Schröders Politik der schlaffen Hand
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neuester Beitrag: 22.08.01 12:31
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eröffnet am: | 17.08.01 08:30 von: | Dixie | Anzahl Beiträge: | 36 |
neuester Beitrag: | 22.08.01 12:31 von: | modeste | Leser gesamt: | 4986 |
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Gerhard Schröder: Politik der schlaffen Hand
Von Peter Ehrlich, Claus Hulverscheidt, Haig Simonian
Trotz des Abschwungs bleibt der Kanzler bei seinem Kurs des bewussten Nichtstuns. Aus dem Angreifer ist ein Verteidiger geworden. "Was soll ich tun?" Gerhard Schröder.
Die Berliner Republik ist aus ihrem Sommerschlaf erwacht. Der bevorstehende Einsatz von Bundeswehrtruppen in Mazedonien hat zwischen den Spitzen des Kabinetts ein hektisches Hin- und Hertelefonieren ausgelöst. Am Montag sprachen Gerhard Schröder und sein grüner Vizekanzler Joschka Fischer gleich zweimal miteinander. Auch Finanzminister Hans Eichel, Verteidigungsminister Rudolf Scharping und die Fraktionschefs durften mal wieder etwas entscheiden.
Von so viel Aufgekratztheit können die Wirtschaftsreformer in der Koalition nur träumen. Wenn es um ökonomische Belange geht, herrscht im Kanzleramt wie in der SPD-Zentrale die Politik der "ruhigen Hand". Der Begriff, den der Kanzler vor dem Sommer prägte, steht vor allem für eins: Untätigkeit.
Wo sind die Taten
Vorbei die Zeiten, als Schröder im Gewand des Machers durch das Land zog und den angeschlagenen Baukonzern Holzmann quasi nebenbei vor der Pleite rettete. Ausgerechnet jetzt, wo sämtliche Konjunkturindikatoren nach unten zeigen, die Ökonomen ihre Wachstumsprognosen beinahe im Wochentakt herabstufen und die Arbeitslosigkeit wieder steigt, bleibt der Kanzler Taten schuldig.
Die Ziele, die sich Kanzler und Regierung bei Wachstum und Beschäftigung gesetzt haben, entpuppen sich immer mehr als Illusion. Zugleich wird deutlich, dass die Truppe um Schröder kurz vor der Bundestagswahl 2002 kein Rezept gegen den Abschwung hat. Die Folge: In der Koalition macht sich allmählich Unruhe breit.
Viele Unzufriedene
Die Bilder von Schröder-Fans, die den Kanzler bei seiner Tour durch die neuen Bundesländer eifrig beklatschen, täuschen über das wahre Bild der Regierung in der Öffentlichkeit hinweg. 62 Prozent der Befragten, so ermittelte das Institut infratest-dimap, sind mit den Leistungen der Bundesregierung unzufrieden. Das sah vor drei Monaten noch ganz anders aus. Gerhard Schröder, der Genosse der Bosse, der Macher im Kanzleramt, ist vom Angreifer zum Verteidiger geworden.
Über Monate hielt Schröder an seiner Wachstumserwartung von zwei Prozent für das laufende Jahr fest. Seit auch der optimistischste Volkswirt nicht mehr von "Delle" sondern von "Abschwung" redet, will nun auch der Finanzminister im September seine offizielle Prognose zurücknehmen. Schuld an der Flaute seien die USA und die Weltwirtschaft, so Schröder, deren ungünstigen Einflüsse sich Deutschland nicht entziehen könne.
Notgedrungener Rückzieher
Auch bei der bedeutendsten Kennziffer seiner Amtsperiode, an der er sich für die Wiederwahl messen lassen wollte, machte der Kanzler einen Rückzieher - notgedrungen. Die Vorhersagen der Konjunkturforscher lassen kaum noch hoffen, dass die Zahl der Arbeitslosen im kommenden Jahr auf 3,5 Millionen sinkt, wie von Schröder versprochen. "Auf jeden Fall wird die Arbeitslosigkeit geringer sein als bei Regierungsantritt", versuchte er den Patzer schönzureden.
Selbst bei den Lohnnebenkosten wird die Regierung an ihrer Zielvorgabe scheitern. Die Sozialversicherungsbeiträge werden 2002 aller Voraussicht nach steigen und nicht wie im Koalitionsvertrag vereinbart auf 40 Prozent fallen. "Nur der Sparkurs als Markenzeichen bleibt", heißt es im Finanzministerium.
Eine vorgezogene Steuersenkung würde genauso wie der Vorschlag, Milliarden in den Arbeitsmarkt zu pumpen, die Neuverschuldung anheben und so das Budget sprengen. Ergo stehe der Kanzler fest zur Konsolidierung, versichern Mitglieder der Koalition.
Verteidigungshaltung
Wie sehr sich Schröder in die Verteidigerrolle gedrängt fühlt, zeigt sich im Umgang mit Journalisten. So beantwortete er beim Pressegespräch am Dienstagabend im Stettiner Radisson SAS-Hotel ganz gegen seine Art Fragen mit Gegenfragen: "Was soll ich tun? Welchem Ratschlag der Opposition soll ich folgen?"
In Interviews zählt er länglich auf, was die Regierung alles geleistet habe, anstatt Ziele vorzugeben. Und wie schon einmal im schwierigen Jahr 1999 schränken seine Strategen die inoffiziellen Kontakte zur Presse bei Bier oder Rotwein stark ein.
