möglichkeit, ihre Bilddateien direkt über das Netz ins Labor zur weiteren Verarbeitung zu schicken.
Privatkunden werden angesprochen
© SPIEGEL ONLINE Rund 25 Millionen Papierabzüge verließen im Jahr 2000 das Labor in Wolfen Über eine 34-Mbit-Richtfunkleitung vom Petersberg bei Halle nach Wolfen landen sie dann zunächst auf dem Dual-Prozessor-Laborserver. Er verteilt über ein 100-Mbit-Netz die Arbeit weiter, zum Digitalprinter, zum CD-Brenner (stilecht angeschlossen an Rechner der Konzernmutter Lintec) oder zum Bildarchiv mit den mehrere Terabyte fassenden Festplatten. "Momentan richtet sich unser Angebot vor allem an Privatkunden", sagt Gerhard Köhler. Doch in näherer Zukunft sollen auch Services für professionelle User, wie etwa kostenpflichtige Bildarchive, angeboten werden. Dafür muss aber zum Beispiel die Speicherkapazität im Bildarchiv aufgestockt werden. "Ich denke, dass wir in diesem Jahr noch in den zweistelligen Terabyte-Bereich kommen", sagt Laborchef Peter Ulbricht.
Momentan entfallen kärgliche zwei Prozent des deutschen Fotomarktes auf Digitalfotografie, in fünf Jahren sollen es fünfzig Prozent sein. Während die großen Fotokonzerne nach Meinung von PixelNet-Vorstand Köhler vor allem im analogen Geschäft verwurzelt sind, sollen für sein Unternehmen mit dessen "Digitalkompetenz" dann goldene Zeiten anbrechen. Bereits in diesem Jahr will PixelNet seinen Umsatz verzehnfachen.
© SPIEGEL ONLINE Die PixelNet-CD-Brenner können bis zu 400 CDs pro Stunde beschreiben Kapazitäten für die vermeintliche Boom-Zeit sind in den weitläufigen Laborhallen am Standort Wolfen reichlich vorhanden. Rund 25 Millionen Papierabzüge verließen im Jahr 2000 das Labor, gut viermal so viel könnte PixelNet beim heutigen Ausbaustand nach eigenen Angaben liefern. "Nach einem Jahr kann man im Labor natürlich noch keine volle Auslastung haben", sagt Peter Ulbricht.
Photo Porst: Eine Mark für 2000 Filialen
Einen Auslastungsschub soll die Übernahme der 2000 Filialen der Foto-Handelskette Porst durch PixelNet bringen. Nur eine symbolische Mark mussten die Wolfener für den traditionsreichen Verbund auf den Tisch legen. Ein Schnäppchen, sagen Branchenkenner, befinden sich die Porst-Filialen doch oftmals in den besten City-Lagen. Dort soll nun vor allem Kundschaft für den Digitalisierungsservice von PixelNet geworben werden. Denn trotz aller Expansion muss die Firma auch irgendwann einmal ans Geldverdienen denken. Noch ist die Kasse nach dem Börsengang im vergangenen Sommer trotz eines Verlusts von rund neun Millionen Euro im Jahr 2000 recht gut gefüllt. Am Jahresende konnte PixelNet nach eigenen Angaben noch rund 30 Millionen Euro auf der Haben-Seite verbuchen.
"Der Markt erkennt, dass die Digitalisierung vor der Tür steht, und wir waren die Ersten, die in diesem Bereich aktiv geworden sind", zeigt sich Gerhard Köhler trotz des derzeit schwächelnden PixelNet-Aktienkurses zuversichtlich.
© SPIEGEL ONLINE Im ORWO-Labor arbeiten derzeit 65 Frauen und Männer Doch für den weiteren Unternehmenserfolg muss er nicht nur die Aktionäre für sein Konzept begeistern, er muss auch neue, hochqualifizierte Mitarbeiter in die Wolfener ORWO-Zweckbauten locken. Dafür arbeitet PixelNet mit einem ortsansässigen Weiterbildungsträger zusammen. Der Deal: PixelNet bestimmt die Fortbildungsinhalte mit und stellt Praktikumsplätze zur Verfügung, dafür übernimmt das Arbeitsamt die Fortbildungskosten. Von rund 25 Lehrgangsteilnehmern fanden immerhin zehn einen neuen Job in den Labors von PixelNet.
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