Gestern Börsenstar, heute Totgeweihter von Henning Jess (Hamburg) Das einst milliardenschwere Softwareunternehmen Intershop kämpft ums Überleben. Wenn nicht schnell große Aufträge an Land gezogen werden, könnte Intershop bald Geschichte sein. Mit einem veränderten Geschäftsmodell will der neue Vorstandschef das verhindern, doch Personalquerelen belasten seine Arbeit.
Friedhelm Bischofs muss ein mutiger Mann sein. Am 2. April hat er den Vorstandsvorsitz eines vor dem Abgrund stehenden Unternehmens übernommen: Intershop. Schon seit mehreren Jahren ist der Konzern, der sich als Entwickler von Online-Shopping-Portalen in den 1990er Jahren einst einen guten Namen gemacht hat, ein Sanierungsfall. Obwohl momentan die Branche boomt, kann Intershop nicht vom Aufschwung im E-Commerce profitieren.
Ganz im Gegenteil: Unternehmerische Fehlentscheidungen und Personalquerelen lassen Intershop von Krise zu Krise taumeln. Die neueste Idee: Intershop will sich vom Softwareunternehmen zum Anbieter von Komplettlösungen für den E-Commerce mausern. "Wir müssen beweisen, dass wir das neue Geschäft können. Das wird eine der letzten Chancen sein, die wir bekommen", sagte Bischofs.
Eine von Bischofs ersten traurigen Pflichten bestand Ende April darin, katastrophale Quartalszahlen veröffentlichen zu müssen: Intershop legte einen erneuten Nettoverlust von 1,4 Mio. Euro vor, die liqiden Mittel halbierten sich in den ersten drei Monaten des Jahres von 3,6 Mio. auf 1,8 Mio. Euro.
Bischofs reagierte mit einem Kahlschlag, der besonders die Vertriebskosten senken soll. So möchte der neue Vorstand die Vertriebsstandorte in Frankreich, Italien und Österreich auflösen. Alle europäischen Vertriebsaktivitäten mit Ausnahme Deutschlands werden der Brüsseler Niederlassung übertragen.
Vorstand drückt auf die Kostenbremse
Die Personalkosten in den Bereichen Vertrieb und Marketing werden zudem verringert. 4,5 Mio. Euro soll das dem Unternehmen bringen, das momentan noch um die 250 Mitarbeiter beschäftigt, bald werden es nach Aussage von Friedhelm Bischofs nur noch 210 sein.
Mit dieser Neuausrichtung hat Bischofs jüngste Unternehmensentscheidungen wieder rückgängig gemacht. "Seit Anfang 2006 hatte Intershop seine Vertriebsaktivitäten und -strukturen ausgebaut", erklärt Frank Biller, Analyst von SES Research. Das habe allerdings nur zu schlechten Ergebnissen geführt und keine Früchten getragen.
Doch auch mit den geplanten Einsparungen ist die Lage für das Unternehmen weiterhin mehr als prekär. "Wir haben nicht mehr viel Zeit", sagte Vorstandschef Friedhelm Bischofs am Mittwoch auf der Hauptversammlung im thüringischen Apolda vor gerade einmal 172 Aktionären. Auch Analyst Biller bestätigt diesen Trend. "Intershop muss in nächster Zeit vier bis sechs neue Kunden gewinnen, um auf einen grünen Zweig zu kommen." "Entweder Intershop verschwindet ganz vom Markt, oder die Firma vergrößert endlich ihre Kunden- und Umsatzbasis und schafft damit den Turnaround."
Zudem belasten Personalquerelen das Unternehmen. Zwei Aufsichtsratsmitglieder und der langjährige Vorstandschef Jürgen Schöttler mussten vor wenigen Wochen ihre Stühle räumen. Erst am Dienstag gab der Softwareentwickler bekannt, dass auch der Vertriebsvorstand Ralf Männlein ausgeschieden ist. "Es gab unterschiedliche Auffassung über die strategische Ausrichtung des Unternehmens", sagte Bischofs der FTD.
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