Selbst für Medienschelte ist sich Schröder neuerdings nicht zu Schade. Bei einem Treffen mit Journalisten in der Bar des Dampfers "European Vision" am Rande des G8-Gipfels in Genua verbrachte er ein Drittel der Zeit damit, an der Konjunkturberichterstattung und den Wirtschaftsforschungsinstituten herumzukritteln. Alles Zeichen dafür, dass Schröder bei weitem nicht so entspannt ist, wie er nach außen demonstriert.
Besonders empfindlich scheint er auf das Wort "Aussitzen" zu reagieren, mit dem sonst sein Vorgänger aus Oggersheim verhöhnt wurde. Es stand diese Woche auf dem Titelbild des "Spiegel". "Da wird seitenlang das Nichtstun kritisiert und dann werden die Vorschläge, was man tun könnte, ebenfalls zerrissen", klagt ein SPD-Fraktionssprecher.
Ungeduld bei den Grünen
Noch spürt Schröder kaum Druck aus der eigenen Partei. "Eine breite Mehrheit in der Fraktion wie an der Basis steht hinter Schröder", sagt Reinhold Robbe, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises. Und auch die Linken in der Fraktion halten sich mit der Forderung nach Konjunkturprogrammen zurück.
Ungeduldig hingegen werden allmählich die Grünen. Sowohl deren Finanzexpertin Christine Scheel als auch Thea Dückert, arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, drängen endlich auf Taten zur Belebung der Wirtschaft. "Die brauchen das auch, um sich vor den nächsten Landtagswahlen zu profilieren", kanzelt ein Regierungsmitglied die Aufmucker ab. Selbst ein grünes Schwergewicht wie Fraktionschef Rezzo Schlauch konnte seinen Duzfreund Gerhard nicht dazu bringen, sich zu bewegen.
Mit der Wirtschaft sei es mit dem Meer, versuchte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering das Nichtstun vergangene Woche zu erklären. Mal komme das Wasser, mal gehe es.
Die Wähler haben für diese Art von politischem Zen-Buddhismus wenig übrig. Schon bröckeln die Umfragewerte. Bei der Wirtschaftskompetenz liegt die Union wieder vor der SPD. Münteferings Slogan "Sicherheit im Wandel" scheint sich als zu brav zu erweisen.
Gezielte Maßnahmen
Um den Eindruck des Nichtstuns zu vermeiden, wurden diese Woche neue Interpretationsversuche gestartet. "Ruhige Hand heißt nicht, die Hände in den Schoß zu legen", verkündeten die Regierungssprecher. Als Beispiele wurden das Städtebauprogramm Ost und die Erleichterung von Beteiligungsverkäufen für Mittelständler präsentiert.
Immerhin, die Maßnahmen wurden geschickt verkauft. Die Ost-Hilfen gingen als 4,2-Mrd.-DM-Programm durch, obwohl Bund, Länder und Gemeinden die Summe bis 2009 strecken. So muss der Finanzminister im kommenden Jahr gerade mal 200 Mio. DM zusätzlich aufwenden, die steuerliche Mittelstandskomponente kostet ihn 150 Mio. DM.
Dabei muss es nicht bleiben. Weitere solcher "gezielter Maßnahmen" seien durchaus denkbar, lautet die neueste Sprachregelung in der Koalition. Ein bisschen Geld lässt selbst der strenge Hans Eichel im Notfall springen.
Die Möglichkeiten sind vielfältig. Denkbar wären etwa Verbesserungen bei den Abschreibungsbedingungen durch den Verzicht auf die geplanten so genannten Branchentabellen oder sogar Rücknahme der bereits in Kraft getretenen Tabellen für wichtige Wirtschaftsgüter.
Plausibler als ein neues Signal an die Wirtschaft erscheinen jedoch Maßnahmen zu Gunsten des Arbeitsmarktes. Bisher hat Schröder stets erst die eine und dann die andere Seite des Bündnisses für Arbeit bedacht. Über das noch nicht beschlossene Job-Aktiv-Gesetz ließe sich etwa die Förderung des Niedriglohnsektors ausbauen.
Andererseits könnte sich Schröder verstärkt für Dinge engagieren, die den Bund nichts kosten. Einen Anfang machte er mit seinem Eintreten für das VW-Modell 5000 x 5000, bei dem abweichend vom geltenden Tarifvertrag 5000 Arbeitsplätze mit jeweils 5000 DM Monatslohn geschaffen werden sollen. "Das Beispiel VW zeigt, dass innovative Lösungen möglich sind", sagte Schröder in Stettin. Die deutschen Gewerkschaften seien flexibler als ihr Ruf.
Für welche Varianten sich Schröder letztlich entscheidet und ob am Ende für PR-Zwecke ein kleines Paket geschnürt wird, bleibt offen. Zunächst einmal heißt das Top-Thema Mazedonien. Und da will Schröder zeigen, dass er Parlament und Partei im Griff hat.
Quelle: Financial Times Deutschland
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Das einzige was mir zum gesamten Thema noch Sorge macht: Es gibt gar keine alternative! Die Liberalen sind zu schwach und die deutsche Spiritualitätsliga bietet mit Edmund Stoiber einen erstklassigen Landeslobbyisten auf, der sich ebenfalls alles schönreden würde.
Meines Erachtens ist das Problem das die dem Kanzler und den Ministern nachgeordneten Apparate niemals einen echten Reformkurs mitmachen würden. Ein müder Interessenhaufen, der alles blockiert. Ich meine einmal mitbekommen zu haben, das der jeweilige US-Präsident eine Menge Leute in diese nachgeordneten Ämter und Behörden mitbringt (in der Regel Ex-Wahlhelfer) und die anderen gehen müssen. Vielleicht die einzige Lösung die sich bietet.
Übrigens finde ich den Möllemann nicht besonders kompetent, aber das die Liberalen in Zukunft besser abschneiden werden das ist sicher und der liegt mit seinem Ziel, 18% für die fdp gar nicht so falsch.
