Interpol-Chef Roland Noble ist überzeugt, dass Osama Bin Laden noch am Leben ist. Er warnt eindringlich vor neuen Anschlägen der Terrorgruppe. In Großbritannien laufen die Schutzvorkehrungen bereits auf Hochtouren. AP Terrorchef Bin Laden: Keinerlei Beweise für seinen Tod Paris/London - "Es braut sich etwas Beunruhigendes zusammen", sagte Noble der französischen Tageszeitung "Le Figaro". Unter Geheimdienstspezialisten herrsche die einhellige Meinung, dass das Terrornetzwerk eine Operation vorbereite, die nicht nur die USA, sondern mehrere Länder zugleich treffen solle. Die Bedrohung sei weltweit, und kein Land sei vor Anschlägen sicher. Zudem gehe er mangels gegenteiliger Beweise davon aus, dass Osama Bin Laden lebe. Es gebe keinerlei Beweise für den Tod des mutmaßlichen Terrorchefs, der nach Interpol-Recherchen über ein Vermögen von 280 Millionen bis 300 Millionen Dollar verfügt. Die Warnung, die der britische Innenminister David Blunkett am Donnerstagabend verbreiten ließ, klang dementsprechend alarmierend: Die Terrorgruppe al-Qaida beabsichtige möglicherweise die Zündung einer "schmutzigen" Bombe oder einen Giftgasanschlag auf Großbritannien. Für die Anschläge könnten Züge benutzt werden. Auch eine Flugzeugentführung sei denkbar. Außerdem werde befürchtet, dass die islamistische Gruppe Taktiken der IRA kopieren könnte, etwa Attentate auf prominente Persönlichkeiten oder Auto- und Paketbomben.
Eine halbe Stunde später jedoch zog das Innenministerium diese Presseerklärung wieder zurück und ersetzte sie durch eine mildere Version. In der war plötzlich keine Rede mehr von einer "schmutzigen" Bombe oder Giftgas. Die erste Meldung sei ein veralteter Entwurf gewesen, versuchte das Innenministerium den eigentümlichen Vorfall zu erklären. Hinter den Kulissen jedoch geht man davon aus, dass die Regierung zurückruderte, um keine Panik auszulösen.
Die britische Regierung ist nervös angesichts zweier anstehender öffentlicher Großereignisse mit prominentem Publikum: einem Gedenkgottesdienst in Whitehall am kommenden Sonntag und die Eröffnung des Parlaments am darauf folgenden Mittwoch. Die Königin, der Premierminister und das gesamte Kabinett wird anwesend sein.
Den Grad der Besorgnis der britischen Behörden erkennt man an den intensiven Vorkehrungen im Vorfeld der Whitehall-Veranstaltung. Sogar auf die Behandlung von Pocken, Anthrax-Vergiftungen und radioaktiver Verseuchung sind die Krankenhäuser vorbereitet. Eine Gesundheitsschutzbehörde wird gegründet, die bei Terrorattacken die Federführung übernehmen soll. Zuvor wurde schon ein Nationales Büro für Terrorbekämpfung und Sicherheit eingeführt, das sich um neue Terrortaktiken und mögliche Verteidigungsstrategien kümmert. Die Besorgnis des britische Innenministerium folgt einer Warnung aus Deutschland, wonach die militante Islamistengruppe al-Tawhid unter der Führung des in London ansässigen Religionsführers Abu Katada neue Anschläge in diesem Monat plant. Die Gruppe sei sehr aktiv, Deutschland und seine Nachbarländer sollten die nächsten 20 Tage besondere Vorsicht walten lassen.
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