Naher Osten: US-Krieg gegen Irak nur Frage der Zeit? Viele Araber sehen in UN-Sanktionen lediglich den Versuch, Zeit zu schinden http://www.islamische-zeitung.de/home/index.html (ips)Inmitten von Spekulationen, ob der Irak die Auflagen der UN-Resolution 1441 erfüllen und seine Massenvernichtungswaffen aufgeben wird, hat sich im Nahen Osten die Überzeugung durchgesetzt, dass ein US-geführter Krieg gegen Bagdad unvermeidlich ist. "Der Region steht ein weiterer Krieg unmittelbar bevor", meint beispielsweise der italo-arabische Journalist Magdi Allam. Er geht davon aus, dass die Amerikaner im Verlauf des ersten Quartals des nächsten Jahres losschlagen werden.
Allam, der für die italienische Zeitung 'La Repubblica' arbeitet, hatte im Rahmen seiner jüngsten Nahostreise Araber nach ihrer Einschätzung über die Gefahr eines Krieges gegen den Irak und den Folgen befragt. "Gut informierte kuwaitische Regierungsvertreter und Journalisten sind der Ansicht, dass ein Krieg zwischen Januar und März stattfinden wird", erklärte er.
Tatsächlich tun die Amerikaner in jüngster Zeit wenig, um diese Befürchtungen zu entkräften. So haben Sprecher des Weißen Hauses wiederholt versichert, eine "Haltung der Null-Toleranz" gegenüber dem Irak einzunehmen, sollte sich der Bagdad nicht an die neue Resolution halten. Auch ist immer wieder zu hören, dass in einem solchen Fall Washington eine Erlaubnis der UN zum Losschlagen nicht benötigt.
Einem Bericht der 'Washington Post' ist zu entnehmen, dass die US-Regierung unter Präsident George W. Bush einen Angriffsplan vorbereitet hat. Dieser sieht den Einsatz von 250.000 US-und anderer Soldaten, die Einnahme Bagdads und die Installierung eine neuen Regierung vor.
Dennoch haben sich die 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga am Wochenende hinter die Resolution des UN-Sicherheitsrates gestellt. Sie gilt als letzte Chance zur Verhinderung eines weiteren Infernos in Nahost. Die arabischen Außenminister forderten Bagdad am Sonntag auf, die Rückkehr der UN-Inspekteure zuzulassen. An ein künftiges Inspektorenteam appellierten sie, ihre Arbeit professionell durchzuführen und auf Provokationen jeder Art zu verzichten.
Auch Kuwait appellierte an die Regierung in Bagdad, sich an die neuen Auflagen zu halten. Das Emirat war im Zuge eines US-geführten Gegenschlags von den irakischen Besatzern 1991 befreit worden, nachdem Saddam Hussein sieben Monate zuvor einmarschiert war.
Diese Forderung findet sich in den Medien in der Region wieder. "Je schneller die irakische Führung die neue Resolution akzeptiert, umso schneller lassen sich Versuche unterbinden, den Irak und die gesamte Region in einen destruktiven Krieg hineinzuziehen", hieß es kürzlich in der saudischen Tageszeitung 'Al Jazirah'.
Auch 'Al Ittihad' in den Vereinigten Arabischen Staaten (VAE) drängt den Irak dazu, "dieses Geschenk des Himmels (die Resolution) anzunehmen und zu ergreifen, das eine letzte Chance darstellt, seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, die Abrüstungsakte zu schließen und Kriegsgräuel zu verhindern".
Der 15-köpfige UN-Sicherheitsrat hatte am 8. November einstimmig beschlossen, den Irak zur rückhaltlosen Zusammenarbeit mit den internationalen Waffeninspekteuren bei der Suche nach atomaren, biologischen und chemischen Waffen aufzufordern. Sollte die Regierung in Bagdad die Untersuchung der Inspekteure behindern, muss sie mit "ernsthaften Konsequenzen" rechnen.
Syrien, das einzige arabische Mitglied des UN-Sicherheitsrates, hat der Resolution zugestimmt, nachdem die USA versprochen hatten, die Resolution nicht als "Vorwand für einen Krieg" zu missbrauchen. Die meisten Araber sind der Ansicht, dass die Bush-Administration nach Mitteln und Wegen sinnt, endlich zum Schlag gegen Saddam Hussein auszuholen.
Der Irak hat nun bis zum kommenden Freitag (15. November) Zeit, sich zu der Resolution zu äußern. Saudi-Arabien und Ägypten versicherten am Sonntag, Bagdad sei geneigt, die Waffeninspekteure ins Land zu lassen und sich an die Resolution zu halten.
Doch die saudische 'Arab News' warnte davor, dass die Einhaltung der Resolution keine Garantie dafür sei, dass die USA auf einen Angriff auf den Irak verzichten werden. "Ein Angriff gegen den Irak ist eine vornehmliche Wahrscheinlichkeit. Es ist der Zeitpunkt, der im Dunkeln liegt", schreibt das Blatt.
"Nachdem sich die USA dem europäischen und internationalen Druck gebeugt hat, keinen Krieg anzufangen, wenn in der arabischen Welt die anti-westlichen Gefühle waschen, bedeutet die Resolution nur eine Verschiebung des Kriegs", meint auch der Banker Ali Ahmad Al Kheteiri. "Die Entscheidung, den Irak anzugreifen, ist längst von arabischen und anderen Ländern getroffen."
P.V. Vivekanand, Redakteur der in den VAE angesiedelten englischsprachigen Tageszeitung 'Gulf Today', wies vor diesem Hintergrund auf die vielen Schlupflöcher hin, derer sich die USA bedienen können, um zum Schlag gegen Saddam Hussein auszuholen.
Im Hinblick auf Forderungen in der Resolution, denen der Irak nur mit Schwierigkeiten nachkommen kann, erklärte er: "UN-Inspekteure haben das Recht, jeden Bürger des Iraks im Rahmen ihrer Mission zu befragen, und von Bagdad wird erwartet, die Befragung dieser Personen und ihrer Familien an einem sichereren Ort außerhalb des Iraks zuzulassen."
Wenn die Klausel angewandt werde, dann würden Iraker, die unter den lähmenden UN-Sanktionen der letzen zwölf Jahre gelitten haben und jetzt eine Möglichkeit sehen, mit Hilfe alter 'Informationen' ein besseres Leben außerhalb ihres Heimatlands zu führen, massenweise davon Gebrauch machen", erläutert der Experte. "Solche Informationen wiederum können von den Amerikanern genutzt werden, um Bagdad der Nichteinhaltung der Resolution zu beschuldigen. Dann wären wir wieder beim Krieg angekommen."
Vivekanand zufolge versuchten die USA zudem, den Irak im Zuge des Abrüstungsprozesses aller seiner Wissenschaftler zu berauben. Damit wäre Bagdad auf keinen Fall einverstanden, und es würde erneut die Saat für einen Krieg aufgehen.
Nach Meinung des Journalisten bleibt dem Irak – unabhängig von den weiteren Plänen der Vereinigten Staaten – nichts anderes übrig, als bedingungslos mit den UN-Inspekteuren zusammenzuarbeiten und zu tun, was von ihnen gefordert wird. Am Dienstag hat das irakische Parlament ihrer Regierung empfohlen, die Resolution zurückzuweisen.
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