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schließlich "seinerzeit" ; geht auch solange gut,
bis man rezessive Erscheinungen in der Wirtschaft
bekommt, dann kann man doch nicht so kurzsichtig
sein, zu glauben, Großkonzerne würden nicht entlassen.
Verschlafen in dem Sinne, die Renten u. Steuerspirale
ignoriert zu haben ( wie die Vor - Kohl - Regierungen
ja auch ), aber in den vielen Jahren Ära Kohl waren
die Anzeichen für die künftige Katastrophe so drückend
geworden, dann nichts getan zu haben , so lange, nur um
sich nicht unbeliebt machen zu müssen, das werfe ich ihnen vor.
Und, tut mir ja leid, aber über Tante Merkel, Merz und Co.
kann ich nur noch den Kopf schütteln ( nicht mal mehr lächeln! )
soviel qualifizierter Unsinn, der da kommt !
Gruesse
MOB
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Hab mal plastisch vonner Journalistin geschlidert bekommen wie mit Frau Fischer umgegangen wurde(da wird einem schlecht,das kann niemand bezahlen)+ich schätzemal das ist in keinem Ministerium anders,das iss nur noch ein Job für Psychatriepfleger ausser Forensik
blaubärgrüsse
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Bin mir daher nicht schlüssig, ob man die Roten (Ausnahme: die SED) nicht weiter knösen lassen soll...Ich sehe auch bei den Konservativen/Liberalen niemanden, der um der Sache willen einscheidende Reformen angreifen würde mit dem Risiko, die nächste Wahl zu verlieren..
gruß
modeste
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Hier hat es in den vergangenen 20 Jahren seitens der Politik erhebliche Versäumnisse gegeben.
So sind die Realeinkommen in den USA von lohnabhängig arbeitenden um über 20 % gesunken, in den unteren Lohngruppen sogar um mehr als 25 %!!
Im gleichen Zeitraum haben sich die Unternehmensgewinne vervielfacht..und eine Unmenge an Arbeitslosen wurde produziert..!
In Deutschland sind die Zahlen übertragbar.
seitens der Gewerkschaften wurden erhebliche Zugeständnisse, mit Hoffen auf eine Verbesserung der Beschäftigungssituation gemacht...den Erfolg sehen wir, noch höheren Arbeitslosenzahlen.....
Der Schritt von der ein Drittel/ zwei Drittel zur ein Fünftel/ 4 Fünftel Gesellschaft wird erfolgreich vollzogen....!!!
Träumen wir weiter vom Kapitalismus mit menschlichem Antlitz!!??
Übrigens, gestern lief ein sehr guter Beitrag von MONITOR (Bednarz) zu dem Thema auf der ARD...
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Man soll mal die Stellen offerieren und die Gewerkschaft wird feststellen, dass sich mindestens 20.000 Bewerber einfinden, welche für 5000,- arbeiten würden.
Aber nein man muß da ja halt rumkotzen !
Lieber muß man sich mit 5 anderen Gewerkschaften zusammenschließen um dann 3% mehr Lohn rauszuboxen anstatt wirklich Arbeitsplätze zu schaffen.
Beim Mittelstand muß man auch aufpassen : die Steuerreform betrifft Kapitalgesellschaften also auch GmbHs,...)
Bei den Personengesellschaften sind aber viele gar nicht bereit sich trotz der vorhandenen Mittel in eine Kapitalgesellschaft umwandeln zu lassen. Dann hören nämlich die Freiheiten für das Private aus. ("Steuerfrei" d.h. über die Firma privat einkaufen, Krankenversicherungsvorteile, private Kosten schön mit über die Firma verrechnen, ...) und dass sind auch Punkte, welche Beachtung finden sollten. Bei Kapitalgesellschaften geht das nicht.
Und nennt mir mal die Gerechtfertigung, warum der Besitzer einer Personengesellschaft sein Einkommen mit 25% und ich als Angestellter es mit knapp 43% an Abgaben belasten soll.
Ich denke, es geht alles nicht von heute auf morgen :
nächster Schritt : Krankenkassen reformieren - jeder soll die Beiträge ausbezahlt bekommen und selbst entscheiden, was er damit macht. Die Krankenkassen sollen ihre Leistung wie z.B. die Unfallversicherungen anbieten und man soll sich als Kunde entscheiden ! Damit muß dort (und vorallem bei der AOK) wirtschaftlicher gearbeitet werden. Arbeitslose soll dann der Staat in die jeweilige günstigste Krankenkasse stecken !
Rentenreform : denke ich ist ein guter Ansatz!
Arbeitslosenversicherung : kann ja so bleiben !
Pflegeversicherung : könnte ja als eine Zusatzversicherung (wie z.B. Teil- oder Vollkasko) laufen !
Und eventuelle Ansprüche sollten sich an den eingezahlten Sätzen orientieren.
Wenn ich z.B. 5000,- Brutto habe und auf dem Bau arbeite und weiß, dass ich im Winter häufig arbeitslos bin, dann sollte mir die Entscheidung frei stehen vielleicht auch mehr Arbeitslosengeld einzuzahlen z.B. 1500 DM und dann für eine bestimmten Zeitraum dann auch mehr AL-Geld bekommen.
Aber nicht im verknöcherten Deutschland. Wo die Kinder immer weniger werden, die Kosten für den Nachwuchs ständig steigen, die Jugend immer mehr verwahrlost und nur noch rumpöbelt, randaliert. Wo die Gewalt an Schulen eskaliert. Die Jugendlichen besonders in den neuen Ländern keine Ausbildungsstelle und später Job finden.
Man merkt dass sich Deutschland in 4 Lager spaltet.
1. Die die alles in den Ar... geblasen bekommen.
2. Die die optimistisch sind und versuchen ihre gesteckten Ziele erreichen
3. Die die an ihren Zielen gescheitert sind und resigniert aufgegeben haben.
4. Die die es aufgrund der 3. gar nicht erst versuchen.
Und leider werden 3 und 4 immer mehr ! Und das ist Schade !
Gruß
Nobody II
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Ärzte bescheißen die KV nach kräften
Patienten holen Medikamente inner Apotheke um sie hinterher komplett in den Müll...
Unternehmer werden alte Arbeitnehmer auf Kosten der Rentenversicherung los
Eine Amilandschaft wie sie die brutalstmögliche Fresse gern hätt fänd ich arm,
wo Patienten mit Drainageschläuchen ausser Lunge hängend vor das Krankenhaus geschoben werden(mangels Kohle)
Sozialstaat iss ne Qualität die nicht nur der direkte User schätzen sollte spätestens wenn Leute mit Knete hier nur noch hintern Zaun und Wachleuten leben können wird das klar.
blaubärgrüsse
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Ich wäre Dir für eine Auskunft (vielleicht Link) sehr dankbar.
USA:
Einwohner 2000: 285.230.516 Personen
Arbeitslose: ca. 3.400.000
Deutschland: das ist ja wohl bekannt
Realeinkommen USA: Deine Aussage bezweifel ich; werde sie überprüfen.
Natürlich gibt es dort auch "white trash", die bei uns durch die Sozialhilfe alimentiert werden.
MfG
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Bericht: Philip Siegel, Ursel Sieber
Er möchte die Probleme und Sorgen der Menschen in den neuen Ländern besser verstehen - das ist eine Absicht, die sich der Kanzler für seine Sommerreise auf die Fahne geschrieben hat. Doch schon nach den ersten Tagen wird klar: Der Kanzler will vor allem eins: Gute Laune verbreiten. Denn alles, was ihn irgendwie stören könnte, lässt Schröder links von seiner Reiseroute liegen. Das Arbeitsamt mit Deutschlands höchster Quote, mittelständische Firmen, die gerade dicht machen, Jugendliche, die aus Perspektivlosigkeit in den Westen abhauen. Bei seiner letzten Sommerreise im vorigen Jahr hatte er vollmundige Versprechen gemacht. Leere Versprechen, wie MONITOR zeigt.Schröders Jubeltour im Osten - wo der Kanzler nicht hinschaut
Bericht: Philip Siegel, Ursel Sieber
Er möchte die Probleme und Sorgen der Menschen in den neuen Ländern besser verstehen - das ist eine Absicht, die sich der Kanzler für seine Sommerreise auf die Fahne geschrieben hat. Doch schon nach den ersten Tagen wird klar: Der Kanzler will vor allem eins: Gute Laune verbreiten. Denn alles, was ihn irgendwie stören könnte, lässt Schröder links von seiner Reiseroute liegen. Das Arbeitsamt mit Deutschlands höchster Quote, mittelständische Firmen, die gerade dicht machen, Jugendliche, die aus Perspektivlosigkeit in den Westen abhauen. Bei seiner letzten Sommerreise im vorigen Jahr hatte er vollmundige Versprechen gemacht. Leere Versprechen, wie MONITOR zeigt.
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welche die Regierung Kohl erst nach 12 Jahren ihrer Tätigkeit
anging, im Sommer 97 vom SPD - geführtem Bundesrat abgelehnt
wurde. Eine Steuerentlastung von annähernd 100 Mrd. DM war
geplant, offen gegenfinanzieren konnten die Leute um Waigel,
laß mich nicht lügen , ich glaube ca. 60 Mrd. --> gibt ein
ganzschöngroßes Loch, und das dann mit dem Wegfall der
Fahrkostenpauschale der Arbeitnehmer und der Reduzierung
des Solidaritätszuschlages ( nach Zahlen der Berliner Zeitung
waren 1996 noch fast 60 % der Westdeutschen der Ansicht, sie,
und nur sie, würden den bezahlen ) zu stopfen war nicht
zu machen.
Gut jetzt könnte man Waigel und Henkel zitieren "Die SPD
blockiert" oder die "Roten" mit "Die Regierung verschleppt,
weil sie selbst nicht weiß, wie sie finamzieren soll", und
von beidem stimmt etwas, aber Faktum ---> nix ist passiert.
Ob da ein Herr Schröder Länderstimmen für viel Geld zu-
sammenkauft und das schön ist oder nicht , immerhin ist
dahingehend etwas passiert. Das wir einen wirtschaftlichen
Abschwung haben, Pech, vielleicht Schröders Pech, aber das
ist immerhin nicht seine Schuld.
Gruesse
MOB
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viele Grüße
ww
"Dem Traum Amerika hält die politische Linke das Trauma Amerika entgegen: In den Jahren 1977-89 sind in den USA die Realeinkommen des unteren Einkommensfünftels der Bevölkerung um fast 10 Prozent gefallen, während die Realeinkommen des obersten Prozents der Bevölkerung um 100% gestiegen sind."
Quelle:
http://www.sozis.de/kmw/kolumne/jvw/
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Von Dieter Rulff
Der Standort Deutschland hat ein Problem. Das wird ihm durch "unsere hohen Löhne, die hohe Steuer- und Abgabenbelastung sowie eine absurde Regulierungsdichte" beschert. So lautet die Wahrheit des BDI-Präsidenten Olaf Henkel. Es ist noch nicht einmal die halbe Wahrheit.
Als Anfang 1995 der Dollar gegenüber dem Yen und der Mark um 20 Prozent abrutschte, setzte ein Run auf die beiden Währungen ein. Daraufhin mußten auch alle europäischen Staaten im Verhältnis zu Mark und Yen abwerten. Die Auslandseinnahmen deutscher Unternehmen waren plötzlich viel weniger wert als kalkuliert, Daimler, Airbus, VW und viele andere schrieben rote Zahlen und kündigten an, künftig vorrangig im Ausland zu investieren. So lautet ein anderer Teil der Wahrheit über das deutsche Standortproblem, nachzulesen in dem Buch "Die Globalisierungsfalle" der beiden Spiegel-Redakteure Hans-Peter Martin und Harald Schumann. Die beiden Autoren erweitern die auch von sozialdemokratischer Seite gepflegte These von der wechselkursbedingten Schwäche der deutschen Wirtschaft um eine wesentliche Facette: Der schnelle Kursverfall des Dollars gegenüber der Mark war nicht gerechtfertigt, denn die tatsächliche Kaufkraft des Dollars entsprach eher dem Wert von 1,80 statt der gehandelten 1,36 Mark. Mit den Gesetzen des freien Marktes läßt sich das nicht begründen, allerdings läßt es sich als eine gewollte politische Strategie der Amerikaner erklären, um die eigene exportschwache Wirtschaft anzukurbeln.
Zeitweise Destabilisierung der eigenen Währung zur Stabilisierung der Wirtschaft ist nur eine der Spielarten, die die Global Player der internationalen Finanzmärkte beherrschen. Destabilisierung fremder Wechselkurse, um vom absehbaren Kursverfall zu profitieren, ist eine andere. Die Möglichkeiten, Aktienwerte zu manipulieren, sind so reichhaltig wie der Profit, der sich noch aus der Verschiebung der dritten Stelle hinter dem Komma bei einem Kurs erzielen läßt. Was zählt, sind weniger die realen Wertveränderungen als vielmehr die induzierten Schwankungen, die die spekulativen Geldströme auslösen. 1995 wurden allein in Termingeschäften Kontrakte im nominellen Wert von 41.000 Mrd. Dollar gehandelt.
Martin/Schumann geben anschaulich Einblick in das globale Netz der Geld- und Anlagemärkte, sie ordnen dem anonymen Fluß der Werte Namen zu, sie schildern Wirkungen und benennen Verursacher. Und sie warnen vor den fatalen Folgen, dem Zusammenbruch einzelner Volkswirtschaften und der damit einhergehenden Verelendung, wie dem "größten anzunehmenden Unfall", dem Börsenkrach, gegenüber dem sich der Sturz der Barings-Bank als harmloses Spektakel ausnimmt.
Zur Regulierung der internationalen Finanzströme empfehlen Martin/Schumann die Einführung einer Steuer auf Devisentransaktionen. Eine solche Tobin-Tax (benannt nach dem Nobelpreisträger James Tobin) würde spekulative Wechselkursschwankungen eingrenzen, da diese erst ab einer gewissen Marge gewinnträchtig wären und zudem zu beträchtlichen Einnahmen führten. Das Problem ist nur, wie läßt sich diese Steuer erheben, ohne zugleich Devisenbewirtschaftung zu betreiben? Die von linken Ökonomen und Politikern neuerdings als willkommene Deckung staatlicher Defizite gefeierte Einnahmequelle leidet zudem unter dem Mangel, daß sie nur fließen würde, wenn alle Staaten dieser Welt sie gleichzeitig und gleichartig einführen würden. Eine in Anbetracht der globalen Konkurrenz der Standorte wenig realistische Perspektive.
Die Entgrenzung der Märkte, die ihren ersten Schub Ende der siebziger und ihre vorläufige Vollendung in der Gründung der WTO Mitte der neunziger Jahre erlebte, fand ihr innerstaatliches Pendant in den drei "-ungs": Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung. Forciert wurde dieser Prozeß von Politikern wie Thatcher und Reagan, theoretisch unterfüttert wurde er von Wirtschaftswissenschaftlern wie Hayek und Friedman, die das Ende der keynesianischen Ära einläuteten. Die Regeln der ehedem nationalen Volkswirtschaften wurden gesprengt, die Einzelstaaten gerieten in zunehmende Abhängigkeit transnationaler Konzerne. Die gleichen Regierungen, die den weltweiten Kapitalverkehr durchsetzten, kämpfen nun gegeneinander darum, das Kapital an ihrem Standort zu halten. Die Kampfmittel sind überall die gleichen: Subventionen, verlorene Zuschüsse, zinsgünstige Darlehen, Steuervorteile. In der Konsequenz sinkt der Anteil der Unternehmen am Staatseinkommen, der Anteil der abhängig Beschäftigten steigt. Und diese geraten zudem in einen unaufhaltsamen Strudel aus Entwertung und Rationalisierung. "Auslagern, vereinfachen, streichen und kündigen", schreiben Martin/ Schumann, "die Hochleistungs- und High-Tech-Ökonomie frißt der Wohlstandsgesellschaft die Arbeit weg und entläßt ihre Konsumenten." Der schrankenlose Wettlauf um Anteile am Welt(arbeits)markt entwertet in immer schnelleren Zyklen die Arbeitskraft. "Egal was sie tun, die meisten Arbeitnehmer können bei diesem Spiel nur noch verlieren." Was droht, ist nicht mehr die Zweidrittel- sondern die 20-zu-80-Gesellschaft, was diese noch zusammenhält, brachte Zbigniew Brzezinski, ehedem Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter, auf den bildhaften Begriff "Tittytainment": panem et circenses im Jahre 2000 nach Christi.
Zur Globale der Kapitalmacht entwerfen Martin/Schumann die Totale der Leitbilder und Bildschirme: "Disney über alles". Weltangleichung im Werbeblock. Die Kolonialisierung der globalen Kultur im Dienste der McDonald's und Murdochs ist eines der schwachen Kapitel, ein Parforceritt durch gängige Klischees des zeitgenössischen Kulturpessimismus. Düster auch die Farben, in denen gesellschaftliche und politische Folgen der Globalisierung ausgemalt werden: organisierte Kriminalität, krasser Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität, abgeschlossene Reichenghettos, Zulauf für Rechtspopulisten. Das "horrende Tempo der Veränderung wird zu einem Trauma für einen Großteil der Bevölkerung" zitieren Martin/Schumann den US- Ökonomen Edward Luttwak, der dafür den Begriff des "Turbo-Kapitalismus" prägte. Als mögliche Reaktion darauf drohen Handels- und Abwertungskriege, die zu wirtschaftlichen Verwerfungen und Wohlstandsverlusten führen würden.
Um den Rückfall in den wirtschaftlichen Nationalismus zu verhindern, setzen Martin/Schumann auf die Regelung des grenzenlosen Systems mittels eines erneuerten wohlfahrtsstaatlichen Systems. Den Autoren ist klar, daß es dabei kein Zurück zu den siebziger Jahren gibt, als noch die Nationalstaaten mittels Besteuerung für Verteilungsgerechtigkeit gesorgt haben.
Sie setzen auf die Verwirklichung der Europäischen Union, nicht nur als Ordnungsrahmen, sondern auch als Gegengewicht zur bisherigen US-amerikanischen Dominanz auf den Devisenmärkten. Denn Größe sei der einzig wichtige Machtfaktor in der globalisierten Ökonomie, damit ließe sich auch auf die Trockenlegung der Steueroasen drängen und privater Zinsgewinn wieder der Steuerpflicht unterstellen.
Die Abwärtsspirale der nationalen Wettbewerber um die Kapitalanlagen ließe sich sicher durch eine europäische Harmonisierung unterbrechen. Doch für wie lange? Wann würden die Effekte dieser Angleichung wieder durch die Konkurrenz mit den Wirtschaftsräumen Südostasiens und Amerikas durchbrochen? Und welche Chancen (und Gefahren) lägen in einer Verteuerung der globalen Verkehrsströme und einer dadurch induzierten Regionalisierung der Wirtschaftsräume? Auf diese Fragen hätten die Autoren sicher profunde Antworten gewußt, leider fehlen sie.
Offen ist auch noch die Frage, welches die gesellschaftlichen Kräfte sind, die sich der Abwärtsspirale entgegenstemmen, wo die Mehrheiten zu finden sind, das sozialstaatliche Projekt zu retten. Die Antwort darauf sollte man fairerweise nicht von Martin/Schumann erwarten, den diese Antwort suchen eine Reihe prominenter Politiker seit Jahren vergeblich.
Hans-Peter Martin, Harald Schumann, "Die Globalisierungsfalle - Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand, Rowohlt, Reinbek 1996, 351 Seiten, 38 DM
http://www.smipp.com/taz05.htm
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Ein vorweg: No Logo ist keine objektive Studie, sondern ein aus links-intellektueller Sicht geschriebenes Buch mit klarer politischer Aussage. Nur zum kleineren Teil geht es um die Auswirkungen von Werbung auf unser tägliches Leben. Um Marketing, dass das öffentliche Bild bestimmt und unaufgefordert immer mehr öffentliche Plätze - geistige wie tatsächliche - vereinnahmt. Um Markenklamotten, für die Schüler zu Straftätern werden, den Schriftzug, der längst eine Art überhöhter Talisman ist. In diesem Teil ist das Buch teilweise scharfsinnig, stellt Bezüge und Strukturen her, etwa die Beziehungen von Kultursponsoring und der Kultur selbst. Leider geht die Autorin viel zu wenig auf die Auswirkung der Werbung auf den Konsumenten ein: was hat sich langfristig bei den Leuten durch Marken-Branding verändert, wer kauft was, usw? Zum insgesamt größeren Teil geht es aber um die Machenschaften von Konzernen wie Nike oder Gap, die nur noch Werbung herstellen - und die eigentliche Entwicklung von Produkten den sogenannten „Sweatshops" in der dritten Welt überlassen. Sweatshops heißen die abgeschirmten Turnschuh- oder Jeansfabriken, in denen an der Tagesordnung sind: Hungerlöhne, zwangsweise Überstunden, Schwangerschaftstests, sexuelle Belästigung und sogar Kinderarbeit. Die Autorin macht Vorschläge, wie die Ungerechtigkeiten beseitig werden können. Leider wirkt das ganze teilweise albern, etwa wenn sie zum Verändern von Anzeigenmotiven und Images aufruft. Letztlich jedoch zeigt sie gangbare Wege: Globale politische Lösungen im Rahmen von Abkommen, gleichzeitig aber „Hilfe zur Selbsthilfe", etwa bei Arbeitern in Sweatshops. Insgesamt ein gutes Buch, in dem dermaßen viele Fakten über unsere Geschäfts- und Marken-Welt zu finden sind, als das man ihm seine politische Schlagseite ernsthaft vorwerfen kann.
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Die Hand, sie bewegt sich doch
Von KLEMENS KINDERMANN
Nach außen gibt Gerhard Schröder den Lotsen, der unbeeindruckt durch die Strudel konjunktureller Unwägbarkeiten steuert. Doch im Kanzleramt suchen seine Strategen ein Jahr vor der Bundestagswahl fieberhaft nach den Stellschrauben, die ihrem obersten Chef den Amtserhalt trotz Wachstumsrückgangs sichern können. Schon zu Beginn seiner diesjährigen Expedition gen Osten hat Schröder seine Hand entgegen vorherigen Ankündigungen weit geöffnet. Nun steht zwar keine Finanzspritze, aber ein Stopp weiterer milliardenschwerer Belastungen der Wirtschaft bevor: Auf eine Verschlechterung der steuerlichen Abschreibungsbedingungen durch eine Überarbeitung der Branchen-Tabellen zum Jahresanfang 2002 will der Kanzler verzichten.
Noch ziert sich der Finanzminister, der die zusätzlichen Steuereinnahmen fest eingeplant hatte. Immerhin habe die Steuerreform die Wirtschaft ja schon entlastet und die geänderten Abschreibungstabellen seien gewissermaßen als Kompensation gedacht gewesen. Doch die Länder, die an den Sorgen ihrer gebeutelten Wirtschaft noch näher dran zu sein scheinen, laufen dagegen Sturm – allen voran die mächtigen SPD-Regierungschefs von Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen. Zu Recht: Denn in diesen Wochen erstellen die Firmen ihre Pläne für die Investitionen im Jahr 2002. Wenn jetzt nicht unverzüglich ein klares Signal gegen die ungünstigeren Abschreibungsmöglichkeiten gegeben wird, werden Investments unterbleiben.
Gegen alle Bedenkenträger, die wegen der Änderung der allgemeinen Tabelle zum Jahresanfang nun auch die Branchen-Tabellen überarbeiten wollen: Nicht Steuersystematik ist das Gebot der Stunde. Ein schneller und öffentlicher Verzicht auf die Mehreinnahmen schafft Klarheit für die Unternehmen und wirkt besser als jedes teure Konjunkturprogramm. Das hat Schröder offenbar erkannt. Die Hand am Steuer des Deutschland-Tankers – sie bewegt sich ein Jahr vor der Wahl doch noch.
HANDELSBLATT, Montag, 20. August 2001
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Kanzler Zitterhand
Warum im neudeutschen Ständestaat Führung schwer ist. Und trotzdem sein muss
Von Josef Joffe, DIE ZEIT
Das Etikett "ruhige Hand" wird an dem Sommerloch-Reisenden Schröder so haften bleiben wie "Aussitzer" an Kohl. Sich darüber zu mokieren wäre Ironie vom Gröbsten. Denn alle moderne Politik hat mit "Aussitzen" zu tun. Keinem Kanzler, keinem Präsidenten ist es je gelungen, das Auf und Ab der Konjunktur abzuschaffen. Kollektive Aufwallungen kommen und gehen - zuletzt BSE und MKS; ihre hysterische Hypertrophie widerspiegelt offenbar ein Grundbedürfnis nach Aufregung in einer langweiligen, vor allem risikoarmen Welt. Auf der gesegneten Insel zwischen Berlin und Berkeley jedenfalls sind Krieg, Seuche und Massenverelendung nicht mehr Teil unseres Kalküls. Wo das Brot gesichert ist, werden Spiele (die schon im alten Rom mit Angst und Schrecken faszinierten) immer wichtiger.
Mokieren wir uns also nicht über Old Steadyhand im Kanzleramt. Ist er nicht auf den Rängen (sprich: von den Medien) vor Jahresfrist noch bejubelt worden, nachdem er mit scheinbar eiskalter Ruhe das Tal der verlorenen Landtagswahlen durchschritten hatte, nachdem er das Sparpaket geschnürt, die Steuer- und Rentenreform angepackt hatte? Ein bisschen Glück, das angeblich nur den Tüchtigen winke, gehörte auch dazu. Sein Quälgeist, der rot gefärbte Populist von der Saar, verlor die Nerven und schmiss hin. Der Große Schwarze aus Oggersheim, aus dessen Schatten Schröder sich bis dato nie befreien konnte, ging unter der Last der Bimbes-Affäre in die Knie. Und die Konjunktur sprang an.
Doch Gerd im Glück, das ist in diesem Sommer vorbei. Er ist nervös geworden. Noch im März versuchte er, dem Volk einzureden, dass die Flut der verhängnisvollen Konjunkturdaten aus Amerika und Japan ausgerechnet vor den deutschen Deichen Halt machen würde: Die Verhältnisse, so Schröder, seien nicht übertragbar. Nun ist just Amerika schuld: Er könne doch nichts dafür, "dass wir von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den USA stärker betroffen sind als alle anderen" in Euroland. In diesem Sommer stieg die Arbeitslosigkeit wieder zum ersten Mal seit 1997, die Neuverschuldung wächst, an der Börse wildern die Bären.
Derweil steckt "Kanzler Ruhighand" wirtschaftspolitisch in der doppelten Zwangsjacke: Was ohnehin nicht funktioniert, ist auch noch verboten. Also: Ein wahlgerechtes Konjunkturfeuerchen mit staatlichen Mehrausgaben zu entfachen bringt nichts mehr; das lehrt die Erfahrung der letzten 25 Jahre. Die Flammen verpuffen, aber der Schuldenberg wächst. Schlimmer noch: Schröder darf es nicht einmal versuchen; dagegen steht der Euro-Stabilitätspakt, der strenge Fiskaldisziplin fordert. Runter mit den Zinsen, wie es die US-Zentralbank fast monatlich probiert? Geht nicht. Seit 1999 liegt das Schicksal des Geldes nicht mehr in deutscher, sondern europäischer Hand.
Klar, dass nun, da der klassische makroökonomische Ausweg verrammelt ist, das mediale Kolosseum hämisch mit dem gesenkten Daumen wedelt: "Du hättest eben Mikropolitik machen müssen - die Märkte deregulieren, die Lohnnebenkosten senken, die Sozialtransfers beschneiden, das jobvernichtende Arbeitsrecht auflockern." Gut gebrüllt und richtig obendrein. Nur ist das zutiefst unfair.
Denn das Problem sind wir selbst. Schröder soll die sozialen Wohltaten zurückfahren, auf dass wieder, wie weiland im "Wirtschaftswunder", Unternehmergeist und Risikomut erblühe? Warum sind denn die Sozialleistungen in den vergangenen drei Jahrzehnten von 151 auf 1300 Milliarden, von 23 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 34, von 2500 Mark pro Kopf auf 16 000 gestiegen, die Aufmerksamkeiten für den Agrar- und Industriesektor noch nicht mitgerechnet? Schröder soll den Staat zurückschneiden? Warum ist dann die Staatsquote in vier Dekaden von 33 auf 48 Prozent angeschwollen? Warum hat sich denn das Arbeitsrecht so verfestigt, der Regulierungsdrang so ausgedehnt?
Gegenseitige Korruption
Schuld daran waren nicht die Kanzler dieser Republik; die lebten nicht von ihrer eigenen, sondern von geborgter Macht. Ihnen kann man allenfalls ankreiden, dass sie ein unwiderstehliches Angebot offeriert haben, welches das Wahlvolk enthusiastisch "gekauft" hat. In diesem System verhält sich der Bürger übrigens völlig rational. Wenn er das Private zum Politischen machen, also so viel Vorsorge wie möglich gegen so viele Fährnisse wie möglich auf die Allgemeinheit abwälzen kann, wird er es tun. Die Korruption von Staat und Staatsvolk ist gegenseitig, die Rechnungen werden hinterher bezahlt, mit der höheren Belastung von morgen für die Wohltat von heute. Und die Begehrlichkeiten wachsen.
Nun hatte dieser Kanzler einst gelobt, nicht alles anders, aber vieles besser zu machen. Und: "Die Leute wollen doch gar nicht, dass einer immer nur sympathisch ist. Die wollen einen an der Macht, der was durchsetzen kann." Das ist nur zur Hälfte richtig, denn der Wähler ist ein abgefeimtes Wesen. Seine Devise lautet: "Ich will Führung, aber nicht gegen mich." Führung ist deshalb ein gar schwierig' Ding in dieser Republik. Wir haben uns in diesem Land wie in einem neuzeitlichen Ständestaat eingerichtet. Jede halbwegs organisierte Gruppe kann sich durchsetzen, zumindest alle anderen blockieren - sogar den obersten Chef der Republik. Und wir schätzen den Konsens über alles - deshalb die Runden Tische und Bündnisse für Arbeit. Der Wirtschaftswissenschaftler Herbert Giersch hat diesen Korporatismus so definiert: als "Zusammenarbeit in Zünften, Kooperation in Kartellen, Zusammenwirken von Bürokratie und Interessengruppen, Herrschaft der Verbände".
Die Folge, wie wir auch bei Schröder sehen, ist nicht die "ruhige", sondern die "zittrige Hand". Oder genauer: die "ruhig stellende Hand", die im raschen Rhythmus mal jene, mal diese Gruppe besänftigt (oder besticht). Big Business darf seine Beteiligungen steuerfrei verkaufen? Dann kriegen die Gewerkschaften ihr neues Betriebsverfassungsgesetz. Jetzt mault der Mittelstand? Der kriegt auch Steuererleichterung. Teilprivatisierung der Rente? Die Gewerkschaften bekommen Sonderkonditionen für die eigenen Rentenfonds. Im Osten grummelt's gegen die Regierung? Der Kanzler gewährt mit dem "Stadiumbau Ost" ein hübsches Präsent in Höhe von zwei Milliarden Mark. Und so weiter - aber immer öfter, je näher der Wahltermin rückt.
Nur: Der Mann verhält sich nicht wie ein gnadenloser Opportunist, sondern absolut systemkonform. Oder wie er's selbst sagt: "Es gibt Situationen, da kannst du allein nicht durch. Du brauchst die kollektive Absicherung." Entschlüsselt: Alle quietschenden Räder müssen geschmiert werden, die lautesten zuerst. Trotzdem: Für einen Kanzler reicht das nicht aus. Denn der Verweis auf die probate Technik der Macht beantwortet keinesfalls die Große Frage aller Politik: Wenn jeder etwas kriegt, was kriegen dann alle? Wie summieren sich derlei Wohltaten zum Wohle der Nation, die im dritten Jahr Schröder im sattsam bekannten Reformeis stecken geblieben ist?
Führung ist mehr, als bloß Durchwurstel-Bündnisse für den Tag zu zimmern. Führung heißt auch, Mandate zu schmieden, die Wertematrix in den Köpfen so zu verändern, dass Koalitionen für die Zukunft entstehen. Wer das geschafft hat? Adenauer, Brandt, Schmidt - und merkwürdigerweise auch der Aussitzer aus Oggersheim. Hätte er nur die Räder geschmiert, wäre er sowohl mit der Nachrüstung als auch mit dem Euro gescheitert.
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Wenn man allein die kommende Karnevalssession ins Auge nimmt, ist der Slogan allein dort für glatt 1111 Verballhornungen gut....ganz zu schweigen von den bevorstehenden Wahlkämpfen....die Plakate werden überlaufen....
Das ist sogar noch doofer gewesen als die Rote-Socken-Kampagne...oder Rinder statt Kinder... oder so ähnlich....
Sollte Schröder allerdings selbst der Autor dieses fatalen Fehlgriffs gewesen sein, darf er getrost an sich selbst A.... äh.. Hand anlegen....